Zusammenfassung
Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass bereits im alten Ägypten dem Problem entzündlicher Augenveränderungen und auch deren Behandlung besondere Beachtung gezollt wurde. Erste Berichte zur Behandlung von Wundverletzungen können bis ca. 2600 v. Chr. zurückdatiert werden. Später im sog. „Papyros Ebers“ (ca. 1500 v. Chr.) wurden bereits Behandlungen mit antientzündlich wirksamen Heilpflanzen, aber auch Wirkstoffen wie Zink, Kupfer und Antimon berichtet. Sowohl eine antientzündlich ausgerichtete Behandlung des Trachoms als auch die Bedeutung der Pupillenerweiterung bei intraokularer Entzündung waren bereits als Prinzipien erkannt worden.
Die antike griechische Medizin unter Galen und Sokrates führte diese Tradition fort und fügte einige (eher wenige) Behandlungsansätze, z. B. bei Trübungen der Hornhaut, hinzu. Es sollte dann bis in das 19. Jahrhundert hinein dauern, bis Erkenntnisse aus Mikrobiologie und Immunologie einen raschen Wissensgewinn für die Genese und Behandlung entzündlicher Augenerkrankungen brachte. Die Arbeiten von Pasteur und die Entdeckung von zirkulierenden Antikörpern durch Behring und Kitasato (1890–1892) hatten nachhaltigen Einfluss auf das Verständnis infektiöser und nicht infektiöser Augenerkrankungen (◘ Abb. 1.1). In der Folge wurde das Auge eines der bevorzugten Organe zur Untersuchung entzündlicher und immunmediierter Mechanismen.
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1 Hintergrund/Diagnostische Grundkonzepte
1.1 Allgemeine Prinzipien und „Philosophie“ zur Behandlung okularer Entzündungen (engl. general principles, diagnostic concepts, history on ocular inflammation)
1.1.1 Ein Rückblick
Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, dass bereits im alten Ägypten dem Problem entzündlicher Augenveränderungen und auch deren Behandlung besondere Beachtung gezollt wurde. Erste Berichte zur Behandlung von Wundverletzungen können bis ca. 2600 v. Chr. zurückdatiert werden. Später im sog. „Papyros Ebers“ (ca. 1500 v. Chr.) wurden bereits Behandlungen mit antientzündlich wirksamen Heilpflanzen, aber auch Wirkstoffen wie Zink, Kupfer und Antimon berichtet. Sowohl eine antientzündlich ausgerichtete Behandlung des Trachoms als auch die Bedeutung der Pupillenerweiterung bei intraokularer Entzündung waren bereits als Prinzipien erkannt worden.
Die antike griechische Medizin unter Galen und Sokrates führte diese Tradition fort und fügte einige (eher wenige) Behandlungsansätze, z. B. bei Trübungen der Hornhaut, hinzu. Es sollte dann bis in das 19. Jahrhundert hinein dauern, bis Erkenntnisse aus Mikrobiologie und Immunologie einen raschen Wissensgewinn für die Genese und Behandlung entzündlicher Augenerkrankungen brachte. Die Arbeiten von Pasteur und die Entdeckung von zirkulierenden Antikörpern durch Behring und Kitasato (1890–1892) hatten nachhaltigen Einfluss auf das Verständnis infektiöser und nicht infektiöser Augenerkrankungen (◘ Abb. 1.1). In der Folge wurde das Auge eines der bevorzugten Organe zur Untersuchung entzündlicher und immunmediierter Mechanismen.
1.1.2 Grundlegende Erkenntnisse
Bereits 1906 propagierte der Ophthalmologe Anton Elschnig eine Autoimmunpathogenese der sympathischen Ophthalmie. Zusammen mit dem Immunologen Weil postulierte er, dass ein Antigen des verletzten Auges zu einer „Überempfindlichkeit“ des nicht betroffenen zweiten Auges führte. Schließlich gelang es ihnen, in tierexperimentellen Untersuchungen Uveapigment als auslösendes Antigen herauszustellen. Wenige Jahre später gelang es Karl Wessely, den nach ihm benannten immunpathologischen Hornhautprozess („Wessely-Ring “, ◘ Abb. 1.2), durch Injektion von Antigen in die Hornhaut eines sensibilisierten Kaninchens zu provozieren.
Die Hornhaut und der vordere Augenabschnitt blieben für Immunologen und wissenschaftlich interessierte Ophthalmologen, insbesondere aufgrund des „immunologischen Privilegs“, eine bevorzugte Region für Experimente, die zu grundlegenden Erkenntnissen führten. Peter Brian Medawar erkannte die Bedeutung des immunologischen Privilegs für die Allograftreaktion nach Hornhauttransplantation und den afferenten und efferenten Wege der Immunreaktion. Nur wenig später konnten Hans Goldmann und Rudolf Witmer eindrücklich zeigen, dass intraokular spezifische Antikörper gebildet werden und für die Diagnose infektiöser Augenerkrankungen genutzt werden können (▶ Kap. 5).
Stets sind die grundlegenden Arbeiten zur Immunologie entzündlicher und infektiöser Augenerkrankungen von praktischer, diagnostischer und therapeutischer Bedeutung gewesen. Darüber hinaus haben sie deutlich auf die Entwicklung der Augenheilkunde Einfluss genommen. Historische Ereignisse waren das große Problem sich epidemisch ausbreitender Erblindungen durch venerische Erkrankungen und das Trachom nach Napoleons Ägypten Feldzügen. Dies führte schließlich zur Gründung erster Krankenanstalten für Augenerkrankungen in Frankreich.
