Zusammenfassung
Die eben zu Ende geführte Untersuchung der inneren Wahrnehmung hat ergeben, daß die dieser von alters her in der Erkenntnistheorie zugesprochene grundlegende Bedeutung ihr trotz der verschiedenartigsten Einschränkungen, die sich als unerläßlich erwiesen haben, wirklich zukommt. Ein gewisses Verständnis hierfür aber konnte daraus geschöpft werden, daß die oft betonte Identität von Erkennen und Erkanntem, genauer von Erkenntnis-Quasiinhalt und Wirklichkeit, sich als Berührung im Gegenwärtigkeitspunkte in der Tat verwirklicht zeigt. Daß eine solche Berührung, so bescheiden sie sich in gewissem Sinne präsentiert, doch einen Vorzug ausmacht, der dem Erkennen nur so lange zu gute kommen kann, als es sich auf das Innenleben des Erkennenden beschränkt, versteht sich, so daß sich auch einigermaßen einsehen läßt, warum die sogenannte äußere Wahrnehmung in gewisser Hinsicht von Haus aus unfähig ist, es der inneren Wahrnehmung gleich zu tun. Aber andererseits hat sich auch herausgestellt, wie verschiedene Grade von Vollkommenheit des Erkennens die innere Wahrnehmung in sich schließt. Die Alternative: „entweder alles oder nichts“ ist bei ihr ganz und gar nicht am Platze: Das legt uns die Frage nahe, ob wir oben1) bei der Verwerfung der äußeren Wahrnehmung nicht denn doch etwas allzu summarisch vorgegangen sind. Diese leistet ja in gewisser Hinsicht sicher nicht das, was die innere Wahrnehmung unter ausreichend günstigen Umständen leisten mag: leistet sie aber darum gar nichts? Und sollten wir nicht auch hier, wie bei der inneren Wahrnehmung, Grund haben, das Unvollkommene, wo es etwa vorliegt, zu würdigen?
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Meinong, A. (1906). Die äufsere Wahrnehmung. In: Über die Erfahrungsgrundlagen unseres Wissens. Abhandlungen zur Didaktik und Philosophie der Naturwissenschaft, vol 6. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47618-1_5
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