Zusammenfassung
Während der NS-Zeit wurden im Deutschen Reich ungefähr 350000 Männer und Frauen zwangssterilisiert und mindestens 2800 Männer kastriert. Beide Maßnahmen waren Wegbereiter für die spätere Ermordung psychiatrischer Patienten im Rahmen der sog. Euthanasieaktionen. In der Nachkriegsdebatte wurde der Zwangscharakter der damals durchgeführten Sterilisationen überwiegend geleugnet. Das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ wurde nicht dem nationalsozialistischen Unrecht zugerechnet. Von Sachverständigen wurde der kausale Zusammenhang zwischen den staatlichen Eingriffen in den Körper und späteren vielfältigen Beschwerden der Betroffenen bestritten. Das Kastrationsgesetz von 1969 knüpfte unmittelbar an das Erbgesundheitsgesetz von 1933 an. Die gegenwärtige Debatte um ein neues Sterilisationsgesetz und die gegenwärtige Sterilisationspraxis zeigen viele Parallelen zum damaligen Vorgehen.
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Pfäfflin, F. (1989). Zur Debatte über (Zwangs)sterilisation und Kastration in der NS-Zeit im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland seit 1945. In: Söllner, W., Wesiack, W., Wurm, B. (eds) Sozio-psycho-somatik. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-74930-8_19
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