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Systeme von Punktmassen

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Theoretische Physik

Kapitelvorwort

Was sind abgeschlossene Systeme?

Welche Größen sind im Zweikörperproblem erhalten?

Welche Arten von Planetenbahnen gibt es?

Welche Bedeutung hat Streuung für die Physik?

Ist das Dreikörperproblem allgemein lösbar?

Was ist die Ursache von Ebbe und Flut?

Was besagt der Virialsatz?

Die beiden vorherigen Kapitel waren hauptsächlich der Ausarbeitung der physikalischen Grundlagen und der fundamentalen mathematischen Hilfsmittel gewidmet. In diesem Kapitel werden diese Methoden angewendet, um einige wichtige mechanische Systeme zu beschreiben und zu verstehen.

Abschnitt 3.1 beschäftigt sich mit der Erweiterung der Erhaltungssätze auf Systeme von Punktmassen. Der extrem wichtige Spezialfall zweier Punktmassen unter dem Einfluss einer radialsymmetrischen Zentralkraft wird in Abschn. 3.2 diskutiert. Aufbauend darauf folgt die Lösung der Bewegungsgleichungen des Kepler‐Problems in Abschn. 3.3. Damit ist es möglich, die Planetenbahnen zu charakterisieren.

Eine weitere Anwendung von großer Bedeutung sind Stöße zweier Punktmassen und die Streuung von Teilchen. Diese Themen werden in Abschn. 3.4 untersucht.

Es folgen zwei Abschnitte, die häufig nicht in Mechaniklehrbüchern zu finden sind: das reduzierte Dreikörperproblem und die Gezeitenkräfte in Abschn. 3.5 und 3.6. Das Kapitel wird in Abschn. 3.7 mit dem Virialsatz abgeschlossen, der vor allem für die statistische Physik von zentraler Bedeutung ist.

Dieses Kapitel bildet eine wichtige Grundlage für die Quantenmechanik in Teil III, wie dort bei der Diskussion des Wasserstoffatoms und der quantenmechanischen Streuung noch deutlich werden wird.

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Correspondence to Matthias Bartelmann .

Appendices

Aufgaben

Gelegentlich enthalten die Aufgaben mehr Angaben, als für die Lösung erforderlich sind. Bei einigen anderen dagegen werden Daten aus dem Allgemeinwissen, aus anderen Quellen oder sinnvolle Schätzungen benötigt.

•:

leichte Aufgaben mit wenigen Rechenschritten

••:

mittelschwere Aufgaben, die etwas Denkarbeit und unter Umständen die Kombination verschiedener Konzepte erfordern

•••:

anspruchsvolle Aufgaben, die fortgeschrittene Konzepte (unter Umständen auch aus späteren Kapiteln) oder eigene mathematische Modellbildung benötigen

3.1 • Energieerhaltung

Man zeige, dass die Energie des Zweikörpersystems erhalten ist, selbst wenn man annimmt, dass die Punktmasse m 2 stets ruht: \(\dot{{\boldsymbol{x}}}_{2}=0\). Das Wechselwirkungspotenzial \(V=V(r)=V(\lvert{\boldsymbol{x}}_{1}-{\boldsymbol{x}}_{2}\rvert)\) hängt dann nur von der Position \({\boldsymbol{x}}_{1}\) ab, da \({\boldsymbol{x}}_{2}\) fest ist. Man beginne mit der Auswertung von \(\mathrm{d}V/\mathrm{d}t\) und zeige, dass die Summe von potenzieller und kinetischer Energie konstant ist.

3.2 ••• Radialgleichung

  1. (a)

    Überprüfen Sie, dass (3.60),

    $$\mu\ddot{r}-\frac{L^{2}}{\mu r^{3}}=-\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r},$$
    (3.189)

    auf (3.53) führt:

    $$E=\frac{\mu}{2}\dot{r}^{2}+\frac{L^{2}}{2\mu r^{2}}+V(r)={\mathrm{const}}.$$
    (3.190)
  2. (b)

    Leiten Sie (3.61),

    $$\frac{L^{2}u^{2}}{\mu}\left(\frac{\mathrm{d}^{2}u}{\mathrm{d}\varphi^{2}}+u\right)=-F(1/u),$$
    (3.191)

    her, wobei \(u(\varphi)=1/r(\varphi)\) ist.

  3. (c)

    Verwenden Sie (3.191) für die weitere Rechnung. Die Bahnkurve des reduzierten Zweikörperproblems sei

    $$r(\varphi)=a\,\cos(3\varphi)$$
    (3.192)

    mit einer Konstanten a > 0. Zeigen Sie, dass die entsprechende Zentralkraft die Form

    $$F(r)=\frac{2L^{2}}{\mu}\left(\frac{4}{r^{3}}-\frac{9a^{2}}{r^{5}}\right)$$
    (3.193)

    haben muss. In welchem Winkelbereich kann die Bewegung nur stattfinden?

3.3 ••• Periheldrehung

  1. (a)

    Man zeige, dass die durch eine Störung verursachte Periheldrehung \(\delta\varphi\) durch (3.98) gegeben ist. Beginnen Sie mit (3.63) und schreiben Sie die rechte Seite dieser Gleichung zunächst als Ableitung nach dem Betrag des Drehimpulses L, wodurch die Wurzel aus dem Nenner in den Zähler geschoben wird. Entwickeln Sie dann das Potenzial in der Form \(V(r)=V_{0}(r)+\delta V(r)\) und nehmen Sie dabei an, dass \(\delta V\) klein gegenüber allen vorherrschenden Energien ist. Im letzten Schritt wird die Integrationsvariable r mithilfe der Bahnkurve \(\varphi(r)\) in \(\varphi\) überführt.

