Zusammenfassung
Alle Lebensprozesse sind mit energetischen Zustandsänderungen verknüpft. Daher spielen energetische Betrachtungen auf fast allen Ebenen der Physiologie eine entscheidende Rolle. Energie (d. h. die Fähigkeit Arbeit zu leisten) tritt in der anorganischen Natur in verschiedenen Erscheinungsformen auf (z. B. als mechanische Energie, Lichtenergie, elektrische Energie oder Wärmeenergie). Im Rahmen der Physik beschreibt die Thermodynamik die Gesetzmäßigkeiten, nach denen die verschiedenen Energieformen ineinander umgewandelt werden können. Diese Gesetze und die dafür geprägten Begriffe wie Enthalpie, freie Enthalpie, Entropie, chemisches Potential usw. können im Prinzip auch auf die lebendigen Systeme angewandt werden. Die Auffassung erscheint berechtigt, daß sich lebendige und nicht-lebendige Systeme lediglich im Grad ihrer Komplexität unterscheiden und daß demgemäß alle Gesetze der Physik wenigstens potentiell auch Gesetze der Biologie sind. Dies bedeutet allerdings nicht, daß die physikalischen Gesetze ausreichen, um die biologischen Systeme erschöpfend zu beschreiben. Gerade bei der Anwendung der Thermodynamik auf die Energetik lebendiger Systeme zeigen sich die enormen Schwierigkeiten, welche stets dann auftreten, wenn komplexe Systeme radikal vereinfacht werden müssen, um für eine gesetzhafte Beschreibung überhaupt zugänglich zu werden. Dieses Vorgehen hat zur Folge, daß die formalistische, energetische Betrachtung biologischer Prozesse meist fiktive Resultate liefert, die häufig nur qualitative Aussagen über reale Prozesse zulassen. Trotz dieser gravierenden Einschränkungen ist die Bioenergetik — die Thermodynamik lebendiger Systeme — ein sehr leistungsfähiges Instrument, um die Richtung und die energetische Ausbeute biologischer Reaktionen im Prinzip verständlich zu machen. Für diesen Zweck wird die Bioenergetik in den folgenden Kapiteln häufig herangezogen. Wir müssen uns daher in den folgenden Abschnitten kurz mit den Grundlagen dieser biophysikalischen Wissenschaft vertraut machen, wobei wir uns weitgehend auf den Bereich der reversiblen Thermodynamik beschränken. Wir verzichten also auf den Begriff der Zeit und betrachten lediglich Gleichgewichtszustände, genauer gesagt: Unterschiede zwischen Gleichgewichtszuständen. (Diese Einengung behindert naturgemäß die exakte Anwendung dieser Thermodynamik auf alle Prozesse, die nicht mit unendlich langsamer Intensität ablaufen.) Einige Aspekte der Kinetik, der Wissenschaft von den Prozessen, werden im Kapitel 5 (→ S. 65) behandelt.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Buying options
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Learn about institutional subscriptionsPreview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Weiterführende Literatur
Bertalanffy L von, Beier W, Laue R (1977) Biophysik des Fließgleichgewichts. 2. Aufl. Vieweg, Braunschweig
Broda E (1975) The evolution of the bioenergetic processes. Pergamon Press, Oxford New York Toronto
Dainty J (1969) The water relations of plants. In: Wilkins MB (ed) The physiology of plant growth and development. McGraw-Hill, London New York Toronto, pp 419–452
Dainty J (1969) The ionic relations of plants. In: Wilkins MB (ed) The physiology of plant growth and development. McGraw-Hill, London New York Toronto, pp 453–485
Dainty J (1976) Water relations of plant cells. In: Lüttge U, Pitman MG (eds) Encycl Plant Physiology NS, Vol 2A. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 12–35
Findlay GP, Hope AB (1976) Electrical properties of plant cells: Methods and findings. In: Lüttge U, Pitman MG (eds) Encycl Plant Physiology NS, Vol 2A. Springer, Berlin Heidelberg New York, pp 52–92
Harold FM (1986) The vital force: A study of bioenergetics. Freeman, New York
Kinzel H (1989) Stoffwechsel der Zelle. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart
Kramer PJ (1983) Walter relations of plants. Academic Press, New York London
Lange OL, Kappen L, Schulze E-D (1976) Water and plant life. Problems and modern approaches. Ecological Studies Vol 19. Springer, Berlin Heidelberg New York
Lehninger AL (1974) Bioenergetik. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart
Leyton L (1975) Fluid behaviour in biological systems. Clarendon Press, Oxford
Morris JG (1976) Physikalische Chemie für Biologen. Verlag Chemie, Weinheim New York
Nobel PS (1991) Physicochemical and environmental plant physiology. Academic Press, San Diego New York London
Walz D (1979) Thermodynamics of oxidation-reduction reactions and its application to bioenergetics. Biochim Biophys Acta 505: 279–353
Wieser W (1986) Bioenergetik. Energietransformationen bei Organismen. Thieme, Stuttgart New York
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1992 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Mohr, H., Schopfer, P. (1992). Die Zelle als energetisches System. In: Pflanzenphysiologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-97370-3_4
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-97370-3_4
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-97371-0
Online ISBN: 978-3-642-97370-3
eBook Packages: Springer Book Archive