Zusammenfassung
Die Entwicklung von moderner Wissenschaft und Technik seit dem 16. Jahrhundert ist keineswegs immer mit unreflektierter Euphorie und ohne kritische Kommentierung aufgenommen worden. Abgesehen von eher punktuellen Antipathien gegen einzelne technische Innovationen, z.B. die Einführung der Eisenbahn, haben ganze Epochen wie die Romantik der Fortschrittsunterstellung bezüglich der modernen Wissenschaft und Technik grundsätzlich skeptisch gegenüber gestanden. Im 19. Jahrhundert haben vor allem die sozialen Folgen des technischen Prozesses etwa für die Gesundheit und die Wohlfahrt der Arbeiter und die dahinter stehenden Fragen der Verteilungsgerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft die Diskussion um die Technik und Wissenschaft bestimmt. Diese Erfahrungen und Reflexionen führten jedoch nicht zu einer grundsätzlichen Problematisierung von Wissenschaft und Technik. Vielmehr ging es um die Frage des Besitzes an diesen „Produktionsmitteln“ und ihrer sozialen Einbettung. Zwischen den großen politisch-sozialen antagonistischen Systemkonzeptionen des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts war die fortschrittsgarantierende Rolle von Wissenschaft und Technik daher auch nicht prinzipiell umstritten. Grundsätzliche Wissenschaftskritik und Technikskepsis galten vielmehr als Merkmale vormoderner Lebenseinstellungen und reaktionärer Politikentwürfe. Die Lösung von Folgeproblemen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen wurde einerseits in politischen oder ökonomischen Steuerungsmaßnahmen wie z.B. dem Aufbau des Sozialstaats, andererseits in revolutionären Vorstellungen über prinzipielle gesellschaftliche Umwälzungen gesehen. Eine gesellschaftliche Diskussion über grundsätzliche Rechtfertigungsbedingungen wissenschaftlich-technischen Handelns ist daher erst möglich, seitdem die Großkonzeptionen von Sozialismus und Kapitalismus aus unterschiedlichen Gründen ihre Orientierungsleistende Kraft zu verlieren beginnen.
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Gethmann, C.F. (1999). Konzeption. In: Grunwald, A. (eds) Rationale Technikfolgenbeurteilung. Wissenschaftsethik und Technikfolgenbeurteilung, vol 1. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-60032-6_1
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