  2. (b)

    Berechnen Sie die Periheldrehung \(\delta\varphi\) für das Störpotenzial \(\delta V(r)=\beta/r^{2}\).

3.4 •• Laplace‐Runge‐Lenz‐Vektor

Zeigen Sie die folgenden Eigenschaften des Laplace‐Runge‐Lenz‐Vektors (Abschn. 3.3)

$${\boldsymbol{Q}}=\frac{1}{\alpha}(\dot{{\boldsymbol{r}}}\times{\boldsymbol{L}})-\frac{{\boldsymbol{r}}}{r}$$
(3.194)

im Gravitationspotenzial \(V(r)=-\alpha/r\):

  1. (a)

    Es gilt \(\dot{\boldsymbol{Q}}=0\).

  2. (b)

    Der Vektor \({\boldsymbol{Q}}\) liegt in der Bahnebene und zeigt vom Ursprung zum Perihel bzw. Perigäum. Der Betrag ist \(\lvert{\boldsymbol{Q}}\rvert=\varepsilon\). Berechnen Sie dazu \({\boldsymbol{r}}\cdot{\boldsymbol{Q}}=rQ\,\cos\varphi\).

3.5 •• Exzentrische Anomalie

Gleichung (3.56) ist die formale Lösung der Radialgleichung \(t(r)\). Sie gibt diejenige Zeit an, zu der sich die beiden Punktmassen im Abstand r voneinander befinden. Für das Kepler‐Problem erhält man mit \(t(r=r_{0})=0\)

$$t(r)=\pm\sqrt{\frac{\mu}{2\alpha}}\int_{r_{0}}^{r}\frac{r^{\prime}\,\mathrm{d}r^{\prime}}{\sqrt{r^{\prime}-\frac{r^{\prime 2}}{2a}-\frac{a(1-\varepsilon^{2})}{2}}}.$$
(3.195)

Das positive Vorzeichen ist zu verwenden, wenn sich die beiden Massen voneinander entfernen (\(\mathrm{d}r^{\prime}> 0\)), das negative, wenn sie sich annähern (\(\mathrm{d}r^{\prime}<0\)). Obwohl sich dieses Integral elementar aufintegrieren lässt, kann die Lösung nicht in eine geschlossene Form \(r(t)\) gebracht werden. Dies bedeutet, dass der Abstand r zu einer gegebenen Zeit t nicht unmittelbar angegeben werden kann. Ebenso kann \(\varphi(t)\) nicht explizit aufgeschrieben werden.

Mithilfe der exzentrischen Anomalie ψ, die über

$$r=a(1-\varepsilon\cos\psi)$$
(3.196)

definiert ist, wird das oben genannte Problem teilweise gelöst.

  1. (a)

    Zeigen Sie, dass der Polarwinkel \(\varphi\) und die exzentrische Anomalie ψ die folgende Relation erfüllen:

    $$\cos\varphi=\frac{\cos\psi-\varepsilon}{1-\varepsilon\cos\psi}.$$
    (3.197)

    Setzen Sie dazu in (3.80) \(\varphi_{\mathrm{p}}=0\), was einer speziellen Wahl der Anfangsbedingungen entspricht.

  2. (b)

    Zeigen Sie, dass der Bruch auf der rechten Seite von (3.197) für \(\varepsilon<1\) (Ellipsenbahnen) nur Werte zwischen −1 und +1 annehmen kann. Demnach sind alle Werte \(0\leq\psi\leq 2\uppi\) erlaubt. Zeigen Sie weiterhin, dass \(\varphi=\psi\) für \(\psi=0\) und \(\psi=\uppi\) gilt. Aufgrund der Stetigkeit und des Zwischenwertsatzes folgt dann, dass ψ alle Werte zwischen 0 und \(2\uppi\) annehmen kann.

  3. (c)

    Zeigen Sie ausgehend von (3.195) und (3.196) den Zusammenhang

    $$t(\psi)=\sqrt{\frac{\mu a^{3}}{\alpha}}\int_{0}^{\psi}(1-\varepsilon\cos\psi^{\prime})\,\mathrm{d}\psi^{\prime}.$$
    (3.198)
  4. (d)

    Leiten Sie die Kepler’sche Gleichung

    $$\omega t=\psi-\varepsilon\sin\psi$$
    (3.199)

    ab. Diese Gleichung erlaubt für gegebene Zeit t eine verhältnismäßig leichte numerische Berechnung von ψ, was mithilfe von (3.196) auf den gesuchten Radius r zur Zeit t führt.

3.6 •• Streuung

Gegeben sei ein Potenzial \(V(r)=-\beta/r^{2}\).

  1. (a)

    Berechnen Sie mithilfe von (3.61) die Bahnkurve und zeigen Sie, dass sie in der Form

    $$r(\varphi)=\frac{p}{\cos(\gamma\varphi)}$$
    (3.200)

    geschrieben werden kann. Wie lautet der Ausdruck für γ? Welche Einschränkungen für das Potenzial ergeben sich daraus? Zeigen Sie, dass keine gebundenen Bahnen möglich sind und bestimmen Sie den Streuwinkel im Schwerpunktsystem.

