1 Überblick

Die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung ist kein eigenständiges Instrument, sondern versteht sich als ein Fachbeitrag, der in andere Planungsinstrumente (z. B. Landschaftspflegerischer Begleitplan) integriert wird. In diesem werden ausschließlich artenschutzrechtliche Belange behandelt und bewertet. Es sind bei jedem neuen Vorhaben oder Eingriff in die Natur und Landschaft im Genehmigungsprozess eventuelle negative Auswirkungen auf besonders und streng geschützten Arten zu prüfen. So ist es verboten, wild lebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten, egal in welcher Entwicklungsform sie sich befinden. Ein ähnlich harter Schutzstatus gilt auch für ihre Fortpflanzungs- oder Ruhestätten.

Problematisch dabei ist, dass sich die meist recht mobilen Tierarten nicht an (für sie ausgewiesene) Schutzgebiete halten. Einzelne Individuen oder ganze Populationen lassen sich also grundsätzlich völlig frei in der Natur und Landschaft nieder und besiedeln somit auch beplante (Bau-)Flächen. Besteht der Verdacht, dass geschützte Arten durch einen geplanten Eingriff (z. B. Bauvorhaben) gestört oder beeinträchtigt werden könnten, so ist in jedem Einzelfall durch eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) der Verbotsbestand nach oben genannten Sachverhalten zu prüfen.

Inwieweit eine Betroffenheit bei europäisch geschützten Arten vorliegt, wird bei vielen Arten über eine Analyse bestehender Literatur- und Datenbestände vorgenommen (Verbreitungskarten, in der Vergangenheit nachgewiesene Artenfunde etc.). Bei einem Risiko, dass diese Arten im Gebiet vorkommen und beeinträchtigt werden können, werden die Informationen durch eine Vor-Ort-Kartierung ergänzt (vgl. StMI 2011, S. 7). Die so entstandene Liste aus potenziell beeinträchtigten Arten ist hinsichtlich des Schädigungs-, Störungs- und Tötungsverbots für jede einzelne Artengruppe zu prüfen. Trifft bei auch nur einer Art ein Tatbestand zu, ist das Vorhaben/der Eingriff bereits nicht zulässig. Allerdings kann durch geeignete Vermeidungs- und vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen der Verbotstatbestand verhindert werden. Diese Maßnahmen sind nicht gleichzusetzen mit den klassischen Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen nach § 15 BNatSchG, da sie nur auf die geschützten Arten bezogen sind, also inhaltlich enger fokussiert, aber in den einzuhaltenden Standards strenger sind. Kann der räumliche, zeitliche, strukturelle oder flächenbezogene Anspruch auch nur für eine einzelne dieser CEF-Maßnahmen (Synonym für vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen) nicht erfüllt werden, so tritt wieder das Verbot nach § 44 BNatSchG in Kraft. Es ist ggf. eine Ausnahme nach § 45 BNatSchG zu prüfen.

Abb. 1 stellt die Einordnung der saP in den Naturschutz dar, die über den allgemeinen Schutz von Natur und Landschaft nach Kap. 3 BNatSchG hinaus geht, aber nicht an Schutzgebiete gemäß BNatSchG oder Natura-2000-Gebiete gebunden ist.

Abb. 1
figure 1

Einordnung der saP im Naturschutz (Runge et al. 2009, S. 60, verändert)

2 Rechtliche Grundlagen

Das Instrument der speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung (saP) ist keine rein deutsche Erfindung, sondern bezieht sich im Wesentlichen auf die Vogelschutzrichtlinie (RL 79/409/EWG; VS-RL) sowie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL 92/43/EWG; FFH-RL) der Europäischen Union. Die FFH-RL konzentriert sich auf den Aufbau des Natura-2000-Netzes (Erhaltung der natürlichen Lebensräume) und den Artenschutz. Somit müssen alle gelisteten Arten des Anhangs IV der FFH-RL sowie alle Vögel der VS-RL (alle in Europa vorkommenden Arten) unter einen speziellen Schutz gestellt werden (vgl. Abb. 2 und auch Kap. 8, „Internationales und europäisches Recht“).

