Zusammenfassung
Der „endgültige Sinn“, das gegenwärtige Jahrhundert als das technische Jahrhundert aufzufassen, schrieb Carl Schmitt 1932, wird sich erst dann ergeben, wenn der Prozeß der fortwährenden Neutralisierung (d. h. der Liberalismus) überwunden ist und es „sich zeigt, welche Art von Politik stark genug ist, sich der neuen Technik zu bemächtigen, und welches die eigentlichen Freund- und Feindgruppierungen sind, die auf dem neuen Boden wachsen“1. Die bürgerlichen Institutionen, so auch die Technischen Hochschulen, die sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ausgebildet hatten, wurden in diesen Kampf miteinbezogen.
Der vorliegende Beitrag wurde in einer englischen Fassung unter dem Titel „The Expulsion of the Jews from the Berlin-Charlottenburg Technische Hochschule“veröffentlicht in: Year Book of the Leo Baeck Institute 19, 1974, S. 155–171. Für die freundliche Erlaubnis des Abdrucks danken wir Frau Ute Ebert und den Herausgebern des Year Book (Anmerkung des Herausgebers).
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Anmerkungen
Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, München 1932, S. 80.
Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure (ZVDI), Jg. 1926, S.957; Jg. 1928, S.972; Jg. 1930, S. 563.
65. Hauptversammlung des VDI in Hamburg 1926.
Vgl. Technische Erziehung, Jg. 1932, H.l, S. 28 f.
Preußisches Geheimes Staatsarchiv Berlin-Dahlem (GStA), Rep.90, 1752, Nr. 10, B1.24f. vom 4., 5. und 18. Oktober 1932.
Allgemein zu dem Problem der Institutionen: Hansmartin Kuhn, Der Institutionalismus als Strategie, Diss. Berlin 1971.
Carl Schmitt, Über die drei Arten des rechtswissenschaftlichen Denkens, Hamburg 1934, S. 66.
Ernst Storm, Die Technische Hochschule Berlin, in: Europäischer Wissenschaftsdienst, Jg. 2, Nr. 7/8 vom 5. Februar 1942.
Jenö Kurucz, Struktur und Funktion der Intelligenz während der Weimarer Republik, Köln 1967, S. 120–135.
Technische Hochschule Charlottenburg (Hrsg. Zeitungsamt der Studentenvertretung der TH), Nr. 6 vom 16. April 1920.
Charlottenburger Studentenblatt Nr. 2, Nov./Dez. 1928. Vgl. Auch L. Poliakov/J. Wulf, Das Dritte Reich und seine Denker, Berlin 1959, S. 429.
Anselm Faust, Der Nationalsozialistische Studentenbund, Bd. I und II, Düsseldorf 1973; Faust gibt Bd. II, S. 142, eine Tabelle der Wahlergebnisse der Studentenschaftswahlen an der TH Berlin von 1926–1933, allerdings unvollständig.
Vergleichzahlen für andere Hochschulen bei Karl Dietrich Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Stuttgart 1955, S. 148.
Charlottenburger Studentenblatt, Nr. 1, 1928, S. 13; 1930/31, S. 39.
Der gelbe Fleck. Die Ausrottung von 500 000 deutschen Juden, Paris 1936, S. 157; vgl. dazu: Theodor Geiger, Aufgabe und Stellung der Intelligenz in der Gesellschaft, Stuttgart 1949, bes. S. 97.
GStA, Rep.76, 423, B1.29–32, Schreiben des Dozentenbundführers Willing vom 24. April 1940. Dank seines internationalen Ansehens konnte Krencker trotz „ständiger politischer Entgleisungen“seine Lehrtätigkeit bis zur Emeritierung am 1. Oktober 1939 weiter ausüben.
GStA, Rep. 90, 1918, Berufung des Dozenten Pflaum, vom 6. August 1937.
Storm (siehe Anm. 8).
Akademische Woche der Studentenschaft, 26. Juni bis 1. Juli 1933, und 15. bis 18. Dezember 1933 (Thema: „Der politische Student“), in: Die T. H., Nr. 2/3, 1933, S. 14, und Nr. 5/6, 1933, S. 61.
