Zusammenfassung
Die Erfolge der modernen „technisierten“ Geburtsmedizin sind zweifellos höchst eindrucksvoll. Dem sozialen Klima im Kreißsaal mit seinen Voraussetzungen und Folgen wird demgegenüber — trotz erheblicher Veränderungen im letzten Jahrzehnt — noch immer zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Dazu gehört nicht zuletzt auch die Frage, wie die Technik in das soziopsychophysische Geschehen der Geburt integriert wird. Ich möchte nun die These aufstellen, daß das soziale Klima ebenfalls einen bedeutsamen Einfluß auf die postpartale Mortalität nimmt, und zugleich die Frage aufwerfen, ob nicht ein großer Teil der Risiken, die durch aufwendige Maßnahmen der kurativen Medizin diagnostiziert und behoben werden, durch präventive (d.h. in diesem Fall besonders: psychosoziale) Maßnahmen und Einstellungen primär zu vermeiden wären. Die These vom Zusammenhang zwischen Kreißsaalklima und postpartaler Mortalität werde ich mit empirischem Material aus der sehr umfassend angelegten „Perinatalstudie Niedersachsen und Bremen“1 belegen. Zuvor möchte ich das Problem jedoch zunächst anhand von 2 geburtshilflichen Szenen veranschaulichen, daraus allgemeine Perspektiven ableiten und diese diskutieren. Ich tue das, weil ich aus Erfahrungen in einer Reihe von Großforschungsprojekten der Überzeugung bin, daß — wie René Spitz es schon vor längerem formulierte — Forschungsansätze, die sich auf das Meßbare beschränken, den „Fortschritt der Erkenntnis schließlich zum Stillstand bringen“(Spitz 1980IV, zit. nach Blanck u. Blanck 1981, vgl. auch Gerdes 1979).
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Oeter, K. (1987). Soziale Situation im Kreißsaal, Technik und postpartale Mortalität. In: Stauber, M., Diederichs, P. (eds) Psychosomatische Probleme in der Gynäkologie und Geburtshilfe 1986. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-71893-9_13
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