Zusammenfassung
Dem Begriff der Intuition haften leicht zwei Wertakzente an: einmal nennt man sie achtungsvoll, weil sie nicht jedermanns Sache ist, sodann zuckt man die Schultern, weil sie nicht nachprüfbar sei. Sieht man sich erst einmal um, in welcher Bedeutung dies Wort denn überhaupt gebraucht wird, so stellt sich zuerst das Negative heraus, daß es eine Einsicht bedeutet, die nicht errechnet, nicht Schritt für Schritt ergangen, sondern gleichsam mit einem Schlage erobert worden ist. So steht etwa die Intuition dem Einfall und der Erfindung nahe. Bei beiden nimmt man nicht etwa an, daß sie sich ohne Voraussetzungen und ohne Vorkenntnisse u. dgl. plötzlich einstellen, aber sie sind nicht eigentlich intendiert. Findet sich überhaupt eine „Richtung auf“ vor, so ist es eine nur unbestimmte Tendenz. Der Einfall liegt mehr auf simplerem, banalerem Gebiete; von ihm heißt es vielleicht, er sei nett, oder anregend, oder originell, oder amüsant. Er hat kein Schwergewicht. Die Erfindung wird rühmend hervorgehoben, sie ist wesentlich seriöser. Aber der Sprachgebrauch verweist sie mehr in das Gebiet des Technischen. Daher sind es meist wiederum Techniker, die ihr das Höchstwort „genial“ zubilligen. Der Geisteswissenschaftler kleidet seine Anerkennung mehr in das Gewand des Wohlwollens, nicht der Begeisterung: nützlich, notwendig, überraschend, segensreich. Auf dem Gebiet des Geistigen wird „Erfindung“ nicht angewendet, obwohl das Zustandekommen einer erfinderischen Einsicht hier wie dort gleich verläuft: es werden zwei Sachverhalte aufeinander bezogen, die bisher noch nie aufeinander bezogen worden sind. Ob sich ein solches neues Band um geistige Gegenstände schlingt, die alltäglich banal oder kulturell hochwertig sind, ist für die Art der Entstehung belanglos.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
O. Külpe,Psychologie und Medizin, Zeitschr. f. Pathopsychol. 1, 1912.
Rights and permissions
Copyright information
© 1953 Springer-Verlag OHG, Berlin · Göttingen · Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Gruhle, H.W. (1953). Zur Psychologie. In: Verstehen und Einfühlen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-88633-1_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-88633-1_1
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-01702-8
Online ISBN: 978-3-642-88633-1
eBook Packages: Springer Book Archive