Zusammenfassung
Seit Mitte der 60er Jahre hat sich in der Schmerzforschung ein grundlegender Konzeptwandel vollzogen, der durch die sog. „gate-control-theory“ von Melzack u. Wall (1983) eingeleitet worden ist. Galt bis dahin die klassische Vorstellung, daß ein peripherer Reiz nach dem Prinzip einer Art „Einbahnstraße“ nach mehrmaligen neuronalen Umschaltungen schließlich zum entsprechenden Zentrum im Gehirn weitergeleitet wird, postuliert demgegenüber die „gate-control-theory“ daß bereits auf der Ebene der ersten neuronalen Umschaltung im Rückenmark komplexe Rückkopplungsmechanismen stattfinden. Für das bislang gültige Verständnis des Schmerzes ergeben sich so durch die „gate-control-theory“ folgende neue wesentliche Gesichtspunkte:
-
1)
Die „gate-control-theory“ erlaubt zum ersten Mal auch auf neurophysiologischer Ebene, Schmerz als Ausdruck einer engen Verzahnung von körperlichen und seelischen Faktoren zu interpretieren. Die heute noch gängige Unterscheidung zwischen „echtem bzw. eingebildetem Schmerz“ ist damit überwunden.
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2)
Die Schmerzwahrnehmung bzw. -äußerung ist daher primär als psychologisches Phänomen aufzufassen; sie hat damit qualitative Ähnlichkeit mit Empfindungen wie Hunger und Durst.
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3)
Eine Gewebsläsion ist weder eine notwendige noch eine hinreichende Bedingung für Schmerz. Diese These hat insbesondere für die Behandlung von chronischen Schmerzpatienten weitreichende Konsequenzen, da hier die bei somatischer Schmerzbekämpfung üblichen physikalischen Maßnahmen häufig fehlschlagen bzw. die Schmerzen sogar noch verschlimmern können.
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Literatur
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Bassler, M., Egle, U.T., Schwab, R., Hoffmann, S.O. (1987). Integratives psychosomatisches Vorgehen bei Patienten mit chronischen Schmerzen. In: Lamprecht, F. (eds) Spezialisierung und Integration in Psychosomatik und Psychotherapie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-71593-8_12
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