Zusammenfassung
Hamiltons Ansicht, daß ein Gericht den besten Schutz für ein Verfassungssystem gewährt1, war eine politische Neuformulierung des berühmten Ausspruchs Sir Edward Cokes, der feststellte: „Die Magna Charta ist ein Ding, das keinen Souverän haben will.“ Gewiß, zur Zeit des Richters Coke war es der König im Parlament, der die „Vorherrschaft des Gesetzes“ zu bedrohen schien. Zu Hamiltons Zeit aber hatte das englische Unterhaus nahezu die Vorherrschaft des Parlaments verwirklicht. Was daher Hamilton und vielen anderen Amerikanern als notwendig erschien, waren Begrenzungen der gesetzgebenden Gewalt, gleichgültig, ob diese nun von einem Fürsten oder einer wählbaren Körperschaft ausgeübt wird. In einigen der Gliedstaaten hatte sich eine „Tyrannei der Mehrheit“ breit gemacht, und diese suchten die Schöpfer der Verfassung einzuschränken. Die Befugnis der Gerichte, die Verfassung auszulegen, entwickelte sich in engem Zusammenhang mit der Lehre von der Gewaltenteilung, ohne daß sie ursprünglich in dieser Lehre enthalten war.
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Hinweise und Anmerkungen
Die Ausführungen Hamiltons über das richterliche Prüfungsrecht sind (obgleich die Lehre in der Verfassung selbst nicht zu finden ist) im Federalist, Nos. 78–82 erschienen.
Die Literatur über Coke ist in Kap. VI Anm. 6 angegeben.
Holdsworths Ansicht findet man in Vol. IV, pp. 174, 184–185. Was McIlwain betrifft, so siehe sein Werk, The American Revolution (1924). Die Studie von Robert L. Schuyler, Parliament and the British Empire: Some Constitutional Controversies Concerning Imperial Jurisdiction (1929), ist zwar reich an interessantem Material, doch man kann nicht behaupten, sie habe McIlwains wichtigstes Argument entkräftet, wie zuweilen angenommen wird; vielmehr hat Schijyler das grundlegende Verfassungsproblem gar nicht behandelt. Siehe die Besprechung von George M. Wrong, APSR, Vol. XXIII, p. 1011. Die Feststellung Blackstones findet sich in seinen Commentaries on the Laws of England (5th ed. 1773), Introduction, Sections 2 und 3.
Die Ansichten von Adams sind dargelegt in Defense of the Constitutions of Government of the United States of America (1787). Hinsichtlich der Entscheidung im Falle Marbury gegen Madison und der umfangreichen Literatur über diesen Gegenstand siehe E. S. Corwin, „Marbury v. Madison and the Doctrine of Judicial Review“ in The Doctrine of Judicial Review (1914), pp. Iff. Zur Entwicklung der Idee der „Staatssouveränität“ in Deutschland siehe Rupert Emerson, State and Sovereignty in Modern Germany (1928), Ch. I.
Über Australien vgl. B. R. Wise, The Commonwealth of Australia (1909). Das Zitat stammt aus dem Aufsatz von Felix Frankfurter, „The Supreme Court“ in ESS. Siehe auch Rappard, op. cit. pp. 448–453.
Beide Zitate finden sich bei H. F. Pringle, The Life and Times of William Howard Taft (1939). Die Frage der Verfassungswandlung durch Interpretation wird sorgfältig untersucht von H. W. Horwill, Usages of the American Constitution (1925) und mit meisterhafter Hand historisch skizziert von A. C. McLaughlin, A Constitutional History of the Unites States (1935). Für die deutschen Verhältnisse gibt eine eingehende Untersuchung Karl Loewenstein, Erscheinungsformen der Verfassungsänderung (1931).
Das Zitat ist Jackson, op. cit. pp. 312–313 entnommen.
Walton H. Hamilton, „The Path of Due Process of Law“ in The Constitution Reconsidered (1938). Siehe auch R. L. Mott, Due Process of Law (1926) und Louis A. Warsoff, Equality and the Law (1938), insbesondere Ch. IV.
Siehe B. F. Wright, op. cit. pp. 240–241. Das HoLMES-Zitat stammt aus O. W. Holmes, The Common Law (new ed. 1938). Zum Taschenveto (pocket veto) vgl. 279 U.S. 655 und die Erläuterungen von R. E. Cushman, APSR, Vol. XXIV, pp. 67 ff.
