Zusammenfassung
Prof. Johann Veit 37) widmete seine Eröffnungsansprache dem damaligen Trend, die operative Gynäkologie stark zu betonen. Er befürchtete, daβ „eine gewisse Verflachung unserer gynäkologischen Diagnostik zu beginnen“ drohte. Dadurch, daβ die Prognose der Laparotomien so viel besser geworden sei, verzichte mancher auf die Diagnose, sondern öffne den Leib und sehe dann schon. Wer wird nicht an die Ausweitung der diagnostischen Laparoskopie in unserer Zeit erinnert, wenn man in seiner Rede nachliest: „Die auβerordentlich groβe Ausdehnung der probatorischen Laparotomie ist und bleibt in bezug auf die Diagnostik ein Testimonium paupertatis.„Er sieht darin auch die Gefahr, einerseits den Zusammenhang mit der Gesamtmedizin zu verlieren, andererseits die dem gynäkologischen Operateur sichtbaren Erkrankungen in der Bauchhöhle schlankweg anzugehen, auch wenn sie an sich Sache eines Abdominalchirurgen wären und bleiben sollten. Eine „weise Mäβigung“ tue not, verhindere auch, daβ die Geburtshilfe und die operative Gynäkologie letztlich auseinanderfielen. Veit sah voraus, daβ die Beschäftigung mit den Naturwissenschaften (übrige Fächer der Medizin, Chemie, Physik) wissenschaftliche Erfolge des Faches auch in Zukunft sichern würden. Hauptthemen des von ihm geleiteten Kongresses waren denn auch „Die Beziehungen der Erkrankungen des Herzens zu Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett“ die Erkrankungen der Harnorgane oder die Störungen der Inneren Sekretion in ihrer jeweiligen Beziehung zur Schwangerschaft. Was kaum jemand noch vorhersah, war, daβ der Erste Weltkrieg bevorstand und die folgende Versammlung erst 6 Jahre später würde stattfinden können.
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Notes
Die Gründer waren, in alphabetischer Reihenfolge genannt: Aubenas (Straβburg), W. A. Freund (Straβburg), Kaltenbach (Gieβen), Peter Müller (Bern), Olshausen (Halle), Schatz (Rostock), v. Winckel (München), Zweifel (Erlangen), siehe bei A. Mayer, Arch. Gynäk. 161, 1–10, 1936.
Franz Karl Ludwig Wilhelm von Winckel (1837–1911), geboren in Berleburg, Schüler von Eduard Arnold Martin, Berlin (bis 1864), ord. Prof. für Gynäkologie und gerichtliche Medizin in Rostock (1864–72), Direktor der königl. Entbindungsanstalt und Hebammenschule Dresden (1872–83), seit 1883 ordentlicher Professor der Gynäkologie und Direktor der königl. Univ.-Frauenklinik und Hebammenschule in München. Wiegand-Martin-Winckel’scher Handgriff. Sein Lehrer Eduard Arnold Martin (1809–1875) gehörte zu den beherrschenden Figuren der deutschen Geburtshilfe und Gynäkologie des 19. Jh. Dieser war seinerseits Nachfolger von D.W. H. Busch in Berlin, leitete zunächst die Gynäkologie in der Charité, danach die Univ.-Frauenklinik. Seine Schüler Olshausen, Winckel, Gusserow und Löhlein besetzten Lehrstühle.
Robert von Olshausen (1835–1815), wie Winckel Schüler von E. A. Martin, Berlin, ordentlicher Professor der Gynäkologie und Geburtshilfe in Halle (1862–82) und Berlin (1887–1910) — Univ.-Frauenklinik an der Artilleriestraβe-, wurde der 8. Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie.
Rudolf Kaltenbach (1842–1893), mit 46 Jahren der jüngste Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie in 100 Jahren, war Schüler von A. Hegar in Freiburg (-1883), danach Direktor der Univ.-Frauenklinik Gieβen (1883–1887) Xund Halle (1888–1893). Er starb im Alter von 51 Jahren in Halle. U.a. „Kaltenbach-Schema“ der graphischen Aufzeichnung der Monatsblutungen.
Alfred Hegar (1830–1914) wirkte zunächst als praktischer Arzt in Darmstadt und wurde 1864 als Nachfolger Spiegelbergs nach Freiburg berufen. Er stand dieser Klinik volle 40 Jahre vor, nämlich bis zu seinem 74. Lebensjahr. Niemand sonst hat eine deutsche Universitäts-Frauenklinik je länger geleitet. Noch heute allen Gynäkologen bekannt durch den „Hegar-Stift“.
