Zusammenfassung
In psychotherapeutischen Praxen und Institutionen ist zu beobachten, daß sich 2/3 bis 3/4 der Patientenklientel aus Frauen zusammensetzen. Sofort taucht die Frage auf: Sind Frauen kränker, psychisch labiler als Männer? Andererseits scheint es wieder so zu sein, daß Frauen mindestens ebenso belastbar sind wie Männer. Man denke nur daran, wieviele Frauen heute im Gegensatz zu ihren Männern doppelte, ja dreifache Arbeit leisten: als Hausfrau, Mutter und Berufstätige. Auch sei hier erinnert, daß Frauen im Mittel sieben bis acht Jahre älter werden als Männer. Die plausibelste Antwort auf diese Frage der unterschiedlichen Geschlechtsverteilung bei Patienten, die um psychotherapeutische Hilfe nachsuchen, ist wohl die, daß es Frauen leichter als Männern fällt, sich eigene Schwächen einzugestehen, diese, und damit sich, anderen mitzuteilen. Was beim ersten Anblick als Schwäche imponieren könnte, erweist sich als Stärke. Angst und Ernst haben kürzlich in einem Vortrag des Studium Generale der Universität Heidelberg berichtet, daß 75% der Personen, welche 1988 in Zürich in einer schwierigen Situation die Telefonnummer der „dargebotenen Hand“ — einer Einrichtung zur Suizidprävention — wählten, Frauen waren. Unter den Personen, die sich im gleichen Jahr suizidierten, waren dagegen 75% Männer. „Frauen suchen Hilfe, Männer sterben“ lautete die Schlußfolgerung, die Angst und Ernst aus diesen Daten zogen. Ich habe oben das unterschiedliche Lebensalter bei Frauen und Männern erwähnt. Als Grund dafür haben Altersforscher eine interessante psychologische Hypothese aufgestellt, die sich an das eben Gesagte anschließt. Im Gegensatz zu Männern hätten Frauen ungleich häufiger eine oder mehrere Freundinnen, mit denen sie sich über ihre Probleme und Schwierigkeiten austauschen könnten. Gespräche unter Männern hätten in Abhebung dazu meist sachliche Inhalte wie Beruf, Politik oder Sport zum Thema.
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Lang, H. (1990). Das Gespräch Als Therapie. In: Wiehl, R. (eds) Heidelberger Jahrbücher. Heidelberger Jahrbücher, vol 34. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-75882-9_9
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