Abb. 2
figure 2

Wirkbereich einer saP (verändert StMI 2011, S. 5)

Alle diese Arten wurden in das nationale Recht implementiert und konkret in der Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) gelistet. Eine Rechtsverordnung, die nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG weitere Arten (z. B. nationale Verantwortungsarten) unter Schutz stellt, die in vergleichbarer Weise zu prüfen wären, wurde bisher nicht erlassen.

Der rechtliche Schutzstatus wird im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) geführt. Demnach müssen die Belange der streng und/oder europarechtlich geschützten Pflanzen- und Tierarten nach folgenden funktionsspezifischen Kriterien (§ 44 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 i. V. m. Abs. 5 BNatSchG) geprüft werden:

  • Schädigungsverbot: Das Beschädigen oder Zerstören von Fortpflanzungs- und Ruhestätten der Art ist verboten. Abweichend davon liegt ein Verbot nicht vor, wenn die ökologische Funktion der von dem Eingriff oder Vorhaben betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten im räumlichen Zusammenhang gewahrt wird.

  • Störungsverbot: Es sind keine erheblichen Störungen von Tieren während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungs- und Wanderungszeiten zulässig. Abweichend davon liegt ein Verbot nicht vor, wenn die Störung zu keiner Verschlechterung des Erhaltungszustands der lokalen Population führt.

  • Tötungsverbot: Das Fangen, die Verletzung oder Tötung von Tieren, die Beschädigung, Entnahme oder Zerstörung ihrer Entwicklungsformen sind verboten. Dieses Tötungsverbot umfasst auch die Gefahr von Kollisionen im Straßenverkehr, wenn sich durch das Vorhaben das Kollisionsrisiko für die jeweilige Art, unter Berücksichtigung der vorgesehenen Schadensvermeidungsmaßnahmen, signifikant erhöht.

Ist mindestens einer dieser Tatbestände erfüllt, so ist das Bauvorhaben unzulässig. Nach § 45 Abs. 7 Nr. 1 bis 7 BNatSchG kann allerdings eine Ausnahme durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständigen Behörden erteilt werden. Dabei müssen aber im Wesentlichen alle folgenden Bedingungen erfüllt sein:

  • Für das Bauvorhaben gibt es keine zumutbare Alternative.

  • Es bestehen zwingende Gründe des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art.

  • Der Erhaltungszustand der Art verschlechtert sich nicht auf biogeographischer Ebene.

3 Formale Grundlagen und Ablauf

Im generellen Ablauf einer saP (Abb. 3) bildet eine grobe Analyse, in der die möglichen betroffenen Arten herausgefiltert werden, den ersten Schritt. Dieser Teil nennt sich artenschutzrechtliche Vorprüfung. Dabei ist es nicht sinnvoll, sich nacheinander mit jeder einzelnen Art vor Ort zu befassen und diese auf einen Verbotsbestand hin zu überprüfen. Dieser Aufwand steht mit allein über 130 Anhang-IV-Arten der FFH-RL in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Besser ist, durch eine immer feiner werdende Untersuchung die betroffenen Arten Schritt für Schritt herauszufiltern. Zuerst wird das generelle Verbreitungsgebiet, dann werden die erforderlichen Lebensräume geprüft. Zum Schluss wird die Wirkungsempfindlichkeit der entsprechenden Art betrachtet. Der übliche Ablauf (vgl. StMI 2011, S. 7) sieht folgende Prüfschritte vor:

Abb. 3
figure 3

Ablauf einer saP

  • Der Wirkraum des zu untersuchenden Vorhabens liegt innerhalb oder außerhalb des bekannten Verbreitungsgebiets der europäisch geschützten Arten.

