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Part of the book series: Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie ((MONOGRAPHIEN,volume 4))

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Zusammenfassung

Zum Verständnis all der psychologischen Vorgänge, die bei den Psychoneurosen in Betracht kommen, müssen wir uns über folgende, elementar psychologischen Tatsachen klar geworden sein. Immer müssen wir uns den psychologischen Elementarsatz: „nihil in animo nisi in sensu“ vor Augen halten. Dabei müssen wir uns vorstellen, wie jedes Einzelerlebnis stets ein außerordentlich komplizierter Vorgang ist, in dem jeder einzelne Sinneseindruck aus einer Unzahl von Komponenten besteht und daß es sich in der Regel nicht um den Eindruck in einem einzelnen, sondern gleichzeitig in der Mehrzahl unserer Sinnesorgane handelt. Dabei wird uns stets nur der kleinste Teil des Konglomerates von Sinneseindrücken vermittelst unserer Aufmerksamkeit (Apperzeption), die wir darauf richten, bewußt, während der überwiegend größte Teil der gleichzeitigen Sinneseindrücke in unser Gehirn eintritt, ohne durch unsere Aufmerksamkeit kontrolliert (Perzeption), ohne uns bewußt geworden zu sein. Während nun die apperzeptiv aufgenommenen Sinneseindrücke normaliter leichter durch die Erinnerung in unser Bewußtsein zurückgebracht werden können, hält dies viel schwieriger, ist meist unmöglich, mit den nur perzeptiv aufgenommenen. Die perzeptiv aufgenommenen Sinneseindrücke werden deshalb schneller unterbewußt und ihre Erinnerungsspur ist eine weniger tiefe, als die der apperzeptiv gewonnenen. Werden diese Gesamteindrücke mit Affekt erlebt, so kann sowohl durch die Erinnerung (Ekphorierung, Se mon) des apperzeptiven wie perzeptiven Teiles der Affekt wieder neu belebt werden. Auch die apperzeptiven Eindrücke werden nach einiger Zeit unterbewußt, bleiben aber, wie auch jeder perzeptive, im Unterbewußtsein erhalten, n r fehlt häufig die Möglichkeit, die Erinnerungsspur wieder neu zu beleben. In der Hypnose ist es möglich, solche Erinnerungen von Erlebnissen, die Jahre oder Jahrzehnte zurückliegen und die im wachen Zustand absolut nicht erinnert werden können, wieder bewußt zu machen. Es ist mir dies in der Hypnose sehr oft gelungen, auch für Erlebnisse, die Jahrzehnte, z. B. 30 Jahre zurücklagen. Daß auch die nur perzeptiv aufgenommenen Eindrücke eine große Rolle spielen dadurch, daß sie außerordentlich häufig, ja sogar meist die Verbindungen zwischen den einzelnen Erlebnissen herstellen, das zeigt sorgfältige Beobachtung im täglichen Leben, vor allem aber die Analyse im Halbschlaf. Sehr häufig ist es bei der Analyse ganz auffallend, in welcher Reihenfolge sich die verdrängt gewesenen Vorstellungen wieder bewußt machen. Das Bewußtwerden geschieht auf dem Wege der Assoziation. Dabei spielen Erlebnisse, auch Traumerlebnisse kurze Zeit vor der Analyse eine große Rolle. Wenn man sich die Mühe gibt und die nötige Zeit darauf verwendet, so kann man im Halbschlaf das den Komplex anregende Reizobjekt ausfindig machen. Entweder enthält dieses Reizobjekt, das ja selbst wieder außerordentlich komplex zusammengesetzt ist, Reizmomente für die nachfolgenden bewußt werdenden Szenen oder diese verdanken ihre Anregung der vorausgegangenen abreagierten Szene selbst. Durch die verschiedenen Möglichkeiten der Anregung der verdrängten, gefühlsbetonten Vorstellungen erscheint es uns, als wenn die einzelnen Szenen sich ganz und gar zusammenhanglos darstellen. Nur wenn man die Möglichkeit hat, die nötige Zeit darauf zu verwenden, so kann man immer wieder den inneren Zusammenhang finden. Bald wirkt ein optischer, bald ein akustischer Eindruck, bald aber der Affekt selbst assoziativ auslösend, häufig spielen Ort und Zeit eine ebenso große Rolle. Einen sehr klaren Einblick in die psychologischen Vorgänge erhalten wir, wenn wir den Forschungen R. Semons in seiner Mneme der Empfindungen folgen. Se mons Hauptsätze lauten: 1. „Alle gleichzeitigen Erregungen innerhalb eines Organismus bilden einen zusammenhängenden, simultanen Erregungskomplex, der als solcher engraphisch wirkt, d. h. einen zusammenhängenden und insofern ein Ganzes bildenden Engrammkomplex zurückläßt (Satz der Engraphie). 2. Ekphorisch auf einen simultanen Engrammkomplex, d. h. ihn aus dem Latenzzustand wieder in einen Erregungszustand, den Semon den mnemischen nennt, zurückversetzend, wirkt die partielle Wiederkehr derjenigen energetischen Situationen, die vormals engraphisch gewirkt haben.“

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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© 1913 Julius Springer in Berlin

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Frank, L. (1913). Psychologische Vorbemerkungen. In: Affektstörungen Studien über Ihre ätiologie und Therapie. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 4. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-94209-9_3

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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