Aloys Constantin Conrad Gustav von Veit (1824–1903), Direktor der Univ.-Frauenkliniken Rostock (1854–64) und Bonn (1864–93). U. a. Veit-Smellie-Handgriff (Quelle: „Ueber die beste Methode zur Extraction des nachfolgenden Kindskopfes“ Greifswalder med. Beiträge, 1863) William S. Smellie (1697–1763) London.
Heinrich Fritsch (1844–1915), Schüler von R. v. Olshausen, Halle, danach Direktor der Univ.-Frauenkliniken Breslau (1882–1893) und Bonn (1893–1910). Fritsch’scher Handgriff zur Kompression des Uterus bei atonischer postpartaler Blutung (Quelle: „Die Behandlung der Blutungen nach der Geburt“ Centralblatt f. Gynäkologie 1904). Gemeinsam mit Fehling Gründung des „Centralblattes für Gynäkologie“ (1877).
James Marion Sims (1813–1883) wurde bekannt durch Operation von Vesico-Vaginalfisteln in Montgomery, Alabama, später New York und Gründung des ersten „Women’s Hospital“. Sims-Speculum. Ein Denkmal von Sims steht im Bryant Park, New York. Seine Arbeit wurde neuerdings eher kritisch beschrieben, weil die oft mehrfach, auch zur Übung wiederholten Operationen an den in den Südstaaten der USA von weiβer Herrschaft zugewiesenen schwarzen Frauen und zudem ohne Anästhesie ausgeführt worden seien (T. Kapsalis. Public Privates. Duke Univ. Press, 1997, 30–59).
Rudolf Chrobak (1843–1920) aus Troppau, Nachfolger Breiskys an der II. Univ.-Frauenklinik in Wien (1889–1908). Chrobak’sche Sondenprobe beim Zervixkarzinom, Chrobak’sche Tamponzange und Zystenfaβzange.
Theodor Billroth (1829–1894), Zürich, Wien. Über Chrobak zur Verteidigung seines Berufungsvorschlages, denn der Ausersehene war „niemandes“ Schüler: „Chrobak ist ein Talent und ein Talent kann alles.“ (A. Schaller: „Die Wertheim-Klinik“ W. Maudrich, Wien, München, Bern, 1992, S. 54).
Karl von Rokitansky (1804–1878), führender Wiener Pathologe.
Joseph Skoda (1805–1881), führender Wiener Internist. Schöpfer der systematischen Auskultation und Perkussion.
Ferdinand Hebra (1816–1880), führender Wiener Dermatologe. Begründer der Dermatologie.
Paul Zweifel (1848–1927), Direktor der Univ.-Frauenkliniken Erlangen (1876–1887) und Leipzig (1887–1921).
Ignaz Philipp Semmelweis, geb. 17.7.1818 in Ofen (Budapest), 1846,1847–49 Assistent an der Wiener geburtshilflichen Klinik (Prof. Klein), Privatdozent 1849 und Entlassung wegen Auseinandersetzungen über seine Erkenntnisse zur Ätiologie des Kindbettfiebers. Danach Praxis in Budapest, Honorarprimarius am St. Rochus Spital Budapest 1851–56, ordentlicher Professor der Geburtshilfe in Budapest ab 1855. 1861 erschien sein Buch „Die Ätiologie, der Begriff und die Prophylaxe des Kindbettfiebers“ Heftige, häufig polemisch geführte Auseinandersetzungen mit Gegnern seiner wissenschaftlichen Thesen („Offener Brief an sämtliche Professoren der Geburtshilfe“ 1862), erste Krankheitszeichen 1862, Einweisung in eine Irrenanstalt 1865. Tod an Pyämie 13.8.1865 in Budapest. Zusammenfassende Literatur: Gy. Gortvay, I. Zoltan: Semmelweis. His Life and Work. Akademiai Kiado Budapest, 1968.
Robert von Olshausen (1835–1915), Direktor der Univ.-Frauenklinik Berlin (Artilleriestraβe) s. auch Fuβnote zum 2. Kongreβ.
Edoardo Porro: Dell’amputazione utero-ovariche come complemento di taglio cesarea. Ann. univ. med. e chir., 237: 289–351 (1876).
Christian Adolf Hermann Löhlein (1847–1901), Direktor der Univ.-Frauenklinik Gieβen (1888–1901).
John Lister (1827–1912) aus Glasgow, Edinburgh und London, veröffentlichte seine bahnbrechende Arbeit zur chirurgischen Antisepsis (“On a new method of treating compound fractures “ Lancet, 1867), besuchte Deutschland und erhielt 1885 den Preuβischen „Pour le Mérite“ für sein Konzept der vorbeugenden Antisepsis.
