Zusammenfassung
Meiner ersten Vorlesung sah ieh recht beklommen entgegen. Wie würde ich bestehen, würde ieh bei den Patientendemonstrationen denselben Kontakt mit den Hörem finden wie seinerzeit bei meinen theoretischen Vorlesungen, würde es mir gelingen, das zu vermitteln, was mir am Herzen lag: nieht nur die Darbietung eines elementaren Wissensstoffes, sondem die ganz andere Begegnung mit dem Menschen im Kranken als sie bisher von den Studenten in den übrigen Kliniken erlebt worden waren, den Einblick in menschliche Hintergründe und psychologische Zusammenbänge, die dem naturwissenschaftlichen Denken des Durchschnittsmediziners so völlig fremd waren? Ich stellte mir vor, wie verwirrend es sein mußte, wenn man wie Klaesi einfach gerade vorhandene, interessante oder sensationelle Fälle herauspickte und sie vorstellte, ohne daß die Leute eine Abnung von der Nosologie hatten. Es lag auch sicherlich mehr in meiner Natur, systematisch vorzugehen, als der zufälligen Intuition zu folgen. So nahm ich mir von vomherein vor, thematisch innerhalb der zwei obligatorischen Semester die gesamte Psychiatrie durchzunehmen, jeweils ein Thema, z. B. die Schizophrenie, möglichst erschöpfend zu behandeln, dabei aber wichtige, nieht immer greifbare Zustandsbilder, wie z. B. ein Delirium tremens, eine Folie à deux, eine hochakute Katatonie auch außerhalb der Reihe vorzustellen. Meine Angstgefühle hingen auch damit zusammen, daß ieh wußte, wie kritisch meine neuen Mitarbeiter diese meine ersten Schritte verfolgen, kommentieren und immer wieder mit den berühmten Vorlesungen Klaesis vergleichen würden.
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Müller, M. (1982). Lehrtätigkeit. In: Erinnerungen. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-68435-7_61
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