Auch heute sind entzündliche Augenerkrankungen von tiefgreifender individueller und sozioökonomischer Bedeutung. So sind z. B. die finanziellen Aufwendungen zur Therapie intraokularer Entzündungen im jungen Erwachsenenalter höher, als zur Behandlung der diabetischen Retinopathie. Diese Herausforderung wurde lange wenig beachtet. Die Diagnostik bei diesen Patienten war wenig zielführend. „Fokussuche“ und Tuberkulose standen bei den diagnostischen Maßnahmen bis in die 1950er Jahre im Mittelpunkt. Das Engagement für eine zielgerichtete Therapie der Uveitis war begrenzt. Die Einführung von Kortikosteroiden war zwar ein wichtiger Meilenstein in der Behandlung intraokularer Entzündungen, die damit verbundenen, vielfältigen Nebenwirkungen wurden jedoch auch bald erkannt und begrenzten den initialen Erfolg.
1.1.3 Die Herausforderung
Der sprunghafte Wissenszuwachs zu Beginn des 20. Jahrhunderts und das große Interesse an immunmediierten Mechanismen am Auge lebte in den 1970er- und 80er Jahren wieder auf. Neue Erkenntnisse zur Genese von Autoimmunerkrankungen, die genetischen Grundlagen und die HLA-Disposition für bestimmte Erkrankungen, aber auch die Wechselwirkungen zwischen Infektionserregern und Immunsystem standen im Fokus des Interesses. Für die praktische Betreuung des Patienten ergaben sich sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie neue Ansätze. Eine konsequente, „maßgeschneiderte Diagnostik“ begann sich z. B. für intraokulare Entzündungen zunehmend durchzusetzen. Die Orientierung an Leitbefunden und eine zielgerichtete Labordiagnostik zum Ausschluss infektiöser Erkrankungen unter Einbeziehung von genetischen Prädispositionen (HLA-B27, HLA-A29) wurden Routine (▶ Kap. 5). Mit zunehmend spezifischeren Wirkstoffen, wie Ciclosporin A, wurden konsequent neue Erkenntnisse für die Behandlung der Patienten umgesetzt. Die Bedeutung interdisziplinärer Zusammenarbeit wurde zunehmend erkannt und führte zur Etablierung von „Uveitis“- und „Entzündungszentren“Footnote 1. Dies hat sich in den letzten Jahren auch für die Anwendung neuer Wirkstoffe niedergeschlagen. Die rasanten Fortschritte in der Behandlung von Autoimmunerkrankungen aus Rheumatologie, Dermatologie und Neurologie sind mit zeitlicher Verzögerung auch für die Ophthalmologie bedeutsam geworden. Das Interesse am „Immunorgan Auge“ ist erkennbar, wenngleich bedauert werden muss, dass dies oft deutlich zeitlich verzögert ist, und das ursprüngliche „Modellorgan“ Auge für immunologische Erkenntnis eher in den Hintergrund rückte.
1.1.4 Die Perspektive
Die herausgehobene Bedeutung des Sinnesorgans Auge und die große Bedeutung entzündlicher und infektiöser Erkrankungen des Sinnesorgans erfordern weitere Anstrengungen. Fortschritte in molekularbiologischer Diagnostik erlauben uns heute, rasch den Nachweis von spezifischen Erregern zu erbringen. Gleichzeitig muss jedoch erkannt werden, dass die Herausforderung, z. B. mit einem minimalen Probenvolumen umzugehen und die Anforderungen im routinemäßigem Diagnostikverfahren, nicht immer adäquat berücksichtigt werden. Mikrobiologische Labore, die lange Zeit Bestandteil von Augenkliniken waren, sind heute weitgehend verschwunden. Dies liegt z. T. auch an verbesserten therapeutischen Möglichkeiten. Hocheffektive, breit wirksame Lokalantibiotika und Antiinfektiva haben dazu beigetragen, dass die Primärtherapie, z. B. bei Keratitis, häufig ohne vorherige, adäquate mikrobiologische Diagnostik erfolgt (▶ Kap. 5). Neue diagnostisch verwendbare Techniken, wie die konfokale Mikroskopie, sind zusätzlich hervorzuheben und ermöglichen einen unmittelbar morphologischen Befund, z. B. bei parasitären Hornhautinfektionen.
Die Behandlung von autoimmunologischen Erkrankungen des Auges wird vermutlich von der zunehmenden Armada hochspezifischer Wirkstoffe, insbesondere der Biologika, die bisher ausschließlich aus anderen Fachbereichen stammen, profitieren. Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alle dieser Therapeutika in den unterschiedlichen Organsystemen ähnlich effektiv sind. „Überraschungen“ in klinischen Studien zeigen, dass nicht unbedenklich Ergebnisse aus experimentellen und klinischen Studien an anderen Organsystemen 1 : 1 übertragbar sind.
Ebenfalls zu erwarten ist, dass die Bedeutung individueller patientenspezifischer Faktoren wichtig wird. Dies kann sowohl für genetische Prädispositionen, z. B. für Infektionen, als auch für immunologische Fehlsteuerungen relevant werden. Für beide Situationen könnten sich Konsequenzen für Diagnostik, Behandlung und Prognose unserer Patienten ergeben.
