Phasenweise Verwirklichung eines milieutherapeutischen Konzepts

Zusammenfassung

Erst die beiden letzten Dezennien brachten uns die Erkenntnis, in welchem Maße psychiatrische Institutionen durch ihre Struktur die eigenen therapeutischen Bemühungen behindern können (Cumming u. Cumming 1962; Cumming 1966; Fontana 1971; Leighton 1960; Querido 1969). Zunehmend wurde — als Ergänzung zu somato- und psychotherapeutischen Verfahren — der dritten therapeutischen Kraft, dem Milieu, mehr Beachtung geschenkt. Eingangs (s. Abschn. I/1.1 und I/1.2) habe ich eine Übersicht über einige mögliche Milieukonzepte gegeben. Es schien mir auch wichtig, daraufhinzuweisen, daß der Begriff „Therapeutische Gemeinschaft“trotz seiner großen historischen Bedeutung nicht mehr geeignet ist, ein milieutherapeutisches Konzept zu umschreiben. Zum einen ist er als idealtypischer, programmatischer, idealistischer und auch modischer Begriff verbraucht worden. Zum anderen gab es die „Therapeutische Gemeinschaft“wohl kaum je als einheitliches Konzept, da schon die Pioniere recht persönliche Interpretationen des von Anfang an vagen Begriffs vorgenommen und praktiziert haben. So war seit jeher ein jeder Autor oder auch eine jede psychiatrische Institution gezwungen, das vertretene Milieukonzept genauer zu umschreiben, auch wenn dies nicht überall mit der nötigen Konsequenz geschah. Obwohl in einzelnen Monographien (Basaglia 1971; Clark 1964; Cumming u. Cumming 1962; Cumming 1966; Jones 1952/53/56/68–72; Martin 1962/68; Rapoport 1960/67; Shoenberg 1972 a; Wilmer 1958; Zeitlyn 1969) beschrieben wird, wie tiefgreifend die erwirkten strukturellen Veränderungen sind, wenn ein Milieukonzept systematisch eingeführt wird, gibt es relativ wenige gezielte Versuche, diese Veränderungen kritisch nach der Logik ihrer Entwicklung zu analysieren.

“There is no patient ,untreated‘ by his environment — only patients ,treated‘ well or ill.”

(Zit. von Stanton 1962.)