Zum Handelsproblem vgl. E. S. Corwin, The Commerce Power versus States’ Rights (1936), wo restriktive Lehren angegriffen werden, und Felix Frankfurter, The Commerce Clause under Marshall, Taney and Waite (1937).
Siehe B. F. Wrights Kommentare, op. cit. pp. 192 ff. zu Schechter Poultry Corp. v. United States, 295 U.S. 495 (1935). Vgl. die in Kap. VI unter Anm. 9 aufgeführte Literatur, ferner Richter Cardozo, The Nature of the Judicial Process (1921) und William A. Robson, Justice and Administrative Law (1928), Ch. V.
Zum Thema Wissenschaftler und Rechtsgelehrter und über die Möglichkeiten einer „naturalistischen“ Jurisprudenz vgl. Edward S. Robinson, Law and the Lawyers (1935), Ch. I. Über Repräsentation siehe das Schrifttum zu Kap. XIV.
Hinsichtlich der Verfassungsjury, wie sie Siéyés vorschlug, siehe Esmein-Nezard, Droit Constitutionnel (8th ed. 1928), Vol. I, pp. 638 ff., wo die große Siéyés-Rede vor dem Konvent zusammengefaßt ist. Zu dieser Rede, die auch heute noch überall lesenswert ist, vgl. Réimpression de l’Ancien Moniteur, Vol. XXV pp. 293ff. Siehe auch die Studie von Trouillard, Le Sénat Conservateur du Consulat et du Premier Empire (1912) und die neue Arbeit über Siéyés von G. G. van Deusen, Siéyés: His Life and His Nationalism (1932), insbesondere p. 61. Einen kurzen Kommentar zum Verfassungsausschuß gibt Gordon Wright, The Reshaping of French Democracy (1948), p. 241.
Im Unterschied zu früheren Verfassungsentwürfen erkennt das deutsche Grundgesetz von 1949 den Einzelnen als Streitpartei nicht eindeutig an. Da aber erklärt wird, die „Grundrechte (Art. 1–19) binden Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht“, und da Art. 19 (4) jeden, in dessen Rechte eingegriffen wird, auf den Rechtsweg verweist, ist im Ergebnis fast das gleiche erreicht. Ähnliche Bestimmungen in den Länderverfassungen haben jedoch langwierige Auseinandersetzungen über die Durchführungsgesetzgebung verursacht. Wegen der Bestimmungen der Länderverfassungen vgl. Constitutions of the German Länder, CAD, OMGUS (1947). In bezug auf Österreich siehe Ludwig Adamovich, Grundriß des Österreichischen Verfassungsrechts (1947), S. 96 ff. und 303 ff. und vom gleichen Verfasser hinsichtlich der allgemeinen Probleme, Die Prüfung der Gesetze und Verordnungen (1924). Siehe auch Charles Eisenmann, La Justice Constitutionnelle et la Haute Cour Constitutionnelle de l’Autriche (1928).
Die gesamte einschlägige Literatur behandelt diesen Punkt. Besonders zu erwähnen sind Edouard Lambert, Le Gouvernement des Juges et la Lutte contre la Législation Sociale aux Etats-Unis (1921), und vom gleichen Verfasser (im Verein mit Halfred C. Brown), La Lutte Judiciaire du Capital et du Travail Organis’s aux Etats-Unis (1923). Eine scharfe, doch populäre Schrift ist Pearson und Allen, Nine Old Men (1936).
Eine ins einzelne gehende Darstellung der amerikanischen Geschichte geben Charles Warren, The Supreme Court in United States History (1922) und B. F. Wright, op. cit. Bemerkenswert ist die Schlußfolgerung, zu der Esmein gelangt in Esmein-Nezard, Droit Constitutional, Vol. I, p. 636: „Poul attribuer aux tribunaux un rôle si délicat et si important, il faut avant tout quer a magistrature posséde une bien haute autorité: il faut que le peuple ait une confiance profonde dans sa sagesse et dans sa valeur professionnelle et scientifique.“
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Friedrich, C.J. (1953). Die richterliche Überprüfung der Gesetzgebung als Verfassungsschutz. In: Der Verfassungsstaat der Neuzeit. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94600-4_12
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