Zusammenfassung
Die forensische Psychiatrie befindet sich in einer schwierigen Lage; sie kämpft urn ihre Existenzberechtigung — und dies, obwohl die Dienste der forensischen Psychiater heutzutage von den Gerichten häufiger beansprucht werden als in früheren Jahrzehnten. Vielleicht ist dies sogar der Hauptgrund für die verstärkte Kritik, die von den sog. Nachbarwissenschaften, den anderen Psychowissenschaften (beides die wirklichen Verhältnisse und Beziehungen verschleiernde Ausdrücke), der Rechtswissenschaft und der Rechtspraxis an ihr geübt wird, weil dadurch ihre Mängel und Schwächen um so deutlicher in das Bewußtsein der Öffentlichkeit treten, etwa die Unsicherheiten vieler kurativ tätiger Psychiater über die Rolle als gerichtliche Sachverständige, das geringe Verständnis für Rechtsprobleme, das die meisten Psychiater allerdings mit den Ärzten anderer Fachrichtungen außer den Rechtsmedizinern teilen, die häufig oberflächliche Beschäftigung mit theoretischen Fragen, die Neigung, die Bedeutung des eigenen Einzelfalls zu überschätzen infolge des Fehlens kriminologischer Kenntnisse. Von den praktisch tätigen Juristen wird vorzugsweise auf die Widersprüche hingewiesen, die sie regelmäßig in den Gutachten zweier Sachverständiger über denselben Täter zu finden glauben. Dabei übersehen sie, daß sich die psychiatrischen Sachverständigen meistens, auch wenn sie aus verschiedenen psychiatrischen Schulen kommen, über die medizinische Diagnose einig sind. Differenzen ergeben sich erst bei der Wertung der Befunde, bei dem Versuch darzustellen, wie die diagnostizierte Stöning sich auf das Verhalten des Probanden auswirkt, also bei den Fragen nach der Einsichtsfähigkeit und der Steuerungsfähigkeit des Täters.
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