Zusammenfassung
Das im Jahr 2000 noch einmal beschleunigte Wachstum der russischen Wirtschaft kann-mit Raten von etwa 7% beim BIP und etwa 20% bei den Investitionen-im internationalen Vergleich sehr gut bestehen. Auch sonst sieht die Lage auf den ers-ten Blick gut aus. Die Inflation liegt in einem erträglichen Rahmen, die abwer-tungsbedingten Vorteile dürften zunächst bestehen bleiben, das Haushaltsdefizit hat sich in einen Überschuss gewendet, und der Wechselkurs ist stabil. Der Auf-schwung mag insofern überraschend erscheinen, als wesentliche Reformaufgaben nach wie vor ungelöst sind. Die gravierenden institutionellen Defizite konnten je-doch durch Kosten-und Ertragsvorteile überkompensiert werden: Auf der Kosten-seite war es nach der Krise des Jahres 1998 zu einer drastischen Absenkung der Reallöhne gekommen, auf der Ertragsseite wirkten sich die kräftig gestiegenen Weltmarktpreise für Erdöl und die Abwertung des Rubels positiv aus. Im Ergebnis sind die Unternehmensgewinne stark gestiegen, und zwar so sehr, dass sowohl deutlich höhere Investitionen als auch eine weiterhin hohe Kapitalflucht finanziert wer-den konnten.
Abgesehen vom Problem der Kapitalflucht lässt der gegenwärtige Aufschwung also schon deshalb zu wünschen übrig, weil er nicht durch verbesserte institutionelle Rahmenbedingungen, sondern durch eine nochmalige Absenkung des Lebensstan-dards erkauft wurde, die-in Verbindung mit den Windfallprofits aus der Ölpreis-steigerung und der abwertungsbedingten Importsubstitution-die institutionellen Schwächen überspielt hat. Hinzu korhmt, dass sich der Haushaltsüberschuss bei einer genaueren Betrachtung zu einem wesentlichen Teil auch als Ergebnis einer Verlagerung staatlicher Einnahmen aus den Haushalten der Gebietskörperschaften in den (Zentral-) Haushalt der Föderation erweist.
Noch bedenklicher ist, dass sich das Wirtschaftswachstum derzeit auf einem nicht haltbaren Kurs befindet. Das neuerliche Reallohnwachstum von zuletzt weit über 20% kann nicht sehr lange mit einem gesamtwirtschaftlichen Wachstum von 7% und einem Investitionswachstum von 20% verträglich bleiben. Kommt es hier zu keiner Anpassung, vor allem in Form einer mäßigeren Lohnentwicklung, so wardendie realwirtschaftlichen Inkompatibilitäten über kurz oder lang quasi automatisch korrigiert. Die wahrscheinlichste Form einer solchen Korrektur wäre ein kräftiges Wiederaufleben der Inflation, wenn der gegenwärtige Geldmengenanstieg nicht mehr weiter durch eine erhöhte Geldnachfrage aufgefangen würde. Neuerliche re-alwirtschaftliche Rückschläge würden dann nicht ausbleiben.
Wenn der politische Wille und die politische Kraft zu Korrekturen und Reformen aufgebracht werden, dann sind in den Jahren 2001 und 2002 weiterhin hohe Wachs-tumsraten von 5% und darüber-bei sinkender Inflation und kräftigem Investiti-onswachstum-durchaus vorstellbar. Bleiben dagegen die Korrekturen aus, dann steigt die Wahrscheinlichkeit eines neuerlichen realwirtschaftlichen Rückschlags. Dieser könnte zwar durch fortgesetzt hohe Energiepreise abgemildert werden, und die politische Untätigkeit mag dann vordergründig als gerechtfertigt erscheinen. Dies ändert jedoch nichts an dem Schaden, den die russische Wirtschaft bei einer ausbleibenden Kurskorrektur nehmen würde
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Welfens, P.J.J., Wiegert, R. (2002). Rußlands Aufschwung in Gefahr. In: Welfens, P.J.J., Wiegert, R. (eds) Transformationskrise und neue Wirtschaftsreformen in Russland. Wirtschaftswissenschaftliche Beiträge, vol 186. Physica, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-57463-4_2
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