  2. (b)

    Berechnen Sie den Zusammenhang \(b^{2}(\vartheta^{\prime})\) und schließlich den differenziellen Wirkungsquerschnitt. Beachten Sie dazu, für welche Winkel r divergiert.

Abbildung 3.20 zeigt einige Bahnkurven für verschiedene Parameter γ.

3.7 ••• Streuung unter kleinen Winkeln

Es soll der Streuwinkel \(\vartheta_{1}\) für die Streuung einer Punktmasse m 1 unter kleinen Winkeln berechnet werden. In diesem Grenzfall wird angenommen, dass \(\vartheta_{1}\) sehr klein ist, z. B. weil der Stoßparameter einen großen Wert annimmt. Dabei kann man die Rückwirkung von m 1 auf \(m_{2}\to\infty\) vernachlässigen: Laborsystem und Schwerpunktsystem sind annähernd äquivalent. Die Punktmasse m 1 falle parallel zur x‐Achse ein. Nach der Streuung ist der Betrag der Geschwindigkeit \(v_{\mathrm{f}}=v_{\infty}\) und die Geschwindigkeit entlang der y‐Achse

$$v_{{\mathrm{f}},y}=v_{\mathrm{f}}\sin\vartheta_{1}=v_{\infty}\sin\vartheta_{1}\approx v_{\infty}\vartheta_{1}.$$
(3.201)
  1. (a)

    Berechnen Sie den Streuwinkel \(\vartheta_{1}\) in Abhängigkeit vom Stoßparameter, indem Sie von

    $$m_{1}v_{{\mathrm{f}},y}=\int_{-\infty}^{+\infty}F_{y}\,\mathrm{d}t$$
    (3.202)

    ausgehen, wobei \(F_{y}=-\partial V/\partial y\) diejenige Kraftkomponente entlang der y‐Achse ist, die m 1 durch m 2 erfährt. Das Potenzial sei von der Form \(V(r)\). Das Integral in (3.202) soll entlang des ungestörten (also geradlinigen) Weges ausgewertet werden, da F y und somit \(\vartheta_{1}\) klein sind. Das Ergebnis lautet

    $$\vartheta_{1}=-\frac{2b}{m_{1}v_{\infty}^{2}}\int_{b}^{\infty}\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r}\frac{\mathrm{d}r}{\sqrt{r^{2}-b^{2}}}.$$
    (3.203)
  2. (b)

    Zeigen Sie, dass – laut des Ergebnisses aus Teilaufgabe (a) – ein Lichtstrahl im Gravitationsfeld um den Winkel

    $$\vartheta_{1}=\frac{2Gm_{2}}{c^{2}b}$$
    (3.204)

    abgelenkt wird, wobei c die Lichtgeschwindigkeit ist. Im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie wird gezeigt, dass die tatsächliche Lichtablenkung doppelt so groß ist wie diese nichtrelativistische Abschätzung vorhersagt.

Ausführliche Lösungen zu den Aufgaben

3.1

Die Zeitableitung der potenziellen Energie ist

$$\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}t}={\boldsymbol{\nabla}}_{1}V\cdot\dot{{\boldsymbol{x}}}_{1}+{\boldsymbol{\nabla}}_{2}V\cdot\dot{{\boldsymbol{x}}}_{2}={\boldsymbol{\nabla}}_{1}V\cdot\dot{{\boldsymbol{x}}}_{1},$$
(3.205)

da die Punktmasse m 2 ortsfest ist. Wegen

$${\boldsymbol{\nabla}}_{1}V=-{\boldsymbol{F}}_{1}=-m_{1}\ddot{{\boldsymbol{x}}}_{1}$$
(3.206)

gilt

$$0=\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}t}+m_{1}\ddot{{\boldsymbol{x}}}_{1}\cdot\dot{{\boldsymbol{x}}}_{1}=\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}t}+\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\left(\frac{m_{1}}{2}\dot{{\boldsymbol{x}}}_{1}\right)=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}(V+T).$$
(3.207)

Hier wurde die kinetische Energie \(T=m_{1}\dot{{\boldsymbol{x}}}_{1}^{2}/2\) eingeführt. Die Punktmasse m 2 trägt nicht dazu bei, da ihre Geschwindigkeit null ist. Wegen \(E=T+V\) ist die Energie offensichtlich erhalten.

3.2

  1. (a)

    Das Vorgehen ist zunächst identisch zu dem, das bereits aus (1.137) bekannt ist. Man multipliziert (3.189) mit \(\dot{r}\) und sortiert die Differenziale um:

    $$\begin{aligned}\mu\dot{r}\ddot{r}-\frac{L^{2}}{\mu}\frac{\dot{r}}{r^{3}}&=-\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r}\dot{r}\\ \Longrightarrow\quad\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{\mu}{2}\dot{r}^{2}+\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{L^{2}}{2\mu r^{2}}&=-\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}t}.\end{aligned}$$
    (3.208)

    Integriert man nach der Zeit, findet man, dass

    $$E=\frac{\mu}{2}\dot{r}^{2}+\frac{L^{2}}{2\mu r^{2}}+V(r)$$
    (3.209)

    eine Konstante ist, die man als Energie identifiziert.

