Zusammenfassung
Es ist eine Binsenweisheit, daß in einem bestimmten Sinne von “der” Familientherapie nicht gesprochen werden kann; dann nämlich, wenn man nicht die Familientherapie als “Bewegung”, sondern als ein heterogenes Konglomerat von Paradigmen, praktischen Vorgehensweisen, Forschungsstrategien und therapeutischen Schulen ansieht. Einheitlichkeit ist hier nicht zu erkennen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literature
Gill (1987) notiert die Hauptdifferenzen innerhalb der Psychoanalyse in folgenden Punkten: 1. Hermeneutik vs. Naturwissenschaft, 2. “Besetzung” und “Energie” vs. “Interaktion”, 3. Meta-psychologie vs. Handlungssprache — und dies alles durchmischt mit Positionen von den verschiedenen psychoanalytischen Schulen (Freud, Melanie Klein, Sullivan, Kohut, Kernberg u.v.a.). Seinen Gesichtspunkt, der diese Uneinheitlichkeit möglicherweise zu integrieren gestattet, nennt er “person point of view”: Die “Person” integriert die Differenzen, möglicherweise auch die zwischen Familientherapie und Psychoanalyse. Er schreibt: “The implication of the person point of view for the technique of psychoanalysis and psychotherapy depend on whether the therapy aims to make patterns of interpersonal interaction as explicit as possible” (S. 35).
Windaus (1987) stellt in einem historischen Rückblick dar, in welcher Weise sich die psychoanalytische Pädagogik mit der “Strafe” als dem Medium solcher Unterdrückung und gleichzeitiger Triebbefriedigung befaßt hat.
Cremerius (1983) hat in dankenswerter Weise auf diese Verdienste Ferenczis, von denen bis heute Inzestforscher profitieren, hingewiesen. Jiménez (1988) stellt sich erneut der Frage nach der Realität des “Traumas”.
Biermann (1962) demonstriert die “Familienneurose” in nach wie vor eindrücklicher Weise an projektiven Testverfahren; sein Instrument sind Zeichnungen von Kindern. Die Perspektive ist aufschlußreich: die “Familienneurose” wird aus der Sicht des Kindes wahrgenommen.
Für den nach wie vor anhaltenden Einfluß dieser Konzepte auch innerhalb der Psychoanalyse zitiere ich die Arbeit von Fischer (1986).
Ciaessens (1979) beispielsweise erweitert die soziologische Rollentheorie, indem er dem Bereich der “Sozialisation” den der frühkindlichen “Soziabilisierung” voranstellt; dabei greift er auf zahlreiche psychoanalytische Autoren zurück, um deutlich machen zu können, daß dem Erwerb von rollentheoretisch erfaßbaren Kompetenzen eine Entwicklung vorausläuft — ich komme auf Ciaessens Arbeiten später zurück.
Metzger (1977) hat in einer unveröffentlichten Arbeit im Anschluß an Habermas’ These vom “szientistischen Selbstmißverständnis” das psychoanalytische Verfahren als ein “sinnverstehendes” überzeugend dargestellt.
Ebenso wiederholen Napier u. Whitaker (1978, S.70): “Die Gesellschaft hat uns eine Aufgabe gestellt und wir bemühen uns ernsthaft, sie zu erfüllen.”
Ginneken (1984) informiert, in welcher Weise die sozialpolitischen Auseinandersetzungen im Anschluß an den ersten Weltkrieg auch in Freuds Darstellungen seiner Massenpsychologie Eingang gefunden haben.
Gerade die Auseinandersetzung um Freuds Chirurgenmetapher hat das gezeigt (Vgl. Kemper 1969; Cremerius 1984)
Kritisch haben sich mit diesen Konzepten Buchholz u. Huth (1983), Meister (1987), Clemenz (1986) beschäftigt; von philosophischer Seite gegen Watzlawicks Position zur Lippe (1975) und Ziegler (1976). Neuerdings haben Körner u. Zygowski (1988) eine Polemik gegen die systemische Familientherapie eröffnet, auf die alle antwortetenden systemischen Therapeuten mit dem Hinweis, es würde eine veraltete Praxis kritisiert, reagiert haben.
Luhmann (1984, S. 65) nimmt hier Bezug auf den “Dialog”: “Gemeint ist jeweils das Erfordernis von (mindestens) 2 Komplexen mit divergenten Perspektiven zur Konstitution dessen, was im System als Einheit (Element) fungiert” — der Bezug zu Batesons “doppelter Beschreibung” ist deutlich.
Ahlers u. Gam (1989) verschickten Fragebögen an systemische Therapeuten über deren Verständnis, was das “systemische” an ihrer Praxis sei. Die beiden Autorinnen kommen zu dem ironischen Ergebnis: “…bleibt für uns das schale Gefühl zurück, daß Systemtherapeuten zur Zeit kaum eigenständige Konzepte über menschliche Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten haben.” Das bestätigt, als Fußnote, meine These: Die konzeptuelle Biologisierung es-kamotiert die eigene Praxis.
Luhmann (1988, S. 76, Fußnote) trennt sich ausdrücklich von Maturanas Konzeption der Autopoiese.
König et al. (1988) haben neuerdings die “Referenztransformation”, wie der “Wechsel des Bezugsrahmens” latinisiert heißt, als ein gemeinsames Grundprinzip kognitiver Therapien herausgestellt.
In dem von Simon herausgegebenen Band (Simon 1988) formuliert Luhmann, Menschen seien eme “Randbedingung” (Luhmann 1988, S. 8).
Zusammenfassend dazu folgende Literatur: Schmidt (1987); in der Familientherapie: Maturana (1982), Schlippe (1988), Brunner (1988 a, b), Ludewig (1983 a, b), Speed (1984), Stierlin (1983), Shazer (1982), Simon (1988).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1990 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Buchholz, M.B. (1990). Wandlungen des familientherapeutischen Diskurses. In: Die unbewußte Familie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-75586-6_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-75586-6_1
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-540-52406-9
Online ISBN: 978-3-642-75586-6
eBook Packages: Springer Book Archive