Zusammenfassung
Nachdem in Preußen durch die Kassengesetzgebung von 1845 bis 1854 das System der sog. „Zwangskassen“ institutionalisiert und ausgebaut worden war, war seit den späten 50er Jahren eine immer deutlichere liberale Kritik am Kassenzwang und den Zwangskassen zu beobachten.1 Die Gewerbeordnung von 1869 formulierte einen Kompromiß zwischen Anhängern und Gegnern des Kassenzwangs, indem sie die Zwangskassen zwar nicht grundsätzlich beseitigte, ihnen aber die freien Kassen der Gewerk- und Arbeitervereine gleichberechtigt zur Seite stellte. Während so 1869 und auch noch im Hilfskassengesetz von 1876 die freien und eingeschriebenen Hilfskassen im Sinne liberaler politischer Forderungen gefördert wurden, knüpfte das Reichsgesetz von 1883 über die Krankenversicherung der Arbeiter wieder deutlich an die Prinzipien der Zwangsversicherung an.2 Es sah einen Beitrittszwang für Arbeiter in Gewerbe und Industrie vor, die unter 2000 Mk. jährlich verdienten, staffelte die Beiträge der Versicherten nach der Lohnhöhe und nicht nach dem Krankheitsrisiko, verzichtete auf ein Gesundheitsattest beim Eintritt in die Versicherung und erhob von den Unternehmern einen Beitrag zu den Versicherungskosten, der sich auf die Hälfte des Beitrags der versicherten Arbeiter belief.
Erstmals veröffentlicht in: Huerkamp C (1985) Der Aufstieg der Ärzte im 19. Jahrhundert: vom gelehrten Stand zum professionellen Experten: das Beispiel Preußens. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Bd 68, Kap 6, S 194–199).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Frevert U (1984) Krankheit als politisches Problem 1770–1880. Soziale Unterschiede in Preußen zwischen medizinischer Polizei und staatlicher Sozialversicherung, Göttingen, S 174ff.
Hesse G 1909 Ein Vierteljahrhundert deutscher Krankenversicherung. Bericht über die Entwicklung der Krankenversicherung in Dresden in den Jahren 1884 bis 1909. Dresden, S 16.
Dierks A 1922 Entstehung und Entwicklung der deutschen Krankenversicherung bis zum Jahre 1909, Dissertation, Universität Gießen (veröffentlicht im Zentralblatt der Reichsversicherung 1922, Nr. 15/16), Sp. 484.
Rumpe R (1905) Das Deutsche Krankenversicherungsgesetz nach 20jährigem Bestehen, in: Preußische Jahrbücher, S 104, schätzt schon 1905 die Zahl der gegen Krankheit versicherten Personen auf annähernd 30 Mio. Einwohner, d. h. 50 % der Reichsbevölkerung; die Schätzung von 50 % für 1913 auch bei Tennstedt F (1976) Sozialgeschichte der Sozialversicherung. In: Blohmke et al. (Hrsg) Handbuch der Sozialmedizin, Bd 3. Stuttgart, S 388.
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1991 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Huerkamp, C. (1991). Entstehung und Ausdehnung der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Inkrafttreten der Reichsversicherungsordnung 1914. In: Schwartz, F.W., Hofmann, W., Badura, B., Brecht, J.G., Jöckel, KH., Trojan, A. (eds) Public health. Gesundheitssystemforschung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-84312-9_14
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-84312-9_14
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-53185-2
Online ISBN: 978-3-642-84312-9
eBook Packages: Springer Book Archive