  2. (b)

    Führt man \(u=1/r\) ein, gilt

    $$\frac{\mathrm{d}u}{\mathrm{d}r}=-\frac{1}{r^{2}}=-u^{2}.$$
    (3.210)

    Wegen (3.50) kann die Zeitableitung durch eine Winkelableitung ersetzt werden:

    $$\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}=\frac{L}{\mu r^{2}}\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\varphi}=\frac{Lu^{2}}{\mu}\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\varphi}.$$
    (3.211)

    Es ist die zweite Zeitableitung von r zu berechnen:

    $$\ddot{r}=\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}t}\frac{\mathrm{d}r}{\mathrm{d}t}=\frac{Lu^{2}}{\mu}\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\varphi}\left(\frac{Lu^{2}}{\mu}\frac{\mathrm{d}}{\mathrm{d}\varphi}\frac{1}{u}\right)=-\frac{L^{2}u^{2}}{\mu^{2}}\frac{\mathrm{d}^{2}u}{\mathrm{d}\varphi^{2}}.$$
    (3.212)

    Im letzten Schritt wurde \(\mathrm{d}(1/u)=-\mathrm{d}u/u^{2}\) verwendet. Setzt man dieses Zwischenergebnis und \(\mathrm{d}V/\mathrm{d}r=-F(r)=-F(1/u)\) in (3.189) ein, folgt (3.191).

  3. (c)

    Für die weitere Rechnung schreibt man zuerst

    $$u(\varphi)=\frac{1}{a\,\cos(3\varphi)}$$
    (3.213)

    und berechnet die zweite Ableitung:

    $$\frac{\mathrm{d}u(\varphi)}{\mathrm{d}\varphi} =\frac{3}{a}\frac{\sin(3\varphi)}{\cos^{2}(3\varphi)},$$
    $$\frac{\mathrm{d}^{2}u(\varphi)}{\mathrm{d}\varphi^{2}} =\frac{3}{a}\left(3\frac{\cos(3\varphi)}{\cos^{2}(3\varphi)}+6\frac{\sin^{2}(3\varphi)}{\cos^{3}(3\varphi)}\right)$$
    $$ =\frac{3}{a}\left(6\frac{\cos^{2}(3\varphi)+\sin^{2}(3\varphi)}{\cos^{3}(3\varphi)}-\frac{3}{\cos(3\varphi)}\right)$$
    $$ =\frac{3}{a}\left(6a^{3}u^{3}-3au\right).$$
    (3.214)

    Eingesetzt in (3.61) ergibt sich

    $$\begin{aligned}F(1/u)&=-\frac{L^{2}u^{2}}{\mu}\left(\frac{3}{a}\left(6a^{3}u^{3}-3au\right)+u\right)\\ &=-\frac{L^{2}}{\mu}\left(18a^{2}u^{5}-8u^{3}\right)\\ &=\frac{2L^{2}}{\mu}\left(4u^{3}-9a^{2}u^{5}\right).\end{aligned}$$
    (3.215)

    Dies führt auf das gesuchte Endergebnis. Da der Radius immer positiv sein muss, folgt aus der Definition des Kosinus \(-\uppi/2<3\varphi<\uppi/2\) bzw. \(\lvert\varphi\rvert<\uppi/6\). Der Fall r = 0 würde einer unphysikalischen Singularität mit unendlicher Geschwindigkeit entsprechen, da \(V(0)=-\infty\) ist.

3.3

  1. (a)

    Gleichung (3.63) kann direkt als Ableitung nach dem Betrag des Drehimpulses geschrieben werden:

    $$\begin{aligned}\Updelta\varphi&=2L\int_{r_{\mathrm{min}}}^{r_{\mathrm{max}}}\frac{\mathrm{d}r}{r^{2}\sqrt{2\mu(E-V(r))-L^{2}/r^{2}}}\\ &=-2\frac{\partial}{\partial L}\int_{r_{\mathrm{min}}}^{r_{\mathrm{max}}}\mathrm{d}r\,\sqrt{2\mu(E-V(r))-L^{2}/r^{2}}.\end{aligned}$$
    (3.216)

    Mit dem Ansatz \(V(r)=V_{0}(r)+\delta V(r)\) folgt zunächst

    $$\begin{aligned}&\sqrt{2\mu(E-V)-\frac{L^{2}}{r^{2}}}\\ &=\sqrt{\left(2\mu(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{r^{2}}\right)\left(1-\frac{\delta V}{(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{2\mu r^{2}}}\right)}.\end{aligned}$$
    (3.217)

    Die r‐Abhängigkeiten werden aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht explizit angegeben. Der Bruch mit \(\delta V\) ist klein gegenüber 1, da \(\delta V\) eine hinreichend kleine Störung sein soll. Die Näherung \(\sqrt{1-x}=(1-x)^{1/2}\approx 1-x/2\) führt dann auf

    $$\sqrt{\left(2\mu(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{r^{2}}\right)}\left(1-\frac{\delta V}{2(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{\mu r^{2}}}\right).$$
    (3.218)

