Zusammenfassung
Bevor wir an die Verarbeitung unseres klinischen Materiales gehen, seien einige Vorbemerkungen gestattet. Es soll das hier Gesammelte keine Kuriositätensammlung darstellen. Es handelt sich, um das Resultat einer sorgsamen Sichtung eines nicht allzu reichlichen Materiales1) (etwa 1900 klinische und 800 poliklinische Aufnahmen), das in 2 Jahren die hiesige Klinik passierte. Dabei konnten in ganz strenger Weise nur die Patienten der eigenen Abteilung nach Störungen des Selbstbewußtseins durchforscht werden, doch sind mir in liebenswürdiger Weise von meinen Kollegen alle jene Fälle zugewiesen worden, die manifeste Störungen in dieser Richtung zeigten. Es ist die Absicht dieser Untersuchungen, darauf aufmerksam zu machen, daß Störungen des Selbstbewußtseins und Persönlichkeitsbewußtseins auch klinisch-symptomatologisch Bedeutung beanspruchen dürfen. Ich bin mir sehr wohl bewußt, das Thema auch nicht annähernd erschöpft zu haben. Es konnten zunächst nur einzelne Kapitel herausgegriffen werden, da ich prinzipiell Gebiete nicht behandelt habe, bezüglich derer mir eigenes Material nicht zu Gebote stand. So fehlen hier auch systematische Angaben über die übrigens gut bekannten Erscheinungen des doppelten Bewußtseins. Auch in anderen Teilen der Arbeit wird man Vollständigkeit vermissen. Es sind eben Studien und keine systematische Darstellung.
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References
Ich bin Herrn Geheimrat Flechsig für die Überlassung des Materials und für das Interesse, das er an meiner Arbeit genommen hat, sehr zu Dank verpflichtet.
Er haftet sehr an diesem Punkt: „So kann ein Vater doch nicht handeln?“ Schilder, Selbstbewußtsein.
Zur Zeit der Korrektur Mai 1914 sind die Beziehungsideen völlig geschwunden. Die Störungen des Persönlichkeitsbewußtseins außerordentlich ausgesprochen.
Vergleiche die Definitionen von Kraepelin und Heymans.
Über Depersonalisation existiert bereits eine Reihe von zusammenfassenden Arbeiten: Oesterreich, Hesnard, Dugas und Moutier, gleichwohl habe ich es für richtig gehalten, auch das Tatsachenmaterial zu unterbreiten, auf das sich meine Analysen stützen. (Vgl. den Anhang.)
Oesterreichs Patienten, auf deren Angaben ich noch wiederholt zurückkomme, sind als Ti., Prau und Ka. bezeichnet.
Es ist mir unverständlich, daß Oesterreichin seinem letzten Buche die Deutung Löwys für dessen Fall akzeptiert und gleichzeitig seine eigene Deutung vom Mangel der Gefühle in der Depersonalisation aufrecht erhalten kann. Denn diejenigen Momente, die Löwy zum Aufgeben der Annahme Oesterreichs trieben, sind in allen daraufhin untersuchten Fällen nachweisbar.
Es werden hierunter alle jene Tendenzen verstanden, welche zu dem aktuellen Gefühl Beziehung haben.
Dieser Ausdruck ist bildlich zu nehmen. Zur Erläuterung sei hinzugefügt: Wenn ich Grund und Gegengrund gegeneinander abgewogen habe, und den Entschluß fasse, so vereinheitlichen sich in diesem Entschlüsse beide Tendenzen und ich drücke das so aus: Trotz des Gegengrundes treffe ich diese Entschließung. Nicht vereinheitlicht und nicht aus der Tiefe kommend, ist Entschluß, wenn ich mich entschließe und trotzdem immer wieder der Gedanke kommt, ich hätte mich im Sinne des Gegenteils entscheiden sollen.
Dugas hat in seinem letzten Artikel diesen Standpunkt zum Teil auch wieder aufgegeben (vgl. auch noch S. 94).
Der Fall A miels, den Dugas und Moutier so vielfach bei ihren Erörterungen über Depersonalisation herangezogen haben, ist gar kein Depersonalisierter im strengen Sinne; das hat Oesterreich bereits erkannt, wir kommen darauf im nächsten Kapitel noch zurück.
Pick hat daneben allerdings auch andere Gesichtspunkte hervorgehoben.
Die Angaben von Lipps, die Oesterreich anführt, beziehen sich nicht direkt auf die Depersonalisation.
Ältere Auffassung, s. o.
Vgl. hierzu Meinong und Saxinger.
Daß ganze Strukturformen und Gedankenkomplexe zufließen, wird hier nicht weiter berücksichtigt.
Wiener klinische Rundschau 1907.
Fall 10.
Über die Begriffe Störung des Selbstbewußtseins und Störung des Persönlichkeits-bewußtseins siehe auch Beginn des III. Kapitels.
Auf die einschlägigen Fragestellungen verweist auch Ziegler.
Auch James soll in „The will to believe“, ein Buch, das mir nicht zugänglich war, die Gefühlstheorie vertreten.
