Zusammenfassung
Bereits in der Neurosenlehre Freuds findet sich der klare Hinweis darauf, daß im Hinblick auf die Ursache der Neurosen Erlebnisfaktoren und Erbanlage gleichberechtigt nebeneinander stünden, ja, daß sogar der letzteren die Rolle einer meist unerläßlichen, verstärkend wirkenden Voraussetzung zukomme. Wie jedoch der Einfluß derselben im einzelnen beschaffen sei, konnte beim damaligen Stande der Forschung nicht gesagt werden. In der Folgezeit wurde eine Fülle von Material zur Erkenntnis der psychologischen Ursachen und Zusammenhänge beigebracht. Die zahlenmäßig wesentlich spärlicheren einschlägigen Arbeiten über Konstitution und Vererbung zeigten jedoch in der Mehrzahl der Fälle die konstitutionelle Schwäche der Neurotiker hinsichtlich des körperlichen, im besonderen vegetativen Systems einerseits und der psychischen Struktur andererseits, sowie die starke erbliche Belastung auf beiden Gebieten. Demnach finden sich bei den Neurosen nicht nur alle Übergangs stufen in Richtung der Psychopathien, sondern auch innerhalb der Sippen eine gehäufte Affinität zu allen psychopathischen und psychotischen Formenkreisen. Wenn man bis jetzt über den Erbgang neurosebegünstigender Eigenschaften noch keine genauen Aussagen machen kann, so besteht doch kein Zweifel über das Bestehen hereditärer Beziehungen an sich.
Ernst Kretschmer zur Vollendung seines 60. Lebensjahres gewidmet.
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Kretschmer, W. (1949). Zur Wechselwirkung der konstitutionell-hereditären und psychisch-reaktiven Gegebenheiten bei der Entstehung von Neurosen. In: Ein Querschnitt Durch die Arbeit der Tübinger Nervenklinik. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-92532-0_7
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