    Wir wissen, dass die Periheldrehung \(\delta\varphi\) für \(\delta V=0\) verschwindet, da dies dem ungestörten Fall entspricht. Eine Abweichung davon kann also nur vom Bruch mit \(\delta V\) erzeugt werden:

    $$\begin{aligned}\delta\varphi&=2\frac{\partial}{\partial L}\int_{r_{\mathrm{min}}}^{r_{\mathrm{max}}}\mathrm{d}r\,\delta V\frac{\sqrt{\left(2\mu(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{r^{2}}\right)}}{2(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{\mu r^{2}}}\\ &=2\mu\frac{\partial}{\partial L}\int_{r_{\mathrm{min}}}^{r_{\mathrm{max}}}\frac{\mathrm{d}r\,\delta V}{\sqrt{2\mu(E-V_{0})-\frac{L^{2}}{r^{2}}}}\\ &=2\mu\frac{\partial}{\partial L}\int_{0}^{\uppi}\frac{\mathrm{d}\varphi\,r^{2}\delta V}{L}.\end{aligned}$$
    (3.219)

    Im letzten Schritt wurde (3.58) verwendet, um die r‐Integration in eine \(\varphi\)‐Integration umzuwandeln. Dabei ist auf die Integrationsgrenzen zu achten: Bei der größten Annäherung ist \(\varphi=0\), beim größten Abstand \(\varphi=\uppi\). Außerdem wurde das volle Potenzial V durch den führenden Term V 0 ersetzt, da der Integrand bereits von der Ordnung \(\delta V\) ist.

    Es folgt also das Endergebnis mit explizit ausgeschriebener funktionaler Abhängigkeit:

    $$\delta\varphi=\frac{\partial}{\partial L}\left(\frac{2\mu}{L}\int_{0}^{\uppi}r^{2}(\varphi)\,\delta V(r[\varphi])\,\mathrm{d}\varphi\right).$$
    (3.220)

    Es ist so zu interpretieren, dass das Störpotenzial in der Form \(\delta V(r)\) vorgegeben wird, ebenso die Bahnkurve \(r(\varphi)\), die sich aus dem ungestörten Potenzial \(V_{0}(r)\) ergeben würde. Der Integrand ist dann eine reine Funktion von \(\varphi\), die prinzipiell aufintegriert werden kann. Hängt das Ergebnis noch von L ab, muss dies bei der Ableitung nach L berücksichtigt werden.

  2. (b)

    Am einfachsten ist die Berechnung für das Störpotenzial \(\delta V=\beta/r^{2}\). In diesem Fall ist die Integration trivial, und das Ergebnis lautet

    $$\delta\varphi=\frac{\partial}{\partial L}\left(\frac{2\mu}{L}\int_{0}^{\uppi}\beta\,\mathrm{d}\varphi\right)=\frac{\partial}{\partial L}\left(\frac{2\uppi\beta\mu}{L}\right)=-\frac{2\uppi\beta\mu}{L^{2}}.$$
    (3.221)

3.4

  1. (a)

    Die Zeitableitung lautet

    $$\dot{\boldsymbol{Q}}=\frac{1}{\alpha}\left(\ddot{\boldsymbol{r}}\times{\boldsymbol{L}}+\dot{\boldsymbol{r}}\times\dot{\boldsymbol{L}}\right)-\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{r}+\frac{{\boldsymbol{r}}}{r^{2}}\dot{r}.$$
    (3.222)

    Wegen \(m\ddot{\boldsymbol{r}}=-\alpha{\boldsymbol{r}}/r^{3}\) im Gravitationspotenzial und der dortigen Drehimpulserhaltung gilt

    $$\dot{\boldsymbol{Q}}=-\frac{{\boldsymbol{r}}\times{\boldsymbol{L}}}{mr^{3}}-\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{r}+\frac{{\boldsymbol{r}}}{r^{2}}\dot{r}=-\frac{{\boldsymbol{r}}\times({\boldsymbol{r}}\times\dot{\boldsymbol{r}})}{r^{3}}-\frac{\dot{\boldsymbol{r}}}{r}+\frac{{\boldsymbol{r}}}{r^{2}}\dot{r}.$$
    (3.223)

    Das doppelte Kreuzprodukt kann wie gewohnt umgeschrieben werden und ergibt

    $${\boldsymbol{r}}\times({\boldsymbol{r}}\times\dot{\boldsymbol{r}})={\boldsymbol{r}}\left({\boldsymbol{r}}\cdot\dot{\boldsymbol{r}}\right)-\dot{\boldsymbol{r}}r^{2}.$$
    (3.224)

    Weiterhin gilt

    $$\frac{{\boldsymbol{r}}}{r^{2}}\dot{r}=\frac{{\boldsymbol{r}}}{2r^{3}}\frac{\mathrm{d}r^{2}}{\mathrm{d}t}=\frac{{\boldsymbol{r}}}{2r^{3}}\frac{\mathrm{d}{\boldsymbol{r}}^{2}}{\mathrm{d}t}=\frac{{\boldsymbol{r}}\left({\boldsymbol{r}}\cdot\dot{\boldsymbol{r}}\right)}{r^{3}}.$$
    (3.225)

    Setzt man alle Zwischenergebnisse in (3.222) ein, ergibt sich \(\dot{\boldsymbol{Q}}=0\).