Max Hofmeier (1854–1927), Direktor der Univ.-Frauenkliniken Gieβen (1887–1888) und Würzburg (1888–1923).
Adam Elias von Siebold (1775–1828), Würzburg (Eröffnung des neuen Gebärhauses), Berlin.
Josef Servaz von d’Outrepont (1776–1845), Würzburg, Nachfolger A. E. von Siebolds.
Franz A. Kiwisch Ritter von Rotterau (1814–1852), Würzburg, Prag. Verstorben mit 37 Jahren. „Klinische Vorträge über specielle Pathologie und Therapie der Krankheiten des weiblichen Geschlechts.“ Würzburg, Prag 1845.
Friedrich Wilhelm Scanzoni (1821–1891), Würzburg. „Die geburtshilflichen Operationen“, 1852.
I. Ph. Semmelweis: „Zwei Offene Briefe an Hofrath Dr. Eduard Casp. Jac. v. Siebold, Professor der Geburtshilfe zu Göttingen (Sohn des Adam Elias), und an Hofrath Dr. F. W. Scanzoni, Professor der Geburtshilfe zu Würzburg.“ Univ.-Druckerei Ofen, 1861.
Richard Werth (1850–1918), Direktor der Geburtshilflichen Klinik Kiel (1885–1907), legte vorzeitig sein Amt in Kiel nieder und lebte anschlieβend in Bonn, später Würzburg. Wegweisend für die Behandlung der Extrauterin-schwangerschaft (Verh. dt. Ges. Gyn. 3. Kongreβ, Freiburg, 1889). Siehe auch H. Füth, Nachruf, Arch. Gynäk. 110: II-XIII (1919).
Christian Gerhard Leopold (1846–1911). Leopold’sche Handgriffe.
Hermann Johannes Karl Fehling (1847–1925), Gründung des „Centralblattes für Gynäkologie“, zusammen mit Fritsch (1877), u. a. „Fehling-Röhrchen“ zur Drainage des Uteruscavums.
André LeVret (1703–1780), Accoucheur de la cour, besondere Verdienste um die Verbreitung, den Gebrauch und Verbesserungen der Zange.
Joseph-Alexis Stoltz (1803–1896). Straβburg, Nancy. „L’accouchement prématuré provoqué dans le cas de rétrécissement du bassin.“ (1835).
Eugène K. Koeberlé (1828–1915), Professeur agrégé der französischen medizinischen Fakultät in Straβburg. Erweiterung gynäkologischer Operationen von Ovariotomie zur Hysterektomie. Erste supravaginale Hysterektomie am 14.3.1863 wegen Myome, 1869 Uterusextirpation mit Adnexen, 1878 erste Myomectomie.
Albert Döderlein (1860–1941), Erster Ordinarius für Gynäkologie und Geburtshilfe in der am 18.12.1916 eröffneten, von Kollmann geschaffenen neuen „königlichen“ Universitäts-Frauenklinik an der Maistraβe 11 in München, damals die schönste und repräsentativste Frauenklinik der Welt. Siehe auch W. Engisch (Herausg.), In Memoriam Albert Döderlein. Springer, Berlin, Heidelberg, 1993. Döderlein’sche Stäbchen: BacÜlus acidophilus vaginae.
Die Universität Groningen machte Döderlein anläβlich ihres 300jährigen Bestehens zum Doctor artis obstetriciae honoris causa, eine Ehrung, die vor ihm nur Deventer erhalten hatte.
A. Döderlein: „Über extraperitonealen Kaiserschnitt und Hebosteotomie“. Monatsschrift für Geburtshilfe und Gynäkologie, 33: 1–22 (1910).
Döderlein soll sehr häufig geburtshilfliche Operationen, sofern sie in die Vorlesungszeit fielen, vor Studenten ausgeführt haben (G. A. Wagner, Arch. Gynäk. 172, I-V, 1942).
A. Döderlein: Über Entstehung und Verhütung des Puerperalfiebers. Münchn. med. Wschr. 57: 1721–1723. (1910).
Johann Veit (1852–1917), Schüler von E. Martin und K. Schröder, Berlin, war zunächst Ordinarius in Leiden (1896–1903), bevor er nach Erlangen (1903–1904) und kurz darauf nach Halle (1904–1917) als Nachfolger von Ernst Bumm berufen wurde. Er bearbeitete das zu seiner Zeit bekannte Lehrbuch der Geburtshilfe, begründet von K. Schröder, und zusammen mit R. v. Olshausen ein „Handbuch der Gynäkologie“.
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Ludwig, H. (1999). Johann Veit (1852–1917). In: Ludwig, H. (eds) Die Reden. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-59913-2_15
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