Zusammenfassung
Die Persönlichkeit des Arztes — um eine einprägsame Formel von Balint zu verwenden, die „Droge Arzt“— wurde von jeher als therapeutisches Agens angewendet und ist auch heute noch bei den meisten Arzt-Patient-Begegnungen mitbeteiligt. Meist wurde aber die Arztpersönlichkeit unbedacht, intiutiv, ohne wissenschaftliche Grundlage oder klare Indikation eingesetzt. Frühe psychotherapeutische Verfahren, wir dürfen hier an Messmer, Charcot, Janet und den Schweizer Benoit erinnern, stützten sich meist auf die heilsame Wirkung der väterlich-zugewandten ärztlichen Haltung, der das Wohl des Patienten über alles ging. Diese Haltung beruhigt ohne Zweifel bei seelischen Ängsten wie bei körperlicher Not und wirkt heilsam. Wo der Patient aus seelischen Fehlentwicklungen heraus nicht fähig ist, die fürsorglich-väterliche Haltung des Arztes anzunehmen, wo er dessen wohlgemeinte Ratschläge aufgrund persönlicher Unsicherheiten nicht befolgen kann, ist die väterlich-fürsorgliche Psychotherapie am Ende. In sozialen Situationen wie der westlichen Industriegesellschaft, wo patriarchalische Autorität durch demokratische Partnerschaft ersetzt wird, verringert sich die suggestiv-heilsame Wirkung des guten Arztvaters. Sigmund Freud, der erstmals die Arzt-Patient-Beziehung intensiv studierte, lieferte Grundlagen zu einer wissenschaftlilichen Verwendung der „Droge Arzt“, zur Prüfung ihrer heilenden Wirkungen und schädlichen Nebenwirkungen. Aus seinen Entdeckungen ist für die Arzt-Patient-Beziehung v. a. folgendes bedeutsam: wenn ein neurotischer Patient sich offen und frei ausspricht, seine Gedanken und Gefühle äußert, derart sich selbst erlebt, dann geschieht etwas Heilsames. Seine Persönlichkeit wird freier, reifer, sicherer und neurotische oder psychosomatische Symptome, die vorher zur Abwehr von Ängsten nötig waren, können wegfallen.
Vortrag beim 1. Internationalen Balint-Treffen in Ascona 1973
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Knoepfel, HK. (1984). Hausärztliche Psychotherapie und Arzt-Patient-Beziehung. In: Luban-Plozza, B., Dickhaut, H.H. (eds) Praxis der Balint-Gruppen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-69995-5_2
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