  2. (b)

    Der Vektor \({\boldsymbol{Q}}\) liegt in der Bahnebene, da

    $${\boldsymbol{L}}\cdot{\boldsymbol{Q}}=\frac{1}{\alpha}{\boldsymbol{L}}\cdot\left(\dot{\boldsymbol{r}}\times{\boldsymbol{L}}\right)-\frac{1}{r}{\boldsymbol{L}}\cdot{\boldsymbol{r}}=0$$
    (3.226)

    gilt. Hierbei sei an \({\boldsymbol{L}}={\boldsymbol{r}}\times{\boldsymbol{p}}\) erinnert. Wir fahren fort mit der Berechnung von

    $${\boldsymbol{r}}\cdot{\boldsymbol{Q}}=\frac{{\boldsymbol{r}}\cdot\left(\dot{\boldsymbol{r}}\times{\boldsymbol{L}}\right)}{\alpha}-r.$$
    (3.227)

    Das Spatprodukt kann durch zyklische Permutation umgeformt werden:

    $${\boldsymbol{r}}\cdot\left(\dot{\boldsymbol{r}}\times{\boldsymbol{L}}\right)={\boldsymbol{L}}\cdot\left({\boldsymbol{r}}\times\dot{\boldsymbol{r}}\right)=\frac{L^{2}}{\mu}.$$
    (3.228)

    Somit hat man

    $${\boldsymbol{r}}\cdot{\boldsymbol{Q}}=\frac{L^{2}}{\alpha\mu}-r=rQ\,\cos\varphi.$$
    (3.229)

    Eine einfache Umformung führt auf

    $$r=\frac{L^{2}/(\alpha\mu)}{1+Q\,\cos\varphi}=\frac{p}{1+Q\,\cos\varphi}.$$
    (3.230)

    Dies entspricht offenbar der Bahnkurve, wenn man \(Q=\varepsilon\) identifiziert und \({\boldsymbol{Q}}\) in Richtung des Perihels zeigt. Denn nur dann ist \(\varphi_{\mathrm{p}}=0\) in (3.80).

3.5

  1. (a)

    Wir schreiben (3.196) mit \(p=a(1-\varepsilon^{2})\) zunächst als

    $$r=\frac{p(1-\varepsilon\cos\psi)}{1-\varepsilon^{2}}$$
    (3.231)

    und vergleichen dies mit (3.80):

    $$r=\frac{p}{1+\varepsilon\,\cos\varphi}.$$
    (3.232)

    Eliminierung von r durch Gleichsetzen und Auflösen nach \(\cos\varphi\) führt auf das gesuchte Ergebnis (3.197).

  2. (b)

    Wir zeigen, dass der Zahlenwert des Bruches auf der rechten Seite von (3.197) für alle ψ im Intervall \([-1,+1]\) liegt. Aus der zu überprüfenden Ungleichung

    $$1\geq\frac{\cos\psi-\varepsilon}{1-\varepsilon\cos\psi}$$
    (3.233)

    folgt wegen \(1-\varepsilon\cos\psi> 0\) nach kurzer Umformung

    $$\cos\psi\leq 1.$$
    (3.234)

    Ausgehend von

    $$-1\leq\frac{\cos\psi-\varepsilon}{1-\varepsilon\cos\psi}$$
    (3.235)

    folgt analog

    $$\cos\psi\geq-1.$$
    (3.236)

    Dies bedeutet, dass der Bruch in der Tat durch −1 und +1 beschränkt ist, egal welchen Wert ψ annimmt. Somit sind alle Werte zwischen 0 und \(2\uppi\) für ψ erlaubt. Für \(\psi=0\) folgt \(\cos\varphi=1\), also \(\varphi=0\). Weiterhin führt \(\psi=\uppi\) auf \(\cos\varphi=-1\) bzw. \(\varphi=\uppi\). Tatsächlich laufen \(\varphi\) und ψ bei einem vollen Umlauf beide von 0 bis \(2\uppi\).

  3. (c)

    In das Integral (3.195) wird (3.196) eingesetzt; dabei ist

    $$\mathrm{d}r^{\prime}=a\varepsilon\sin\psi^{\prime}\,\mathrm{d}\psi^{\prime}$$
    (3.237)

    zu berücksichtigen. Es folgt zunächst

    $$t=\pm\sqrt{\frac{\mu a^{3}}{2\alpha}}\int_{\psi_{0}}^{\psi}\frac{(1-\varepsilon\cos\psi^{\prime})\varepsilon\sin\psi^{\prime}\,\mathrm{d}\psi^{\prime}}{\sqrt{(1-\varepsilon\cos\psi^{\prime})-\frac{(1-\varepsilon\cos\psi^{\prime})^{2}}{2}-\frac{(1-\varepsilon^{2})}{2}}}.$$
    (3.238)

    Der Nenner im Integral lässt sich vereinfachen zu

    $$\sqrt{\frac{1}{2}\varepsilon^{2}\left(1-\cos^{2}\psi^{\prime}\right)}=\sqrt{\frac{1}{2}}\varepsilon\left|\sin\psi^{\prime}\right|.$$
    (3.239)

    Der Sinus kann gekürzt werden. Da die Vorzeichen von \(\mathrm{d}r^{\prime}\) und \(\sin\psi^{\prime}/\lvert\sin\psi^{\prime}\rvert\) stets gleich sind, fällt dabei auch das \(\pm\) fort. Das Ergebnis lautet dann

    $$t=\sqrt{\frac{\mu a^{3}}{\alpha}}\int_{0}^{\psi}(1-\varepsilon\cos\psi^{\prime})\,\mathrm{d}\psi^{\prime}.$$
    (3.240)

    Es wurde dabei noch \(t(\psi=0)=0\) verwendet.