1.1.5 Offene Fragen
Viele „einfache“ Fragen, die oft von Patienten gestellt werden, können nicht beantwortet werden. Welche Rolle kommt z. B. „Umwelteinflüssen“ zu? Spielen äußere Faktoren wie „Stress“ für Manifestation und Verlauf, z. B. bei intraokularer Entzündung, eine Rolle? Die Wechselwirkungen des Neuroendokrinen- und Immunsystems sind im Bereich der Augenheilkunde trotz vieler Hypothesen weitgehend unbekannt. Es ist keine Frage, dass viele Wissenslücken existieren.
Eine weitere wichtige Herausforderung ist das Interesse und die klinisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung mit entzündlichen Augenerkrankungen bei jungen Kollegen zu wecken. Die raschen und spektakulären Erfolge refraktivchirurgischer Maßnahmen können zwar nicht geboten werden. Die intellektuellen Leistungen von Ophthalmologen und Kollegen aus anderen Fachbereichen zeigen allerdings, dass das Sinnesorgan Auge einen eigenen „Mikrokosmos“ für wissenschaftliche Fragestellungen darstellt. Dies hat früher oder später zur besseren Behandlung unserer Patienten beigetragen.
1.2 Grundzüge: Immunologie/Entzündung (engl. basics of clinical immunology, inflammation pathways)
Das vordere Augensegment ist einem täglichen Ansturm von potentiellen Pathogenen, Allergenen und toxischen Substanzen ausgesetzt. Um Schädigungen des Auges zu verhindern, existiert eine hochwirksame Schleimhautbarriere der Augenoberfläche, die aus komplexen mechanischen und funktionellen Abwehrmechanismen zusammengesetzt ist. Diese Abwehrmechanismen sind jedoch nicht ausschließlich protektiv wirksam, sondern können im Rahmen von teils autoreaktiven Entzündungsreaktionen auch selbst Schädigungen der Schleimhaut und der darunter liegenden Gewebe des Auges verursachen. Aus diesem Grund existieren differenzierte Regulationsmechanismen, die eine adäquate Abwehr steuern und überschießende Entzündungsreaktionen unterbinden sollen. Diese Immunbalance ist nicht nur von herausragender Bedeutung für einen Schutz der Augenoberfläche sondern aller okulären Gewebe und eine unbedingte Voraussetzung zum dauerhaften Erhalt der Sehfunktion.
1.2.1 Schleimhautabwehr
Die Augenoberfläche des vorderen Augensegments enthält verschiedene Abwehrmechanismen, die in angeborene und erworbene Mechanismen eingeteilt werden können. Da zunehmend verstanden wird, dass beide Abwehrsysteme durch zahlreiche funktionelle Schnittstellen vernetzt sind, ist es sinnvoll, die Abwehrmechanismen gemäß ihrem Lokalisationsort und dem Weg potentieller Pathogene in das vordere Augensegment darzustellen. Im Folgenden werden daher die Abwehrmechanismen von Tränenfilm, Epithel und Bindehaut bzw. Hornhautstroma nacheinander beschrieben.
1.2.1.1 Tränenfilm
Der Tränenfilm enthält nach heutigem Kenntnisstand ungefähr 400 verschiedene Substanzen. Eine Abwehrfunktion besitzen vor allem antimikrobielle Peptide sowie Muzine und Immunglobuline (v. a. IgA). Antimikrobielle Peptide, wie Lysozym, Laktoferrin, Beta-Defensine, MMP7 u. v. m., werden zum angeborenen Immunsystem gezählt und erzeugen z. B. die Bildung von letal wirkenden Poren in der Zellwand von Mikroorganismen. Interessanterweise sind aufgrund dieses Wirkmechanismus Resistenzen, wie z. B. gegenüber Antibiotika, praktisch unbekannt. Antimikrobielle Peptide wirken außerdem chemotaktisch auf Zellen des erworbenen Immunsystems (APCs und T-Zellen), was die angesprochene enge funktionelle Vernetzung zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem, demonstriert.
Muzine
Muzine sind Peptide, die viele unterschiedliche Zuckerseitenketten enthalten und somit zahlreiche Bindungsstellen sowohl für Interaktionen mit Körperzellen der Augenoberfläche als auch Pathogenen aufweisen. Aktuell sind 19 verschiedene Muzine bekannt, die in Gel-bildende und Membran-gebundene Muzinen eingeteilt und von allen Epithelzellen der Augenoberfläche, inklusive Becherzellen, sezerniert werden und/oder in der Zellmembran verankert sind. Muzine wirken dabei sowohl als benetzender, da hydrophiler Bestandteil des Tränenfilms, aber interagieren auch mit den auf der Augenoberfläche lokalisierten Mikroorganismen, die über ihre Bindungsstellen an die Epitope der Muzine koppeln. Muzine umhüllen Bakterien mit einem Film, verhindern damit eine Bindung an das Epithel und fördern anschließend die Clearance der „inaktivierten“ Erreger von der Augenoberfläche über die ableitenden Tränenwege. Eine Sonderstellung nehmen sog. Trefoil-Factor-Peptide (TFF-Peptide) ein, die eine Verbindung zwischen unterschiedlichen Muzinmolekülen herstellen und damit die Viskosität des Gelfilms deutlich beeinflussen können. TFF-Peptide werden bei verschiedenen Entzündungen der Augenoberfläche exprimiert und fördern außerdem die epitheliale Wundheilung, was im Falle von Entzündungen den Strukturerhalt der Abwehrbarriere unterstützt.
