Zusammenfassung
Früher hat man gerne besondere Figuren als „optische Täuschungen“ bezeichnet. Man beobachtete in erster Linie die Tatsache, daß hier unser Verstand irregeführt wird und sah in diesen Erscheinungen vor allem ein Versagen unseres Orientierungsvermögens, des Erkennens der Wirklichkeit. Die neuere psycho-logische Prüfung des menschlichen Sehens brachte eine andere Wertung, welche die ganze Erscheinung zunächst einmal von einer positiven Seite nimmt. Sie weist nach, daß jede dieser Täuschungen das Werk besonderer Arbeitsweisen unserer Sehorgane (und auch des Sehens der höheren Tiere) ist, von Regeln der optischen Leistungen, die man heute sehr oft als „Gestaltgesetze“ zusammenfaßt. Das Auge aller höher organisierten Wesen arbeitet unter der Führung des zentralen Nervensystems; es ist nicht eine passive Empfangsstelle von Eindrücken, sondern es formt die eintreffenden Reizgruppen nach uns innewohnenden Gesetzen des Erlebens. Wer ein wenig abwesend auf eine Buchseite starrt, der erfährt, wie etwas in ihm dieses Feld von schwarzen Zeichen zu wechselnden Figuren formt, die aus dem Rohmaterial der Buchstabengruppen zusammengefügt werden. Daher ist die Benennung „optische Täuschung“ in den Hintergrund getreten und hat einer positiven Bewertung Platz gemacht, die von 1„Gesetzen des Sehens“ spricht. So beachtet unser Auge in der Abb. 6 in erster Linie die Symmetrie der ganzen Figur. Es fällt dem Auge viel schwerer, die in der unteren Reihe isolierten Liniensysteme aus dem Ganzen herauszulösen. Es ist eben gewissen Figuren eine besondere Macht auf unser Auge eigen, die von der Arbeitsweise des optischen Sinns zeugt.
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© 1956 Springer-Verlag OHG. Berlin · Göttingen · Heidelberg
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Portmann, A. (1956). Gestaltliche Mittel der Tarnung. In: Tarnung im Tierreich. Verständliche Wissenschaft, vol 61. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-88346-0_3
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