Zusammenfassung
Kant hat bekanntlich Rousseau als den Newton der moralischen Welt bezeichnet. Was er damit sagen wollte, war, daß Rousseau das eigentliche Wesen des Menschen als in seiner ethischen Autonomie gelegen aufgezeigt habe, daß Freiheit zum Menschen wie die Schwere zur Materie dazugehöre. Recht und Staat sind nur aus dieser Grundgegebenheit heraus zu verstehen. An und für sich ist dieser Gedanke nicht neu; schon in der Rechtsphilosophie der Stoa tritt er deutlich hervor. Aber die Autonomie des Menschen wird nun einerseits dahin interpretiert, daß eine Rechtsnorm eigentlich legitime, bindende Verbindlichkeit nur dann besitzt, wenn sie von dem ihr unterworfenen Menschen aus freier Entschließung mitgeschaffen worden ist, und daß andrerseits erst im Rahmen eines kategorischen Imperativs eine solche freie Entschließung sowohl als Ausdruck menschlicher Autonomie, wie auch als Indizium des allgemeinen Willens (volonté générale) verwirklicht werden kann. Es ist weiter von großer Bedeutung, daß bei Rousseau dieser allgemeine Wille als letztliche Instanz aller Rechtsentscheidung radikal-demokratisch und daher unbeschränkt wirksam wird, während bei Kant im Sinne der Konstitutionalisten auch dieser allgemeine Wille einem ganz allgemein gefaßten Naturrecht unterworfen bleibt.
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Literatur
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Friedrich, C.J. (1955). Das Recht als Ausdruck des allgemeinen Volkswillens: Rousseau und Kant. In: Die Philosophie des Rechts in Historischer Perspektive. Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-86332-5_14
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