Surfactant Proteine A-D
Sie gehören zur Gruppe der Collectine und sind erst kürzlich im Tränenfilm nachgewiesen worden. Außer der Beeinflussung der Tränenfilm-Rheologie binden Surfactant Proteine an die Oberfläche von Mikroorganismen und sollen so zu einer Inaktivierung oder Eliminierung der Erreger durch Phagozytose oder durch eine Komplementaktivierung führen. Im Tränenfilm sind außerdem Immunglobuline (physiologisch in absteigender Menge: sIgA > IgE > IgG > IgM) enthalten. sIgA bindet hierbei an Mikroorganismen und verhindert dadurch eine Kolonisierung auf der Augenoberfläche. Entzündungen führen zu einem deutlichen Anstieg der Immunglobulinkonzentrationen in der Tränenflüssigkeit.
1.2.1.2 Bindehaut-, Hornhaut- und Tränenwegsepithel
Zusätzlich zum Tränenfilm bildet das Epithel von Bindehaut, Hornhaut und ableitenden Tränenwegen eine dünne, jedoch sehr widerstandsfähige Barriere gegenüber potentiellen Pathogenen. Sowohl die Epithelzellen als auch intraepitheliale Immunzellen tragen dabei zur Abwehr bei. Ausgehend von einem mikrobiellen Reiz exprimieren und sezernieren Epithelzellen dabei Teile der oben beschriebenen Muzine und antimikrobielle Peptide, die damit eine direkte Abwehrfunktion erfüllen. Weiterhin werden sog. Toll-like Rezeptoren exprimiert, die im Falle eines Kontakts mit zumeist mikrobiellen Erregern intrazelluläre Signalkaskaden mit einer nachfolgenden Entzündungsreaktion auslösen.
Epithelzellen können außerdem unter bestimmten Umständen MHCII Moleküle herstellen, wodurch sie eine aktive Rolle bei der Antigenpräsentation im Rahmen von Entzündungsreaktionen erfüllen. Vor allem im Bindehautepithel sind zahlreiche Immunzellen (vor allem CD4+ und CD8+ T-Zellen, aber auch Langerhanszellen und andere APCs) lokalisiert. Intra- und subepitheliale Plasmazellen sezernieren Immunglobuline, die anschließend im Tränenfilm nachweisbar sind. T-Zellen patrouillieren innerhalb der Basalzellschicht die Epithelbarriere und kontaktieren dabei einzelne Epithelzellen. Pathogene, die den Tränenfilm und die oberste Epithelzellschicht überwunden haben, werden so noch vor Durchdringung der Basalmembran erkannt und ggf. abgetötet und/oder phagozytiert. Im Rahmen einer spezifischen Immunantwort erfolgt dann die Präsentation gegenüber anderen Immunzellen. Diese klassische Reaktion des erworbenen Immunsystems findet sowohl im Konjunktiva-assoziierten lymphatischen Gewebe als auch in den regionalen Lymphknoten statt.
1.2.1.3 Bindehaut und Hornhautstroma
In der Bindehaut findet man sog. diffuses und organisiertes lymphatisches Gewebe. Dieses besteht aus räumlich unterschiedlich, jedoch funktionell speziell angeordneten T-Zellen, B-Zellen und Antigen-präsentierenden Zellen (Eine detaillierte Charakterisierung der einzelnen Immunzelltypen befindet sich im ▶ Abschn. 5.1.2). Das diffuse Konjunktiva-assoziierte lymphatische Gewebe verteilt sich mit locker angeordneten Lymphozyten und Makrophagen entlang der Schleimhaut der gesamten Augenoberfläche. Lokalisiert kommen jedoch auch physiologisch Lymphfollikel vor, die das organisierte Konjunktiva-assoziierte lymphatische Gewebe (syn. CALT) bilden. CALT besteht aus einem Lymphfollikel mit einer zentralen B-Zell-Zone, die von zahlreichen CD4+ und CD8+ T-Zellen umgeben ist. In tierexperimentellen Studien sind außerdem viele regulatorische T-Zellen (Tregs) in enger räumlicher Nähe zu CALT beschrieben worden. Der Follikel enthält weiterhin dendritische Zellen, und ist direkt unter dem Epithel der Bindehaut lokalisiert (◘ Abb. 1.3). Das Epithel weist zahlreiche intraepitheliale Taschen auf, die CD4+ und CD8+ T-Zellen enthalten und von sog. M-Zellen gebildet werden sollen. Die Existenz dieser M-Zellen wird zwar kontrovers diskutiert, konnte jedoch kürzlich durch funktionelle in-vivo Aufnahmen belegt werden.
CALT stellt nach bisherigem Verständnis eine immunologische Schnittstelle dar, die eine sog. immunosensorische und regulatorische Aufgabe erfüllt. Im Rahmen der immunosensorischen Funktion werden Antigene über M-Zellen kontrolliert aufgenommen und durch immunkompetente Zellen verarbeitet und präsentiert. Innerhalb des Follikels und weiterhin im regionalen Lymphknoten kommt es dann zu einer Aktivierung und Expansion von T- und B-Zellen sowie einer Emigration der aktivierten Zellen in den Körperkreislauf. Nach weiterer Reifung der Zellen und Rezirkulation migrieren die Effektor- und Plasmazellen dann über lokale Adhäsionsmolekül-exprimierende Blutgefäße wieder in die Zielregion der Augenoberfläche und greifen in Abwehrprozesse ein. Damit diese immunologischen Abwehrprozesse nicht im Rahmen von überschießenden Reaktionen Gewebeschädigungen verursachen, existieren weiterhin sog. regulatorische T-Zellen (und bislang am Auge noch nicht nachgewiesene regulatorische B-Zellen), die eine Immunreaktion auf verschiedene Arten vermindern können. Sie tragen so zur wichtigen immunologischen Homöostase bei. Da regulatorische T-Zellen in Mukosa-assoziierten lymphatischen Geweben gebildet werden, ist naheliegend, dass CALT somit als Schnittstelle zwischen Immunaktivierung und -regulation fungiert.