  4. (d)

    Die Kepler’sche Gleichung (3.199) folgt sofort durch Integration:

    $$\sqrt{\frac{\alpha}{\mu a^{3}}}t=\psi-\varepsilon\sin\psi.$$
    (3.241)

    Hier muss nur noch das dritte Kepler’sche Gesetz (3.92)

    $$\omega^{2}=\frac{\alpha}{\mu a^{3}}$$
    (3.242)

    verwendet werden.

3.6

  1. (a)

    Die Kraft, die sich aus dem Potenzial ergibt, ist

    $$F(r)=-\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r}=-\frac{\beta}{r^{3}}\quad\Longrightarrow\quad F(1/u)=-\beta u^{3}.$$
    (3.243)

    Gleichung (3.61) kann dann durch einfache Umformung als

    $$\frac{\mathrm{d}^{2}u}{\mathrm{d}\varphi^{2}}=-\left(1-\frac{\mu\beta}{L^{2}}\right)u$$
    (3.244)

    geschrieben werden. Wir definieren

    $$\gamma^{2}:=1-\frac{\mu\beta}{L^{2}}$$
    (3.245)

    und sehen, dass die resultierende Differenzialgleichung auf eine Sinusfunktion führt:

    $$u(\varphi)=A\,\sin(\gamma(\varphi-\varphi_{0})).$$
    (3.246)

    Die beiden Integrationskonstanten sind die Amplitude A und ein Phasenwinkel \(\varphi_{0}\). Offensichtlich ist γ nur dann reell, wenn \(\gamma^{2}\geq 0\) ist. Daher muss \(\beta\leq L^{2}/\mu\) gelten. Der Koeffizient β kann auch einen beliebigen negativen Wert annehmen. Dann ist das Potenzial \(V(r)\) wie das Zentrifugalpotenzial abstoßend. Selbstverständlich kann auch \(\beta> L^{2}/\mu\) erfüllt sein, allerdings kann die Bahngleichung dann nicht mehr als eine Sinusfunktion geschrieben werden. Stattdessen handelt es sich um eine Exponentialfunktion:

    $$u(\varphi)=A\,\exp(\pm\gamma^{\prime}(\varphi-\varphi_{0})),\quad\gamma^{\prime 2}:=\frac{\mu\beta}{L^{2}}-1.$$
    (3.247)

    Diesen zweiten Fall wollen wir nicht weiter betrachten. Wegen \(\sin x=\cos(x-\uppi/2)\) kann \(\varphi_{0}\) so gewählt werden, dass schließlich

    $$r(\varphi)=\frac{p}{\cos(\gamma\varphi)}$$
    (3.248)

    gilt, wobei \(p=1/A\) substituiert wurde.

    Abb. 3.20
    figure 20

    Verschiedene Bahnkurven im \(1/r^{2}\)‐Potenzial. Die Kurven entsprechen verschiedenen Werten für den Parameter γ aus (3.245). Die Punkte größter Annäherung liegen auf der x 1‐Achse und haben den Abstand p zum Ursprung. In dieser Abbildung sind alle Bahnparameter p identisch. Man erkennt, dass sich die Massen mehrfach umlaufen können (rot) oder gar keine Streuung auftreten kann (grün). Für \(\gamma<1\) ist die Wechselwirkung attraktiv, jedoch lässt sich keine stabile gebundene Bahn finden

    Eine gebundene Bewegung ist nur dann möglich, wenn der Radius r nicht divergiert. Die Bahnkurve divergiert jedoch für alle Werte \(p\not=0\) und \(\gamma\not=0\). Der Fall \(\gamma=0\) entspricht \(r=p\), und das Zentrifugalpotenzial und \(V(r)\) heben sich an jedem Punkt genau auf. Dies führt auf eine Kreisbahn, die jedoch nicht stabil ist, da das effektive Potenzial dort kein Minimum aufweist. Für p = 0 folgt r = 0, was aus physikalischen Gründen ausgeschlossen werden soll. Somit ist keine gebundene Bewegung möglich.

  2. (b)

    Der Streuwinkel ergibt sich aus der Bedingung, dass der Radius für \(\gamma\varphi=\pm\uppi/2\) divergiert. Es folgt \(\Updelta\varphi=\uppi/\gamma\). Der Streuwinkel ist \(\vartheta^{\prime}=\uppi-\Updelta\varphi=\uppi(1-1/\gamma)\). Interessanterweise kann der Streuwinkel für \(\gamma<1\) (was \(\beta> 0\) und einem anziehenden Potenzial \(V(r)\) entspricht) beliebig negativ werden. In diesem Fall hat die Bahnkurve die Eigenschaft, dass sich m 1 und m 2 während der Bewegung mehrfach gegenseitig umlaufen, bevor sie sich wieder voneinander trennen (Abb. 3.20). Ersetzt man γ durch die Definition in (3.245), L durch den Stoßparameter \(b=L/(\mu v_{\infty})\) und verwendet man die Energie \(E=\mu v_{\infty}^{2}/2\), führt dies zunächst auf

    $$\frac{\vartheta^{\prime}}{\uppi}=1-\frac{1}{\sqrt{1-\frac{\beta}{2b^{2}E}}}.$$
    (3.249)

