Zusammenfassung
Die Krise der letzten Jahre scheint die Befürchtungen vieler Euro-Kritiker zu bestätigen, dass die Gruppe der EWU-Mitgliedsländer einfach zu heterogen ist und alles andere als eine optimale Währungsunion darstellt. Am Höhepunkt der Krise wurde die Kritik immer lauter vorgetragen. Mit bitterer Ironie stellte etwa ein Investmentmanager fest, dass nahezu willkürliche Ländergruppierungen eine bessere Währungsunion abgeben würden als die Eurozone – z. B. eine Rekonstruktion des ottomanischen Reiches von ungefähr 1800 oder alternativ alle Länder, deren Namen mit dem Buchstaben M beginnen.
Erfreulicherweise steht es um die Sache nicht ganz so schlecht. Obwohl es tiefgreifende Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern des Euroraums gibt, sind einige der Kriterien für eine Währungsgemeinschaft durchaus erfüllt. So handelt es sich bei der Gruppe der EWU-Länder um Volkswirtschaften mit einem hohen Offenheitsgrad und einer hinreichend diversifizierten Wirtschaftsstruktur, die sie vor einseitigen, sogenannten asymmetrischen Schocks schützt. Lohnflexibilität und Arbeitskräftemobilität, zwei weitere Kriterien für eine optimale Währungsunion, waren in den Anfangsjahren des Euro sicher nicht hinreichend gegeben, aber die Sachlage hat sich hier inzwischen merklich geändert. Das Ausmaß an Finanzmarktintegration und die Intensität des Kapitalverkehrs sind ebenfalls wichtige Bedingungen für einen monetären Zusammenschluss. Hier wurden schon in den ersten Jahren des Euro rasante Fortschritte erzielt, allerdings hat sich seit dem Ausbruch der Schuldenkrise die nationale Segmentierung der Finanzmärkte wieder verstärkt. Grund ist die Rückbesinnung von Investoren auf nationale Vermögenswerte und ein massiver Rückgang des grenzüberschreitenden Kreditgeschäfts. Das größte Manko für eine funktionsfähige Währungsunion war aber zweifellos der Mangel an Konvergenz in der Wirtschaftspolitik. In vielen Ländern wurde weder fiskalischen Risiken noch makroökonomischen Ungleichgewichten wie übermäßiger Kreditexpansion, allzu starken Lohnsteigerungen und Leistungsbilanzdefiziten entgegengewirkt. In einer Währungsunion ist es nicht möglich, solchen Entwicklungen durch nationale Zinspolitik oder Wechselkursveränderungen zu begegnen. Sie müssen von vornherein verhindert werden. Das ist nicht geschehen. Offenbar gab es ein mangelndes Verständnis im Hinblick auf die ökonomischen Mechanismen, die in einer Währungsgemeinschaft wirksam sind. Aus diesem Grunde sind verbindlichere Regeln für die Fiskalpolitik und eine stärkere Überwachung makropolitischer Entwicklungen durch Innovationen wie den Fiskalpakt oder das Verfahren gegen makroökonomische Ungleichgewichte äußerst bedeutsam. Aber es muss sich noch erweisen, ob sie strikt umgesetzt werden. Das wird entscheidend sein.
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Heise, M. (2014). Eine Neubewertung der Kriterien für einen optimalen Währungsraum in Europa. In: Europa nach der Krise. Springer Gabler, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-54620-4_5
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