  • Wenn das Vorhaben innerhalb des Verbreitungsgebiets dieser Art bzw. mehrerer Arten liegt, erfolgt die Abschätzung ob im Wirkraum des Vorhabens der erforderliche Lebensraum bzw. Standort der Art(en) besteht (Lebensraum-Grobfilter z. B. nach Feuchtlebensräumen, Wäldern etc.).

  • Trifft auch dies zu, ist zu prüfen, ob die Wirkungsempfindlichkeit der Art vorhabensspezifisch so gering ist, dass mit hinreichender Sicherheit und ohne weitergehende Prüfung davon ausgegangen werden kann, dass keine Verbotstatbestände ausgelöst werden können.

Nach Anwendung dieses Filters erhält man eine Liste von relevanten Arten, die durch das Vorhaben betroffen sein können und für die eine Vor-Ort-Kartierung notwendig ist.

Der nächste Schritt ist eine Bestandsaufnahme. Diese sollte schon bestehende Daten (abiotisch/biotisch) auswerten und mit einer Vor-Ort-Begehung und Aufnahme in Bezug gesetzt werden. Methode und Intensität der Bestandsaufnahme sind stets im Einzelfall abzuwägen (vgl. StMI 2011, S. 10). Dabei gilt, abgesichert durch die Rechtsprechung der letzten Jahre, dass eine oberflächliche Bestandsaufnahme ungenügend ist (siehe z. B. Urteil BVerwG 2004 Az. 9 A 11.03). Für ein Bauvorhaben können so teilweise aufwendige und tiefgehende Kartierungen nötig werden (z. B. eine Greifvogelkartierung mit zehn bis 16 Begehungen innerhalb einer Vegetationsperiode). Welche qualitativen und quantitativen Erfassungsstandards bezüglich aller planungsrelevanten Artengruppen anzuwenden ist, wurde mittlerweile durch verschiedene Forschungs- und Entwicklungsvorhaben (siehe z. B. Albrecht et al. 2013) festgelegt. Aus diesen Daten lässt sich dann verlässlich ableiten, welche Betroffenheiten tatsächlich vorhanden sind. Die herausgefilterten Arten werden, entsprechend durch die Begehung oder durch die Grundlagenrecherche festgestellt, wie folgt bezeichnet (StMI 2011, S. 8).

  • Nachweis: Die Art ist im Wirkraum im Rahmen einer floristischen bzw. faunistischen Bestandserfassung nachgewiesen.

  • potenzielles Vorkommen: Ein Vorkommen der Art ist mit zumutbarem Untersuchungsaufwand nicht nachweisbar, dennoch ist es aufgrund der Lebensraumausstattung des Gebiets und der Verbreitung der Art anzunehmen.

Sind die Schritte der Bestandsaufnahme abgeschlossen und liegt eine Betroffenheit vor, werden die noch übrig gebliebenen Arten hinsichtlich der im Folgenden dargelegten Verbote geprüft.

Das Schädigungsverbot bezieht sich auf den Lebensraum der Arten. § 44 Abs. 3 BNatSchG beschreibt einen Schutz sämtlicher Fortpflanzungs- und Ruhestätten. Ausgenommen sind Nahrungs- und Jagdbereiche sowie alle Formen von Wanderkorridoren. Dabei soll in der saP geprüft werden, inwieweit die negative Wirkung das Habitat für die Art unbrauchbar macht. Zeigt die Analyse eine mögliche Entwertung von Lebensräumen, können so genannte vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) oder Vermeidungsmaßnahmen in Betracht gezogen werden. Diese helfen, eine negative Entwicklung abzufangen und den qualitativen und quantitativen Funktionserhalt auf lokaler Ebene zu gewährleisten.