Die T.H., Nr. 2/3, Juni 1933, S. 29.
Richard Willstätter, Vorwort zu: Siegmund Kaznelson, Juden im Deutschen Kulturbereich. Ein Sammelwerk, 2. Auflage, Berlin 1959.
Kurt Jakob Ball-Kaduri, Das Leben der Juden in Deutschland im Jahre 1933, Frankfurt/Main 1963, S. 29.
Ebd., S. 44.
Helmut Eschwege (Hg.), Kennzeichen J, Berlin 1966, S. 44 f.
Vgl.,Vossische Zeitung‘v. 28. April 1933 (zitiert nach Poliakov/Wulf, S. 92).
Preußischer Pressedienst vom 3. Mai 1933: „Die Professoren Kurrein, Schlesinger, Schwerin, Levy, Lehmann, Korn, Traube, Salinger, der Privatdozent Kelen, der Lehrbeauftragte Grabowsky sind von ihren Dienstgeschäften beurlaubt“. Dem Vf. sind 94 Namen von Mitgliedern des Lehrkörpers bekannt, die der NS-„Gesetzgebung“weichen mußten, bei ca. 410 Professoren und Assistenten.
Die T.H., Mai 1933, S. 3. Eine Hochschullehrerkartei mußte erst nach dem 13. Dezember 1934 angelegt werden.
Erlaß des Kultusministers vom 17. Mai 1933. „... Entscheidung über Entlassung aus dem Dienst, Versetzung in den Ruhestand... steht ausschließlich mir zu“. GStA, Rep. 76, Karton 2–2, Runderlasse.
Der Senat war das entscheidende politische Willensorgan nach der Hochschulverfassung. Der Rektor als Repräsentant der TH hielt stets Rücksprache mit diesem Organ. Dies trifft auch für die Zeit nach dem Herbst 1933 zu, als das Führerprinzip auf die Wissenschaft übertragen wurde. Ausschlaggebend sind an der TH Berlin hierfür zwei Faktoren. Rektor von Arnim (1934–38) wurde von außerhalb an die TH berufen. Der Aufsteiger Rektor Storm (1938–42) wurde von den älteren Hochschullehrern nicht anerkannt. Zudem wurden die Fakultätsausschüsse, die Dekanate und auch der Senat aus dem Kreise der Parteigenossen besetzt. Vgl. Hellmut Seier, Der Rektor als Führer, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1964, H. 2, S. 105–146. Seier berücksichtigt vor allem die ministeriellen Erlasse. Die Realität an der TH Berlin war zumindest von ständiger Kontaktnahme innerhalb der „in-group“der Nationalsozialisten geprägt.
RGBl. 1, 225 u. 226.
Von den acht Beamten der engeren Hochschulverwaltung traten drei noch 1933 in die NSDAP ein.
Hochschularchiv der Technischen Universität Berlin (HA-TUB), F-100, Schreiben vom 6. September 1933. Die Darstellung der Tätigkeit der akademischen Behörden beruht, sofern nicht anders angegeben, auf den Fonds HA-TUB, F 100 und HA-TUB A 300–500; Hinweise auf diese Fonds werden im folgenden gelegentlich weggelassen.
Erlaß U I Nr. 21 890.
Karl Retzlaw, Spartakus. Aufstieg und Niedergang. Erinnerungen eines Parteiarbeiters, Frankfurt/M. 19722, 2. Auflage, S. 343.
Immatrikulationsbuch der Technischen Hochschule Berlin, Bde. VIII u. IX (1922–1930).
Vgl. z. B. Karl Hoppmann, Über den Stand der Verjudung der akademischen Berufe, Berlin 1931.
Alle in deutschen Zeitungen nach dem 26. April 1933 veröffentlichten Zahlenangaben zur „Verjudung“beruhen auf der Angabe des „Wolff’schen Telegraphen Büros“vom 26. April 1933. GStA, Rep. 90, 1752, Bl. 30. Diese beruhen auf Angaben aus NS-Ministerien.