1.2.1.4 Immunprivileg am vorderen Augensegment
Das bestehende Immunprivileg am vorderen Augensegment (Anterior-chamber associated Immune Deviation, ACAID), das sich auch auf die Hornhaut bezieht, wird in ▶ Abschn. 5.1.2 gesondert betrachtet und detailliert erläutert. In diesem Zusammenhang wurde in den vergangenen Jahren das angiogene Privileg der Hornhaut als weiterer, klinisch höchst bedeutsamer Faktor für das immunologische Gleichgewicht erkannt.
1.2.2 Entzündung
Jede Schädigung der Augenoberfläche führt zu einer Entzündungsreaktion , die entsprechend dem Auslöser einen immunologischen und/oder nicht-immunologischen Charakter haben kann. Als Entzündungsauslöser können mechanische, toxische, physikalische und chemische Reize sowie infektiöse, allergische und autoimmune Auslöser vorkommen (◘ Tab. 1.1).
Ultrastrukturelle, molekularbiologische, genetische u. a. Untersuchungen von Bindehaut- und Hornhautgeweben sowie der Tränenflüssigkeit bei unterschiedlichen Entzündungen zeigen teilweise typische Veränderungen, die ein äußerst komplexes Bild vermitteln (▶ Abschn. 5.1.2). Grundsätzlich sind am vorderen Augenabschnitt folgende (insbesondere therapeutischen Maßnahmen zugängliche) pro- und anti-inflammatorische Mechanismen bekannt:
-
1.
Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen (MMPs),
-
2.
Induktion autoreaktiver T-Zellen,
-
3.
Ausschüttung pro-entzündlicher Faktoren (Interleukine, Chemokine, etc.),
-
4.
Lymph- und Hämangiogenese,
-
5.
Anflutung und Aktivierung von Antigen-präsentierenden Zellen,
-
6.
Bildung immunregulatorischer T-Zellen,
-
7.
Expression von Chemokin- und Homingrezeptoren (◘ Abb. 1.4).
Die meisten dieser Mechanismen werden im klinischen Alltag nicht routinemäßig untersucht, jedoch gibt es aktuelle Entwicklungen, die eine Charakterisierung und Graduierung von Entzündungen des vorderen Augenabschnitts in Aussicht stellen. Dies sind zum einen Immunoassey-Schnelltests, die eine unmittelbare Messung von z. B. MMP-9 im Tränenfilm beim Trockenen Auge zulassen als auch nicht-invasive Bildgebungsverfahren (▶ Abschn. 1.1.5).
1.3 Korrelation: (Leit)befund-Morphologie bei Konjunktivitis /Keratitis (engl. key features, conjunctivitis, keratitis)
Am äußeren Auge können sich praktisch alle Infektionserreger manifestieren. Der Augenarzt kann mit der hochauflösenden Vergrößerung an der Spaltlampe, d. h. der Biomikroskopie, die Lokalisation, den Typ und den Zugang von Entzündungen definieren.
Unter Berücksichtigung von Krankheitsverlauf und demographischen Parametern lässt sich eine weitgehende differentialdiagnostische Einengung infektiös bedingter Erkrankungen erreichen, und es können Leitbefunde festgelegt werden, aufgrund derer eine spezifische Diagnostik und kalkulierte empirische Soforttherapie möglich ist. Die betroffenen Gewebe sind zudem einer visuellen klinischen Diagnostik mit Photodokumentation und anderen bildgebenden Verfahren, wie Confoscan und OCT, zugänglich.
Nur durch diese genaue biomikroskopische Befundaufnahme, Dokumentation und morphologische Klassifizierung in
-
exogene direkte,
-
endogene fortgeleitete,
-
lokale fortgeleitete und
-
infektionsassoziierte
Infektionen und Entzündungen, können häufig unnötige und kostenintensive diagnostische und therapeutische Maßnahmen vermieden werden.
1.4 Stellenwert der mikrobiologischen Labordiagnostik bei Konjunktivitis und Keratitis (engl. microbiology conjunctivitis, keratitis)
1.4.1 Mikrobiologie des vorderen Augenabschnittes
Das gesunde Auge weist trotz starker Exposition gegenüber exogenen Mikroorganismen eine erstaunlich geringe natürliche mikrobielle Flora auf. Kornea, Konjunktiva sowie Lidränder sind beim gesunden Menschen mit nur geringen Zahlen an typischen Vertretern der Hautflora besiedelt. I. d. R. prädominieren Corynebacterium spp., Propionibacterium spp., Koagulase-negative Staphylokokken sowie in wechselndem Anteil Vertreter der physiologischen Oropharyngealflora wie apathogene Neisseria spp. und vergrünende Streptokokken, die z. B. endogen mehrmals am Tag über die Finger als Vehikel zum Auge getragen werden. Auf der Außenseite der Lider ist die normale physiologische Flora der Haut zu finden.