Bei Störungswirkungen muss hingegen die Erheblichkeit festgestellt werden. Diese liegt vor allem dann vor, wenn sich durch die Störung der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert. Relevant sind in diesem Sinne grundsätzlich alle beunruhigenden oder aufscheuchenden Einflüsse, verursacht durch z. B. Bewegung, Lärm oder Licht (vgl. LANA 2009, S. 5), was die Reproduktionsrate langfristig reduziert. Allerdings hat nicht jede Störung die gleichen Auswirkungen auf verschiedene Populationen von Arten, da diese spezifische Raumansprüche sowie unterschiedliche Stör- und Mobilitätsradien haben. Die Planungspraxis zeigt, dass es sehr schwer ist, die Größe einer Population realistisch zu schätzen und u. a. daran den Erhaltungszustand auf lokaler Ebene zu bestimmen. Hier gilt es, durch weitere Forschung eine bessere Planungssicherheit herzustellen.

Der Tötungsgrundsatz verbietet jegliches Verletzen oder Töten von streng geschützten Arten, gleich ob dies durch bau-, anlage- oder betriebsbedingte Wirkungen passiert. Dabei wird deutlich darauf hingewiesen, dass eine einzelne versehentliche Tötung eines Individuums (vorsorgliche Vorkehrungen zur Tötungsvermeidung müssen aber Bestandteil der Planung sein) nicht den Bestand des Verbots erfüllt (vgl. Urteil BVerwG 2008, Az.9 A 14/7). Es kommt also nicht auf das einzelne Individuum an, sondern der Schutz der gesamten Population. Solange sich keine qualitative Verschlechterung dieser ergibt, ist das Vorhaben zulässig.

Einen Sonderfall nehmen mittlerweile kleine bodengebundene Arten (z. B. Amphibien, Reptilien) ein. Nach den Grundsätzen des Freiberg-Urteils (vgl. BVerwG 2011, Az.9 A 12/10) wurde das Tötungsverbot einzelner Individuen, unabhängig davon, in welcher Lebensform sie sich befinden (z. B. Eiform), noch einmal gestärkt. Diese Problematik schlägt vor allem bei baubedingten Eingriffen durch (z. B. Rodungen, Baufeldfreimachung durch schwere Maschinen). Einzelne adulte Individuen können zwar durch Nachsuche aufgefangen und umgesiedelt werden, eine erschöpfende Suche von in der Bodenschicht versteckten ruhenden Tieren oder Gelegen ist hingegen unmöglich oder nur mit immensem technischem und personellem Aufwand möglich. Somit kann der Tatbestand der Tötung in entsprechenden Habitaten nicht vermieden werden. Bauvorhaben, die solche Lebensräume beeinträchtigen, sind vom Grundsatz her unzulässig und benötigen immer eine Ausnahmegenehmigung.

4 Anforderungen an die Maßnahmen

Die saP bietet einen Katalog an verschiedenen Maßnahmen, die sich im Wesentlichen von den klassischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen unterscheiden. Notwendig sind diese, wenn trotz einer prognostizierten erheblichen Beeinträchtigung der geschützten Arten das Vorhaben nach § 45 BNatSchG umgesetzt werden soll und hierfür die prognostizierten Beeinträchtigungen auf ein unerhebliches Beeinträchtigungsniveau abgesenkt werden müssen. Je nach Phase der saP oder Anforderung setzen entweder die Vermeidungsmaßnahmen, vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustands an.

Alle erheblichen Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft sind vom Verursacher vorrangig zu vermeiden. Definiert durch § 13 BNatSchG, findet dieser Grundsatz auch in der saP Anwendung. Ein Unterschied ist dabei der artenspezifische Bezug. In der allgemeinen Eingriffs- und Ausgleichsregelung bezieht sich diese dabei auf den gesamten Naturhaushalt, also den flächigen Schutz (z. B. eines Biotopes). In der saP wird nur der Schutz einer einzelnen geschützten Art (einschließlich derer Ruhe- und Fortpflanzungsstätte) in den Mittelpunkt gestellt. Interpretiert heißt das nicht, durch eine Vermeidungsmaßnahme jede Tötung eines einzelnen Individuums zu verhindern (z. B. Kollisionsrisiko durch den Betrieb einer neuen Straße). Allerdings muss logisch und nachvollziehbar geklärt werden, wie z. B. ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko vermieden werden kann (z. B. Irritationsschutzwände entlang der Gefahrenbereiche). Vermeidung kann aber auch bedeuten, dass im Zuge des Planungsprozesses z. B. von Straßenbauvorhaben die Linienführung graduell verändert werden kann, um an etwaigen geschützten Habitaten vorbei zu führen.