HA-TUB, F 100. Die Schüler und Hochschüler waren seit dem 25. April 1933 verpflichtet, den „Ariernachweis“zu führen. Der urkundliche „Ariernachweis“wurde erstmals zum WS 1935/36 Voraussetzung für die Immatrikulation.
Das Mitglied der deutschen Botschaft in Madrid, Kochenthaler, der seine vier Söhne alle „in deutschem Geist“erzogen hatte, erhielt die Zusage für seinen vor dem Schlußexamen stehenden Sohn. Preuß. Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, U I Nr. 26 875 vom 27.6.1933, Abschrift HA-TUB, F-100.
Offensichtlich scheint in der Statistik so verfahren worden zu sein, daß der Anteil jüdischer Studenten identisch ist mit dem Prozentsatz der Juden unter den Studenten deutscher Staatsbürgerschaft. Über diesen Punkt scheint sich Bronder nicht im klaren gewesen zu sein, da er nämlich — entgegen der Verordnung vom 17. August — die Zahl der jüdischen Studenten als Anteil aller Studenten berechnete (Tab. 2A). Durch dieses Verfahren wurde der Anteil deutsch-jüdischer Studenten systematisch zu gering veranschlagt und den Juden so (auf beschränkte Weise) geholfen. Weil dies offensichtlich nicht in Bronders Intentionen lag, ist klar, daß er diesen Punkt nicht begriffen hatte. Seine Schwierigkeit im Umgang mit Statistiken ergibt sich auch aus den letzten Kolumnen von Tab. 2A, wie er sie ursprünglich angefertigt hatte: nachdem er die Zahlen der „nichtarischen“Studenten verbessert hatte, vergaß er, die Prozentzahlen entsprechend zu verändern. Das wurde von uns besorgt. In Tab. 1 wurde aus Gründen der Vergleichbarkeit Bronders (fehlerhafte) Methode beibehalten.
Einer der fünf, der in Petersburg geboren war, berief sich vergebens auf die Frontkämpferklausel mit dem Hinweis, daß sein Vater mit der Weißen Armee gegen die Sowjets gekämpft hätte.
HA-TUB, F 100, Schreiben der Studentenschaft vom 5. Mai 1938, gez.: Führer der Studentenschaft, Bergmann.
GStA, Rep. 76, 425, Bl. 81. Schreiben vom 25. Juli 1941 zwecks Beförderung.
Bundesarchiv Koblenz (BA), Rep. 21, 876. Gauleitung Berlin an den Rektor der TH Berlin vom 6. Juli 1944.
GStA, Rep. 76, Karton 40.
Preußischer Landtag, 4. Wahlperiode, 1. Tagung, 1932/33, Große Anfrage Nr. 94 der NSDAP-Fraktion.
Vgl. den Nekrolog von W.v. Schütz, in: ZVDI 92, 1950, S. 88, S. 88.
Der gelbe Fleck, S. 159.
Vgl. Max Pinl und Lux Furtmüller, Mathematicians under Hitler, in: Leo Baeck Institute, Year Book, 18, 1973, S. 131.
GStA, Rep. 90, 1768, Bl. 220, 6. „Hornung“(Februar) 1934.
An der TH Berlin wurde Professor H. Aumund entbunden, der als Initiator des Konzeptes „Hochschule für Technik und Wirtschaft“zu den Wegbereitern für die Durchsetzung privatindustrieller Interessen im Hochschulbereich zählte.
HA-TUB, A 300–500.
Ebd.
Magnus überlebte den Krieg und wurde von der TH im Dezember 1954 in die Würde eines Ehrensenators wiedereingesetzt.
GStA, Rep. 76, 422, Bl. 90, 18. Dezember 1937.
ZVDI 1928, S. 973.
GStA, Rep. 92, Guertler 1, undatiert (vor 1935).
GStA, Rep. 76, Karton 2–2, Briefwechsel mit der Parteikanzlei, undatiert (1943/44).
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Ebert, H. (1979). Die Technische Hochschule Berlin und der Nationalsozialismus: Politische „Gleichschaltung“ und rassistische „Säuberungen“. In: Rürup, R. (eds) Wissenschaft und Gesellschaft. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-67450-1_21
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