Zusammenfassung
Hellas hatte das Glück, seinen landschaftlichen Charakter in der Religion seiner Bewohner zum Bewußtsein gebracht zu sehen. Hellas ist ein Land des Pantheismus; alle seine Landschaften sind — oder waren es wenigstens — in dem Rahmen der Harmonie gefaßt* Und doch drängt sich jeder Baum, jede Quelle, jeder Berg zu sehr in den Vordergrund, und doch ist sein Himmel viel zu blau, seine Sonne viel zu strahlend, sein Meer viel zu großartig, als daß sie sich mit der lakonischen Vergeistigung eines Shelleysehen Spirit of nature, eines allumfassenden Pan begnügen sollten; jedes einzelne macht auch in seiner schönen Abrundung Ansprüche auf einen besondern Gott, jeder Fluß will seine Nymphen, jeder Hain seine Dryaden haben — und so ward die Religion der Hellenen. Andere Gegenden waren nicht so glücklich; sie dienten keinem Volke zur Grundlage seines Glaubens und müssen ein poetisches Gemüt abwarten, das den religiösen Genius, der in ihnen schlummert, heraufbeschwört. Steht ihr auf dem Drachenfels oder auf dem Rochusberg bei Bingen und schaut ihr hin über das rebenduftende Rheintal, die fernen blauen Berge mit dem Horizont verschmolzen, das Grün der Felder und Weinberge, vom Golde der Sonne Übergossen, das Blau des Himmels widerstrahlend aus dem Strom — da senkt sich der Himmel mit seinem Licht auf die Erde und spiegelt sich in ihr, der Geist versenkt sich in die Materie, das Wort wird Fleisch und wohnt unter uns — das ist verkörpertes Christentum.
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Mayer, G. (1920). Landschaften. In: Mayer, G. (eds) Friedrich Engels Schriften der Frühzeit. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94435-2_9
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