Wird durch einen Schaden an Ruhe- oder Fortpflanzungsstätten von besonders geschützten Arten ein Verbot des § 44 BNatSchG gültig, können vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen die Genehmigung ermöglichen, solange die ökologische Funktion des Naturhaushalts nicht wesentlich darunter leidet. Dabei nimmt der deutsche Gesetzgeber Bezug auf das Guidance Concept (measures to ensure the continued ecological functionality) der EU. Der dort verwendete Begriff CEF-Maßnahme kann also synonym für vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen verwendet werden.

Zunächst müssen CEF-Maßnahmen schadensbegrenzenden Charakter haben, d. h. durch eine Reihe von vorbeugenden Maßnahmen auf eine Minimierung, wenn nicht gar die Beseitigung der negativen Auswirkungen einer Tätigkeit abzielen. Sie können jedoch noch weiter gehen und Maßnahmen einbeziehen, die aktiv zur Verbesserung oder zum Management einer bestimmten Fortpflanzungs-/Ruhestätte beitragen, so dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Reduzierung oder einem Verlust der ökologischen Funktionalität dieser Stätte (vgl. EU-Kommission 2007b, S. 53) oder zu einer erheblichen Minderung des Fortpflanzungserfolges kommt. Dabei beschreibt die Richtlinie die wesentlichen Merkmale der CEF Maßnahme:

  • Pflicht zur Funktionserfüllung vorgezogener Ausgleichsmaßnahmen. Der Gesetzgeber und die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Naturschutz, Landschaftspflege und Erholung (LANA) heben hier vor allem auch den Begriff der räumlich zusammenhängenden ökologischen Funktion hervor. Das bedeutet, dass keine signifikante Minderung des Fortpflanzungserfolgs oder der Ruhemöglichkeiten der betroffenen Individuengruppe sowie keine bedeutende Verringerung der Größe der lokalen Population erfolgen darf (vgl. Runge et al. 2009, S. 35). In der Planungspraxis müssen alle Fortpflanzungs- oder Ruhestätten nach Durchführung dieser Maßnahmen mindestens die gleiche (oder eine größere) Ausdehnung sowie eine gleiche (oder bessere) Qualität für die zu schützende Art haben (vgl. EU-Kommission 2007b, S. 53). Kann vorab die Wirksamkeit einer Maßnahme nicht gesichert werden (z. B. eine Besiedlung der neuen Lebensstätte erscheint unwahrscheinlich), so ist diese als CEF-Maßnahme nicht zulässig.

  • Mindestdimensionierung der erforderlichen Maßnahmen. Hier ist nicht allein die Größe des Ausgleichs wichtig, auch wesentliche Habitatelemente und deren Struktur müssen im Vordergrund stehen. Das erfordert eine Prüfung und Bilanzierung bezüglich jeder einzelnen Art, um den jeweiligen Ansprüchen gerecht zu werden. Ein Mittelspecht (Dendrocopos medius) braucht z. B. Bäume mit einer ausreichenden Mindeststärke von ca. 20 cm. Ist dieser Anspruch im Ersatzbiotop nicht vorhanden, wird der Specht sich hier nicht ansiedeln. Auch sind künstliche Habitatelemente denkbar. So ist z. B. das Aufhängen von Nistkästen eine Möglichkeit, die Qualität des Habitats zu erhöhen. Flächig sollte ein Ausgleich mit einem Verhältnis von 1:1 oder mehr bilanziert werden. Darunter sollte der Wert nur liegen, wenn von einer 100%igen Sicherheit eines Erfolgs der Maßnahme ausgegangen werden kann (vgl. EU-Kommission 2007a, S. 20).

