Zusammenfassung
Das phylogenetische System basiert auf Vorgängen, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben. Daher erscheint die Annahme naheliegend, daß Fossilien als konservierte Überreste von Organismen, die in der Vergangenheit gelebt haben, für die Rekonstruktion der Stammesgeschichte von großer Relevanz sein müßten. Der Informationsgehalt von Fossilien über die Phylogenese der Taxa ist im Gegensatz zu rezenten Formen, die allseits erforschbar sind, jedoch begrenzt (zu erkenntnistheoretischen Aspekten bei der wissenschaftlichen Bearbeitung von Fossilien siehe z. B. Popper 1968, 1974). Die Anzahl der für entsprechende Analysen verfügbaren Fossilien ist verhältnismäßig klein und weist in der chronologischen Abfolge häufig große Lücken auf. Ferner ist das meiste Fossilmaterial durch taphonomische87 Prozesse stark verändert (siehe hierzu z. B. Herrmann et al. 1989, Henke u. Rothe 1994, 1999; Rothe u. Henke 2001), so daß Detailstrukturen nur noch schwer oder gar nicht mehr erkennbar sind. Individuelle genetische Beziehungen können nicht mehr direkt nachgewiesen werden. Deshalb lassen sich Merkmale von Fossi lien immer nur vor dem Hintergrund dessen interpretieren, was aus Beobachtungen heute lebender Organismen bekannt ist, d. h. indem man Kenntnisse über Polymorphismen, Metamorphismen und andere Aspekte von rezenten auf fossile Taxa überträgt. Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang von einem ind irekten Zugang zur Stammesgeschichte gesprochen.88 Fossilien lassen sich ferner oft nur ungenau ins phylogenetische System einordnen, so daß sich für sie besondere formale Probleme bei der Integration ins System ergeben. Trotz dieser Einschränkungen liefern gut erhaltene Fossilien aber durchaus wichtige Befunde für die Rekonstruktion der Phylogenese, da sie über die Analyse rezenter Formen gewonnene phylogenetische Hypothesen in Frage stellen oder widerlegen können. Mit diesen Besonderheiten befaßt sich das vorliegende Kapitel.
„Festzuhalten ist jedoch, daß es für die „Neozoologie“ und für die „Paläozoologie“ nicht mehrere, theoretisch verschiedene Artbegriffe gibt. Lediglich die Versch iedenheit der praktischen Möglichkeiten bedingt einen Unterschied in der Genauigkeit, mit der es das zu erfassen gelingt, was wir die natürlichen Arten nennen müssen.“ (Hennig 1982, S. 70)
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Wiesemüller, B., Rothe, H., Henke, W. (2003). Phylogenetische Systematik und Fossilien. In: Phylogenetische Systematik. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-55799-6_10
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