Sexualfunktionen

Zusammenfassung

Es überrascht sicher zu erfahren, daß eigentlich erst der berühmte, allerdings alternde französische Physiologe Brown-Séquard ² die wissenschaftliche Welt mit Hilfe aufsehenerregender Selbstversuche auf die Sexualhormone stieß. Durch Hodenextrakte meinte er eine verjüngende Wirkung zu spüren. Meilensteine in der wissenschaftlichen Forschung sind jedoch nicht allein subjektive Konzepte, sondern neue Methoden, welche diese Konzepte objektivieren lassen. Für die Sexualhormone waren dies zunächst biologische Methoden (Bioassays, vgl. S. 280), mit denen die Wirksamkeit von Sexualhormonen getestet werden konnte. Zu den berühmtesten zählt die 1927 veröffentlichte Aschheim-Zondek’sche Reaktion³, welche darin besteht, infantilen weiblichen Mäusen den Harn von schwangeren Frauen zu applizieren. Das darin enthaltene Choriongonadotropin verursacht bei diesen Mäusen eine Gelbkörperbildung sowie eine Frühreife des gesamten Genitale. Auf dem Boden biologischer Konzepte und Methoden kann die Chemie jeweils ihren Siegesmarsch antreten. So gelang fast zu gleicher Zeit (1929) dem 26jährigen A. Butenandt in Göttingen und dem Amerikaner E. A. Doisy in St. Louis die Kristallisation des Ö strons. Der Grundstein für die Steroidhormon-Chemie war damit gelegt, welcher 1939 mit einem ersten Nobelpreis belohnt wurde. Allerdings erzwangen die Nationalsozialisten hier die Ablehnung des Preises, ebenso wie bei dem Heidelberger Vitamin-Chemiker Richard Kuhn und dem Entdecker der Sulfonamide Gerhard Domagk. Diese Preise wurden jedoch nach dem Krieg überreicht. Kleine Kränkungen im Vergleich dazu, daß für die Aschheims und Zondeks Deutschland zu jener Zeit nicht einmal Luft zum Atmen anzubieten hatte.