    Diese Gleichung kann nach b 2 aufgelöst werden:

    $$b^{2}=\frac{\beta/(2E)}{1-\frac{1}{(1-\vartheta^{\prime}/\uppi)^{2}}}.$$
    (3.250)

    Den Wirkungsquerschnitt (3.131) erhält man durch Differenziation:

    $$\begin{aligned}\frac{\mathrm{d}\sigma}{\mathrm{d}\Upomega}&=\frac{1}{2\sin\vartheta^{\prime}}\left\lvert\frac{\mathrm{d}b^{2}}{\mathrm{d}\vartheta^{\prime}}\right\rvert\\ &=\frac{\beta}{2\uppi E\sin(\uppi\theta)}\frac{1}{\left\lvert\left(1-\theta\right)^{3}\left(1-\frac{1}{\left(1-\theta\right)^{2}}\right)^{2}\right\rvert}\\ &=\frac{\beta}{2\uppi E\sin(\uppi\theta)}\frac{\left\lvert 1-\theta\right\rvert}{\theta^{2}(\theta-2)^{2}}\end{aligned}$$
    (3.251)

    mit \(\theta:=\vartheta^{\prime}/\uppi\).

3.7

  1. (a)

    Die streuende Masse m 2 befinde sich im Ursprung, und die Bewegung von m 1 finde in der x-y‐Ebene statt. Der Stoßparameter ist b. Gleichung (3.202) kann in folgender Form geschrieben werden:

    $$\begin{aligned}m_{1}v_{{\mathrm{f}},y}&=\int_{-\infty}^{+\infty}F_{y}\,\mathrm{d}t=-\int_{-\infty}^{+\infty}\frac{\partial V}{\partial y}\mathrm{d}t\\ &=-\int_{-\infty}^{+\infty}\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r}\frac{\partial r}{\partial y}\mathrm{d}t.\end{aligned}$$
    (3.252)

    Wegen z = 0 ist \(r=\sqrt{x^{2}+y^{2}}\), und es gilt \(\partial r/\partial y=y/r\). Weiterhin kann man \(\mathrm{d}t\) durch \(\mathrm{d}x/v_{\infty}\) ersetzen, da die Geschwindigkeit von m 1 entlang der x‐Achse in erster Näherung konstant und daher stets \(v_{\infty}\) ist. Außerdem kann man \(y=b={\mathrm{const}}\) annehmen, da \(\vartheta_{1}\) klein ist. Man findet somit

    $$m_{1}v_{{\mathrm{f}},y}=-\frac{2b}{v_{\infty}}\int_{0}^{\infty}\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r}\frac{\mathrm{d}x}{r}.$$
    (3.253)

    Hier wurde ausgenutzt, dass die Beiträge der Intervalle \((-\infty,0]\) und \([0,+\infty)\) identisch sind. Die x‐Integration kann durch eine r‐Integration ersetzt werden: Da \(r^{2}=x^{2}+b^{2}\) ist, gilt \(r\,\mathrm{d}r=x\,\mathrm{d}x\) und schließlich

    $$\vartheta_{1}=-\frac{2b}{m_{1}v_{\infty}^{2}}\int_{b}^{\infty}\frac{\mathrm{d}V}{\mathrm{d}r}\frac{\mathrm{d}r}{\sqrt{r^{2}-b^{2}}},$$
    (3.254)

    was die gesuchte Gleichung (3.203) ist. Man beachte die untere Grenze der Integration, die nun b anstatt 0 ist.

  2. (b)

    Das Gravitationspotenzial lautet

    $$V(r)=-\frac{Gm_{1}m_{2}}{r}.$$
    (3.255)

    Nimmt man an, dass ein Lichtstrahl aus einem Strom von Teilchen der Geschwindigkeit \(v_{\infty}=c\) besteht, lautet der Streuwinkel im Laborsystem

    $$\begin{aligned}\vartheta_{1}&=\frac{2Gm_{2}b}{c^{2}}\int_{b}^{\infty}\frac{\mathrm{d}r}{r^{2}\sqrt{r^{2}-b^{2}}}\\ &=\frac{2Gm_{2}b}{c^{2}}\left.\frac{\sqrt{r^{2}-b^{2}}}{b^{2}r}\right\rvert_{b}^{\infty}=\frac{2Gm_{2}}{c^{2}b}.\end{aligned}$$
    (3.256)

    Im Rahmen der allgemeinen Relativitätstheorie wird konsistent gezeigt, dass ein Lichtstrahl tatsächlich durch ein Gravitationsfeld abgelenkt wird. Allerdings ist die Lichtablenkung doppelt so groß, wie das Ergebnis in (3.256) voraussagt.

Antworten zu den Selbstfragen

Antwort 10

Die Verhältnisse sind umgekehrt proportional. Dies lässt sich direkt aus dem zweiten Kepler’schen Gesetz ableiten, da an Perihel und Aphel \({\boldsymbol{r}}\) und \(\dot{\boldsymbol{r}}\) orthogonal sind.

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Bartelmann, M., Lüst, D., Wipf, A., Rebhan, A., Feuerbacher, B., Krüger, T. (2015). Systeme von Punktmassen. In: Theoretische Physik. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-54618-1_3

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