Die Ursache für die geringe mikrobielle Besiedelung des Auges liegt in der speziellen Zusammensetzung des Tränenfilms sowie zu einem Teil im permanent stattfindenden Spüleffekt. Dabei ermöglicht die im Tränenfilm enthaltene Kombination aus Lactoferrin , sekretorischem Immunglobulin A, Komplementsystem, Lysozym und dem Lactoperoxidase-Thiocyanat-Wasserstoffperoxid-System eine antimikrobielle Wirkung, ohne dabei durch chronische Entzündungsprozesse den natürlichen Visus zu behindern. Üblicherweise beträgt der Lactoferrinanteil 25 % (w/w) des gesamten Proteingehaltes mit einer Konzentration von 2,2 mg/mL Tränenflüssigkeit. Je nach zusätzlich bestehender Grundkrankheit kann die Lactoferrinkonzentration starken Schwankungen von 0,63 bis 2,9 mg/mL Tränenflüssigkeit unterworfen sein. Mit zunehmend hohem Alter, aber auch bei Vorliegen systemischer Erkrankungen wie Sjögren Syndrom, Diabetes mellitus, myotonisch muskulärer Dystrophie, allergischer Konjunktivitis, Trachom, Herpes-simplex-Virus-Keratitis, HIV-Erkrankung, chronischer Hepatitis C, lepröser Typ 2 Reaktion oder okularem Pemphigiod ist der Lactoferrinanteil deutlich erniedrigt.
Entzündungen im vorderen Augenabschnitt können durch infektiöse oder nicht-infektiöse Ursachen bedingt sein. Zu den häufig befundeten bakteriellen Erreger einer Konjunktivitis mit und ohne Blepharitis zählen Staphylococcus aureus, beta-hämolysierende Streptokokken, Streptococcus pneumoniae, Haemophilus influenzae, Chlamydia trachomatis sowie Pseudomonaden und Enterobakterien. Abhängig von geographischer Lage und speziellen Populationen können auch Haemophilus influenzae sub. aegyptius, Moraxella lacunata, Neisseria gonorrhoeae, N. meningitidis, Corynebacterium diphtheriae, Listeria monocytogenes, aerobe und anaerobe Aktinomyzeten, Francisella tularensis, Mycobacterium tuberculosis oder Treponema pallidum eine infektiöse Konjunktivitis verursachen. Infektionen durch atypische Mykobakterien sind zwar noch selten, durch LASIK-Eingriffe in den vergangenen Jahren jedoch häufiger zu beobachten.
Eine isolierte Keratitis kann durch Mycobacterium leprae, Acanthamoeba spp., Onchocerca volvulus sowie Candida spp. und Aspergillus spp. verursacht sein. Virale Erreger wie Adeno-, Herpes- oder Enteroviren zählen vermutlich zu den häufigsten infektiösen Ursachen und führen meist zu einer kombinierten Kerato-Konjunktivitis. Eine indirekt durch Infektionen verursachte Entzündung des vorderen Augenabschnittes kann zudem nach Darminfektionen mit Shigella spp. oder Yersinia spp. sowie im Zusammenhang mit einer reaktiven Arthritis infolge abgelaufener Infektion mit Chlamydia trachomatis, Campylobacter spp. oder Salmonella spp. als Reiter Syndrom auftreten. ◘ Tabelle 1.2 gibt einen Überblick über die wesentlichsten Mikroorganismen als Ursache von Infektionen des vorderen Augenabschnittes.
Im Vergleich zur infektiösen Konjunktivitis sind die Konsequenzen der Keratitis deutlich bedrohlicher. Aufgrund der akuten Gefahr eines Visus-Verlustes ist es wichtig, infektiöse Konjunktivitiden von Keratitiden zu unterscheiden. Dabei spielen zunächst die Möglichkeit einer mikrobiologischen Diagnostik weniger eine Rolle als die anamnestischen Angaben und die Klinik. Eine Übersicht der wesentlichen klinischen Unterschiede zwischen einer infektiösen Keratitis und Konjunktivitis sind in ◘ Tab. 1.3 gegenüber gestellt. Daneben können morphologische Aspekte auch ansatzweise bakterielle Konjunktivitis-Erreger abschätzbar machen (◘ Tab. 1.4).
1.4.2 Mikrobiologische Labordiagnostik bei Verdacht auf infektiöse Konjunktivitis
Die mikrobiologische Diagnostik (◘ Tab. 1.5) bei Infektionen des Auges wurde rezent in der entsprechenden S2-Leitlinie Deutscher Fachgesellschaften bewertet und dargelegt. Die Leitlinie hat bis 2016 Gültigkeit und empfiehlt bei Verdacht auf bakterielle Konjunktivitis, die klinische Diagnose durch eine mikrobiologische Untersuchung zu ergänzen.
Bei der Probenentnahme ist darauf zu achten, dass keine falsch negativen Ergebnisse durch zuvor applizierte (konservierungsmittelhaltige) Lokalanästhetika, Antibiotika oder Antiseptika entstehen.
Häufige Fehlerquellen bei Abnahme und Transport sind in ◘ Tab. 1.6 dargestellt.