  • Richtige Bemessung der Entfernung zwischen Ausgleich und Bestand. Das BNatSchG verlangt einen räumlich funktionalen Zusammenhang zwischen den vorgezogenen Kompensationsmaßnahmen und den gestörten/zerstörten Orten. Die neu hergestellten Strukturen müssen für die betroffene Population erreichbar sein (Mobilitätsradius, störfreier Korridor).

  • Beachtung des Zeitpunkts der Wirksamkeit von Maßnahmen. Die Verbesserung an den Fortpflanzungs- und Ruhestandorten muss so wirken, dass es zu keinem Zeitpunkt zu einer Reduzierung oder einem Verlust der ökologischen Funktionalität dieser Stätte kommt (EU-Kommission 2007b, S. 53). Um den „Time Lag“ zu vermeiden, bedarf es einer frühzeitigen Planung. In der Planungspraxis bedeutet das meist eine Herstellung der Kompensationsmaßnahme weit vor dem eigentlichen Baubeginn.

  • Sicherung vor zukünftigen Gefährdungen und Störungen. Die ausgewählten Flächen müssen in ein passendes Schutz- und Pflegekonzept eingebettet sein. Ist z. B. eine Extensivierung von Grünlandflächen als Fortpflanzungsstätten vorgesehen, kann Sukzession eine Gefährdung darstellen. Werden einwandernde Gehölze nicht durch eine entsprechende Pflege zurückgedrängt, kann dies den Charakter der Fläche verändern. Solche Veränderungen können sich negativ auf den Fortpflanzungserfolg auswirken. Pflegepläne, die Klärung der Pflegefinanzierung usw. kann helfen, dem entgegen zu wirken.

  • Erarbeiten eines Risikomanagements. Maßnahmen müssen mit großer Sicherheit ausreichen, um Beschädigungen oder Zerstörungen zu vermeiden. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten muss sich auf objektive Informationen stützen und den Besonderheiten und spezifischen Umweltbedingungen der betreffenden Stätte Rechnung tragen (EU-Kommission 2007b, S. 74). Um die geforderte Gewissheit zu gewährleisten, kann, wie beschrieben, ein Monitoring hilfreich sein. Es bietet zudem die Möglichkeit, rechtzeitig in eventuelle Fehlentwicklungen einzugreifen und ihnen entgegen zu wirken.

Bleibt eine Wirkung, trotz CEF- und/oder Vermeidungsmaßnahmen, weiterhin über der Erheblichkeitsschwelle, ist das Vorhaben unzulässig. In dem Fall muss der Weg der Ausnahmezulassung beschritten werden. Im Rahmen dieser Genehmigung können sogenannte Maßnahmen zur Sicherung des Erhaltungszustands ( FCS-Maßnahmen) unterstützend wirken. Auch hier wird wieder Bezug auf die Arbeitspapiere und Richtlinien der EU-Kommission genommen. Wesentlicher Unterschied zu den oben genannten vorgezogenen Ausgleichsmaßnahmen ist dabei der nicht unmittelbare Ansatz an den betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (vgl. LANA 2009, S. 17 f.). Neu angelegte Lebensstätten brauchen bei FCS-Maßnahmen keinen funktionalen Zusammenhang mit dem betroffenen Bestand (z. B. für die anschließende Umsiedlung der lokalen Population) mehr. Zwingende Voraussetzung ist dabei aber immer noch die Erhaltung oder Verbesserung des gegenwärtigen Zustands der Population (Status quo) nicht auf lokaler, sondern dann auf biogeographischer Ebene. Die restlichen oben beschriebenen wesentlichen Merkmale der CEF-Maßnahmen gelten ebenso für diese kompensatorischen Maßnahmen.