Zusammenfassung
Schon ein kurzer Blick in die Geschichte der Sozialpsychologie lehrt, daß zumindest in deren „klassischen“ Arbeitsbereichen wie Einstellungs-, Kleingruppen-, Interaktions- und Kommunikationsforschung, ja selbst in der Sozialisationsforschung biographische Forschung im Sinne einer Erfassung größerer lebensgeschichtlicher Zusammenhänge aus der Perspektive einzelner Gesellschaftsmitglieder („selbsterzählter Lebensgeschichten“; Kohli 1983) kaum stattgefunden hat. Dies scheint zunächst verwunderlich, denn die Sozialpsychologie hat sich die Aufgabe gestellt, zu beschreiben und zu erklären, „wie das Denken, Fühlen und Verhalten von Individuen durch die reale, vorgestellte oder implizite Anwesenheit anderer beeinflußt wird“ (Allport 1968, S. 3). Ist zur Erfassung dieser Beeinflussung nicht auch eine diachronische Perspektive erforderlich? Liefert die Untersuchung menschlicher Lebensläufe, deren innerer Dynamik, deren „gesellschaftlicher Einfädelung“, deren subjektiver Steuerung und subjektiver Repräsentation (vgl. Bude 1984, S. 8) nicht wichtige Erkenntnisse über die Entstehung interpersoneller Orientierungen, Beziehungen und Handlungsmuster?
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Mayring, P., Faltermaier, T., Ulich, D. (1987). Erträgnisse biographischer Forschung in der Sozialpsychologie. In: Jüttemann, G., Thomae, H. (eds) Biographie und Psychologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-71614-0_18
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