Mit einem Abstrichtupfer (z. B. Dacron- oder Alginattupfer) ist nach Abziehen des Unterlides unter Verwendung frisch angelegter Einmaluntersuchungshandschuhe die gesamte Länge des unteren Fornix abzustreichen, wobei der Abstrichtupfer für einige Sekunden bis zur vollständigen Durchtränkung im Fornix belassen werden soll. Um die Austrocknung empfindlicher Mikroorganismen zu verhindern oder Schädigungen durch Oxidation zu minimieren, sollte allerdings auch bei nur kurzen Transportwegen ein Abstrichtupfer mit Transportmedium eingesetzt werden. Im Sinne der verbesserten Interpretierbarkeit des Befundes wird sinnvollerweise empfohlen, bei einseitiger Konjunktivitis mit einem zweiten Abstrichtupfer auch einen Abstrich des zweiten Auges abzunehmen.
Getrennte Abstriche von den Lidkanten werden nicht mehr empfohlen.
Die Fachgesellschaften empfehlen bei chronischen Konjunktivitiden und granulomatösen Prozessen zur Diagnosestellung die Materialgewinnung mittels Biopsie, wobei Probengewinnung mittels Kimura-Spatel oder Hockeymesser zur mikroskopischen und zytologischen Untersuchung oft rasch eine Differenzierung zwischen infektiösen und malignen Prozessen ermöglichen kann.
Als Labormethoden steht bei eitriger Konjunktivitis die Fertigung eines Grampräparates zur Verfügung, was oft einen schnellen Hinweis auf einen möglichen bakteriellen Erreger liefern kann. Bei Verdacht auf Infektion mit N. gonorrhoeae ist besonders auf kurze Transportzeiten oder die Verwendung spezieller Transportmedien mit Amies-Kohle Medium zu achten. Bei granulomatöser Konjunktivitis mit oder ohne begleitende Lymphadenopathie muss insbesondere an Infektionen durch Pasteurella spp. und Bartonella spp., entsprechend der Anamnese zusätzlich auch an eine Infektion durch Francisella tularensis (Jäger, Kontakt mit Nagetieren) gedacht werden.
Bei Verdacht auf Vorliegen eines Trachoms (auch: ägyptische Körnerkrankheit oder trachomatöse Einschlusskonjunktivitis) durch Infektion mit Chlamydia trachomatis Serotyp A bis C stehen, wie auch z. T. bei den anderen genannten Erregern, kulturelle Verfahren mittels Anzüchten des Erregers in Zellkulturen, die sich auch zum direkten Nachweis von viralen Erregern wie HSV eignen, mikroskopische Verfahren mittels Giemsa-Färbung, direkte Immunfluoreszenztests, Immunoassays oder molekularbiologische Methoden zur Verfügung.
Das klinische Bild einer Infektion mit Chlamydia trachomatis Serotyp D–K, der sog. okularen C. trachomatis-Infektion (OCI) oder auch Schwimmbadkonjunktivitis, ist nicht so ausgeprägt wie beim Trachom. Da zudem andere Therapieoptionen erforderlich sein können, sollte eine mikrobiologische Labordiagnostik zur Bestätigung des klinischen Verdachtes erfolgen. Da die Erreger interzellulär vorliegen, sollten möglichst große Mengen an Bindehautzellen gewonnen werden. Dazu wird am ektropionierten Oberlid (◘ Abb. 1.5) das Epithel mit einem Bürstchentupfer angeraut und das gewonnene Material mit einem Watteträger auf einen Spezialobjektträger gebracht. Da die Erreger auch im Nasen-Rachen-Raum sitzen, kann ein zusätzlicher Nasenabstrich die Trefferquote weiter erhöhen.
Das gewonnene Material kann im Labor mittels verschiedener Untersuchungsmethoden verarbeitet werden. Das Anlegen des Probenmaterials in einer McCoy-Zellkultur zum Nachweis von charakteristischen Einschlusskörpern gilt als Referenzmethode. Chlamydien-Einschlusskörper werden nach 2–3 Tagen, manchmal bis zu einer Woche, mittels Färbungen (Immunfluoreszenz, Iod- oder Giemsafärbung) sichtbar gemacht.
Eine schnellere und weniger aufwendige Methode ist die Durchführung einer spezifischen Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR). Hierbei ist bei der Befundinterpretation zu beachten, dass nicht nur vitale, sondern auch devitale Erreger nachgewiesen werden. Daher kann eine Chlamydien-positive PCR auch bei klinisch gesunden Personen vorliegen.
Billiger und noch schneller ist die direkte Immunfluoreszenz-Antikörper-Technik (DFA, DIF), die eine ausreichend hohe Sensitivität und Spezifität aufweist. Letztlich stehen noch Immunperoxidasetests (IPO) oder Enzyimmunoassay (EIA) zur Verfügung.
