Zusammenfassung
In der sakralen Kunst der Renaissance treffen wir neben Leprösen und Hysterikern manchmal auch Ohnmächtige. Persönliche Erfahrungen der Maler gingen ein in die biblische Szene. Viele von ihnen zeigten die unter dem Kreuz Christi bewußtlos hingesunkene Maria, angefangen Von Rogier Van Der Weyden, Lucas Von Leyden, Botticelli und Hans Burgkmair über Tizian, Paolo Veronese, Sodoma und Tintoretto bis zu Rubens und Poussin. Seltener erscheint das alttestamentliche Motiv der vor ihrem König und Eheherrn zusammengebrochenen Esther. Masson nennt die Bilder von Tintoretto und Antoine Goypel. Das Verhalten Esthers entspricht dem Bibeltext, Stücke zu Esther 4, 5: Da er [der König] nun sein Angesicht erhob und sah sie zornig an, erblaßte die Königin und sank in eine Ohnmacht und legte das Haupt auf die Magd.“ Die Ohnmacht Marias aber fand ich bei keinem der vier Evangelisten erwähnt. Da durch die Bewußtlosigkeit die Tiefe des Seelenschmerzes optisch sehr eindringlich wirkt, griffen die Künstler meist unabhängig voneinander zu diesem Ausdrucksmittel. Die hier wiedergegebene lavierte Zeichnung von Paolo Veronese (1528 –1588) zeigt eine mit erschlafften Gliedmaßen wie zersucht förderten die Ohnmachtsneigung. Ein melodramatischer Beigeschmack kommt bei Louis Boilly (1761–1845) auf. Der Sittenschilderer der Restaurationszeit läßt die Szene in einer Theaterloge spielen. Besinnungslos hängt eine Zuschauerin in den Armen ihres Mannes — vielleicht nach Anhören einer der damals gängigen romantischen Schauertragödien. Alle Nachbarn der eigenen und der nächsten Loge interessieren sich nur noch für die Ohnmächtige, nicht mehr für die Vorgänge auf der Bühne. Diese 23 Personen sind psychologisch einfallsreich differenziert. Links schüttet ein Hilfsbereiter eine Riechsubstanz auf sein Taschentuch; weiter links sitzt an der Logenwand der einzige von dem Getue Unberührte, ein älterer, schlafender Mann.
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© 1980 J. F. Bergmann Verlag München
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Vogt, H. (1980). Kreislaufleiden. In: Das Bild des Kranken. J.F. Bergmann-Verlag. https://doi.org/10.1007/978-3-642-80496-0_12
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-80496-0_12
Publisher Name: J.F. Bergmann-Verlag
Print ISBN: 978-3-642-80497-7
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