Hysterie wird zunächst als Bezeichnung für einen Symptomenkomplex gebraucht, den wir in einigen Punkten skizzieren. Wenn wir von einer Krankheit Hysterie sprechen, machen wir das besonders kenntlich, die Existenz einer derartigen Krankheit ist strittig.
Le mécanisme des émotions. Leider war mir die Vorrede Janets zu dem Buche von Jastrow, die sich mit der Differentialdiagnose psychasthenischer und hysterischer Symptome beschäftigt, nicht zugänglich.
Man lese jedoch unsere Ausführungen zur Psychologie der Hysterie in den letzten Teilen des dritten Kapitels nach. Dieses Nicht-Vorhandensein des Vorstellungsvermögens etc. zeigt nämlich eine bestimmte Eigenart.
Wir meinen wieder zunächst nur die so bezeichneten Gruppierungen von Symptomen.
Nach Jung und Bleuler ist ein großer Teil der Psychasthenischen Janets der Dementia praecox-Gruppe zuzuzählen, eine Auffassung, die mir sehr zweifelhaft ist.
Man halte sich stets gegenwärtig, daß die hier vorliegenden Willensentschlüsse sehr oft latent bleiben (vgl. auch im folgenden).
Zu vergleichen ist auch die Studie Abrahams, mit der ich mich jedoch an dieser Stelle nicht ausführlicher auseinandersetzen kann.
Es orientieren über die Lehre die Schriften von Hitschmann, Mittenzwey.
Herrn Dr. Quensel bin ich zu Dank verpflichtet, daß er mich auf diesen Fall aufmerksam machte.
Daß der eigentlichen Erkrankung eine „anfallartige Attacke“ voranging, sei vermerkt.
Doch muß noch einschränkend hinzugefügt werden, daß eine derartige Symptomatologie im Rahmen des Manisch-Depressiven zwar unwahrscheinlich, aber denkbar ist. Der „Verlust des optischen Vorstellungs Vermögens“ in den Fällen von Cotard und Lemos ist immerhin etwas Verwandtes.
Wie erwähnt, ist von anderer Seite Dementia praecox (und auch Hysterie) diagnostiziert worden.
Ich habe von einer statistischen Bearbeitung wegen der Ungleichartigkeit des Materials abgesehen.
Auch wenn man die enge Fassung Bumkes zugrunde legt.
Die Abgrenzung, die Bonhöffer in einem Vortrage gegeben hat, ist sehr schematisch. Das Gleiche gilt von einem Artikel Ballets, beide Arbeiten scheinen zum Teil mehr auf praktische Fragen als auf theoretische gerichtet zu sein.
Eine gute Übersicht gibt das kleine Büchlein von Raymond.
Ein lehrreiches Beispiel für die Beziehungen psychopathischer Zustände zum Manisch-Depressiven ist C. F. Meyer (vgl. Heß, Lange, Sadger, Hellpach).
Vgl. übrigens die Bemerkungen Ribots.
Doch ist auch eine ausgedehnte ältere Literatur vorhanden, die in einer Arbeit von Pfersdorff zum großen Teil erwähnt ist. Vgl. die Arbeiten von Deny und Charpentier und Soukhanoff. Auch eine Arbeit von Marchand ist heranzuziehen.
Mugdan schlägt sogar noch eine schärfere Formulierung vor, in dem annähernd gleiche Krankheitsbilder und annähernd gleiche Zwischenräume zwischen den einzelnen Phasen gefordert werden.
Auch die Grenzlinien zwischen Neurosen, manisch-depressivem Irresein und Dementia praecox sind nur theoretisch scharf zu ziehen; die klinische Forschung, die Erblichkeitslehre und die Betrachtung der somatischen Symptome haben ergeben, daß jedenfalls mindestens zwei verschiedene Krankheiten vorliegen. Die Entscheidung, auf welcher Basis ein vorliegender Symptomenkomplex entstanden ist, stößt ja bekanntlich oft im einzelnen Falle auf unüberwindliche Schwierigkeiten.
Vielleicht verweisen sie doch auf eine beträchtlichere Schädigung. Die psychologische Deutung wird hierdurch nicht geändert. 0b hieraus differentialdiagnostisch (in bezug auf die Krankheit) etwa gefolgert werden kann, müssen weitere Untersuchungen zeigen.
Es ist mir sehr wohl bewußt, daß von vielen Autoren, eine beträchtlichere Anzahl der hier mitgeteilten Fälle der Dementia praecox zugeteilt werden wird.
Hierzu sind die Arbeiten von Hoche, Bumke, Alzheimer, Cramer, Löwy und Hartmann besonders heranzuziehen.
Unter Benützung der Übersetzung von Wilbrand.
Wer sich hierfür interessiert, sei auf das Buch Bechers verwiesen, vor allem aber auf die Ausführungen Bergsons.
Die Erscheinungen der funktionellen Dyschirie, Achirie und Allochirie (Jones) sind den Erscheinungen der Depersonalisation in jeder Hinsicht sehr nahe verwandt.
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Schilder, P. (1914). Die Depersonalisation. In: Selbstbewusstsein und Persönlichkeitsbewusstsein. Monographien aus dem Gesamtgebiete der Neurologie und Psychiatrie, vol 9. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47702-7_2
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