Zusammenfassung
Der Mensch wird in dem berühmten Rätsel, das die thebanische Sphinx dem Ödipus aufgibt, nach seinen Lebensphasen charakterisiert: Am Morgen vierfüßig, am Mittag zweifüßig und am Abend dreifüßig. Der dritte abendliche Fuß ist der haltgebende Stab, die Stütze, die der alte Mensch braucht, weil seine Kräfte schwächer geworden sind, er wieder auf Hilfe angewiesen ist und sich nicht mehr auf seine körperlichen und geistigseelischen Funktionen verlassen kann. Eine solche Stütze kann sehr unterschiedlich aussehen. Geht es um die Kompensation körperlicher Defizite, so bietet die modern Medizin-Technologie vielerlei Hilfe, zum Beispiel Prothesen, Herzschrittmacher oder Hörapparate. Schwieriger wird es, wenn das psychische Gleichgewicht ins Wanken gerät, wenn seelische Traumatisierungen zu bewältigen sind, die sich aus den vielen Umstellungen und Veränderungen des Alters ergeben. Die psychosomatische Perspektive, daß Krankheiten in jedem Falle in einem engen Zusammenhang mit der Beziehung des Menschen zu seiner Umwelt stehen, gehört inzwischen zum Allgemeingut ärztlichen Wissens. Aber gerade dieses wird in einer Gesellschaft, in der die Menschen sich schämen, alt zu sein, weil ihnen das Gefühl, gebraucht zu werden, abhanden gekommen ist oder genommen wird, zum Problem. Der Reichtum des Alters, Lebenserfahrung und Weisheit sind als geistige Güter in unserem Kulturkreis immer weniger gefragt. Die Generationen leben heute voneinander getrennt, sind einander fremd geworden, oft warden die Kontakte nur noch durch Konventionen aufrechterhalten. So werden viele Schicksale alter Menschen durch Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit bestimmt.
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Literatur
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© 1985 Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, GmbH & Co. KG, Darmstadt
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Haag, A. (1985). Psychosomatische Aspekte funktioneller Störungen bei der Bewältigung von Verlusten im Alter. In: Bergener, M., Kark, B. (eds) Psychosomatik in der Geriatrie. Steinkopff. https://doi.org/10.1007/978-3-642-72379-7_4
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