Zusammenfassung
Ist es nicht merkwürdig? Immer von neuem wiederholt man, das Hauptinteresse des Kindes hafte am Fortschritt der Handlung in der Erzählung, und doch kennt die ganze Kinderliteratur kein Drama! — Nein; nach alledem, was wir nun schon wissen, ist das durchaus begreiflich. Das Drama ist für das Kind zu schwierig, weil es die denkbar größten Anforderungen an die Kombinationsgabe stellt. Das Drama gibt eine Szenerie und einen Dialog. Die Szenerie will ergänzt und vervollständigt sein, denn sie ist nur eine Andeutung und ein Ausschnitt aus der Umgebung. Und ebenso bietet der Dialog nur Andeutungen über alle näheren Verhältnisse und das Geschehen außerhalb der Szene. Diese Andeutungen wollen aufgefaßt, ergänzt und zusammengefaßt sein. Zu keiner dieser Leistungen wäre das Kind imstande 1.
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4. Die Darstellung der Handlung
Vgl. hierzu, was B. Pérez, L′Art et la Poésie chez l′Enfant, Paris 1888, über die Wirkung von dramatischen Vorführungen auf Kinder berichtet. Er faßt seine Ausführungen mit folgenden Worten zusammen (S. 220): „Ainsi, les premières impressions de théâtre se rapportent à quelques sensations dominates de la vue, à des couleurs et à des formes bien tranchées, à des images plus vagues et plus confuses de spectateurs et d′acteurs, a quelques gestes et à quelques attitudes interprétés d′une manière quelconque.“ Besonders interessiert uns für unsere späteren Betraditungen ein Bericht, den Pérez den Memoiren von Alexandre Dumas über die Erinnerung an einen Theaterbesuch im Alter von 3 Jahren entnimmt. (Pérez, S. 219): „On jouait Paul et Virginie ° l′Opéra Comique. Une des plus notables impressions qui restèrent dans l′esprit de cet enfant de trois ans, c′est que Mme. de Saint Aubin, qui tenait le role de Virginie, était énormement grosse,...“
Löwis of Menar, a. a. O., S. 2 ff.
R. Petsch, Formelhafte Schlüsse im Volksmärchen. Berlin 1900, S. 11, Anm.
Anti Aarne (Verzeichnis der Marchentypen. Folklore Fellows Communications Nr. 3, 1910; Nr. 10, 1912) spricht von „Dublettenformen“ und „Analogieformen“.
Vgl. Axel Olrik, a. a. O.
William Stern, Die Analogie, a. a. O., S. 53 ff.
Aber einschränkend hierzu vgl. S. 28.
Eine Mutter berichtet uns, daß ihr kleiner Sohn Märchen mit traurigem Schluß niemals hören wollte und sich schon vor Beginn der Geschichte eines glücklichen Endes zu vergewissern pflegte.-Hierher gehören auch zwei Notizen von E. und G. Scupin, a. a. O., S. 147: „Er (Bubi), dem das Märchen vom Rotkäppchen zum erstenmal erzählt wurde, seufzte in den Augenblicken großer Gefahr tief auf, verweilte aber bei diesen sichtlich am liebsten“, und S. 156: „Es wurde ihm recht drastisch erzählt, wie der Wolf das Rotkäppchen fraß, da schrie er in ängstlicher Abwehr: ›Nein, nein, der Wolf soil nicht das Rotkäppchen aufessen‹, das Rotkäppchen sagt: ›nein, du ungezogen Wolf!‹ Allerdings ist hier auch eine andere Interpretation denkbar, indem die Abwehr des Kindes sich möglicherweise gegen die drastische Ausmalung, d. h. allgemein gegen das Gräßliche wendet.“
Die Brüder Grimm haben bei ihrer Darstellung aus eigenem künstlerischen Empfinden schon vieles eingefügt, was wir in echt volkstümlichen Darstellungen gar nicht finden. Man vergleiche die nach dem Bericht einfacher Leute wörtlich wiedergegebenen plattdeutschen Märchen von Wisser, a. a. O.
Inwieweit Bilder in den Märchenbüchern die knappe Schilderung erganzen müssen, um etwa überhaupt erst dem Märchen eine eindringliche Wirkung auf das Gemüt des Kindes oder volles Verstandnis bei ihm zu verschaffen, das zu beurteilen ist allerdings der empirischen Forschung vorbehalten. Vgl. W. Nolte, Kind und Märchenbild. München 1942.
William Stern, Die Analogie, a. a. O.
Sully, a. a. O., S. 26.
Mythenbildung als Analogiebildung auch bei Wundt, a. a. O., S. 76 ff.
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© 1953 Johann Ambrosius Barth-Verlag, Frankfurt
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Bühler, C., Bilz, J. (1953). Die Darstellung der Handlung. In: Das Märchen und die Phantasie des Kindes. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-66643-8_10
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-66643-8_10
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