1.4.3 Mikrobiologische Labordiagnostik bei Verdacht auf infektiöse Keratitis
Zur mikrobiologischen Bestätigung des Verdachts einer infektiösen Keratitis soll ein mehrstufiges Materialgewinnungsverfahren eingesetzt werden. Dabei soll zunächst ein Konjunktivalabstrich mit je einem Abstrichtupfer von beiden Augen abgenommen werden. Anschließend wird mit einem weiteren Abstrichtupfer, Kimura-Spatel oder Hockeymesser Material vom Ulkus und vom Ulkusrand gewonnen. Insbesondere bei Verdacht auf eine mykotische Keratitis (◘ Tab. 1.7) sollte bei Materialgewinnung mittels Kimura-Spatel oder Hockeymesser darauf geachtet werden, auch ausreichend subepitheliales Material vom Ulkusrand zu gewinnen, um vitale Pilzelemente mit zu erfassen (▶ Abschn. 1.1.5). Für zusätzliche Untersuchungen auf Akanthamöben sind weitere getrennte Proben erforderlich, wobei zusätzlich eine Keratektomie oder exzisionale kurative Keratoplastik mit histopathologischer Aufarbeitung zur Diagnosesicherung notwendig werden kann. Falls möglich, sollte gleich am Ort der Abnahme ein mikroskopisches Präparat angefertigt werden und das gewonnene Kornea-Abrasiomaterial in ein flüssiges oder auf ein festes Transportmedium gegeben werden. Bei generellem Verdacht auf bakterielle Erreger soll neben der direkten Mikroskopie das eingesendete Material auf (Columbia-)Blut- und Kochblutagarplatten 3 bis 4 Tage bei 36 °C in 5–10 % CO2 und täglicher Ablesung sowie in angereicherter Hirn-Herz-Bouillon bebrütet werden.
Bei klinischem Verdacht auf Vorliegen einer viralen Keratitis reicht ein einstufiges Vorgehen. Hierbei kann wieder ein Abstrich durchgeführt werden oder direkt Tränenflüssigkeit kontaminationsfrei entnommen und der Virusdiagnostik zugeführt werden. Das Abtragen von Korneamaterial soll bei Vorliegen des Verdachts einer viralen Keratitis unterbunden werden, da durch diese Maßnahme eine Kornea-Stromainfektion durch z. B. Herpesviren begünstig werden kann. Bei Keratouveitis kann ein intraokularer Erregernachweis v. a. durch lokale Antikörperbildung ggf. PCR hilfreich sein.
Praxistipp
Praktisches Vorgehen bei intraokularer Infektionsdiagnostik (nach Pleyer und Behrens-Baumann 2007):
-
1.
Für Anzucht (Bakterien und Pilz): unverdünnte Probe mit mindestens 10 μl einsenden oder direkt beimpfen
-
2.
Für Antikörpernachweis/PCR unverdünnte Probe mit einer (Tuberkulin-)Spritze einsenden (je 100–200 μl) für Bakterien, Pilze und Viren
-
3.
Bei Kontaktlinsenträgern: Kontaktlinsen-Behälter und Flüssigkeit einsenden
1.4.4 Beurteilung mikrobiologischer Untersuchungsverfahren
Alle genannten Untersuchungsmethoden weisen hinsichtlich Sensitivität und Spezifität Vor- und Nachteile auf, setzen mehr oder weniger viel Erfahrung in der Durchführung voraus und können teilweise je nach Ergebnis noch weiterführende Bestätigungsuntersuchungen erforderlich machen.
Grundsätzlich sollte von sog. „Routineeinsendungen“ abgesehen werden. Ohne weiterführende Informationen kann die mikrobiologische Diagnostik auch im Falle des Nachweises einer oder mehrerer Mikroorganismen in ihrer Aussage hinsichtlich der klinischen Relevanz limitiert sein. Ohne klare Fragestellung gibt der mikrobiologische Standardbefund i. d. R. lediglich Angaben über Genus (Gattung) und ggf. die Spezies (Art) der Mikroorganismen einschließlich ihrer Empfindlichkeit gegen ausgewählte Antibiotika an. Angaben über das Vorliegen oder Fehlen von speziellen Pathogenitätsfaktoren fehlen, falls nicht gesondert erwünscht. Daher kann z. B. von einem mikrobiologischen Nachweis eines Corynebacterium diphtheriae Isolates allein noch keine Aussage über seinen Krankheitswert und die Notwendigkeit weiterführender, evtl. invasiver Maßnahmen abgeleitet werden. Neben der individuellen Klinik des Patienten kann es u. U. auch entscheidend sein, ob der isolierte Stamm in der Lage ist, Diphtherie-Toxin zu bilden. Die vier relevanten Subspezies C. diphtheriae mitis, C. diphtheriae intermedius, C. diphtheriae gravis und C. diphtheriae belfanti unterscheiden sich nur geringfügig in ihrer Morphologie und ihren biochemischen Eigenschaften, alle vier können jedoch stammabhängig entweder Toxinbildner sein oder die Fähigkeit, das Diphtherie-Toxin zu bilden, nicht besitzen.
Die Qualität der mikrobiologischen Diagnostik wird umso besser, je konkreter die Fragestellung und klinische Verdachtsdiagnose sind.
Die mikrobiologische Diagnostik kann dabei einen Verdacht mehr oder minder rasch, je nach eingesetzter Methode, bestätigen oder ausschließen. Welche Methode der Probengewinnung und -verarbeitung am geeignetsten ist, hängt damit wesentlich von der Verdachtsdiagnose und der klinischen Fragestellung ab. Daher ist eine gute und enge Kommunikation mit dem eigenen mikrobiologischen Labor von entscheidendem Vorteil. Erst durch Kenntnis der machbaren diagnostischen Leistungen des eigenen Labors einerseits und durch Wissen der klinischen Relevanz für die weiterführende Behandlung des Patienten andererseits, kann eine optimale und punktgerichtete Materialgewinnung und -verarbeitung realisiert werden.
1.5 Bildgebende Diagnostik bei entzündlichen Augenerkrankungen (engl. Confocal microscopy, diagnostic procedure, imaging techniques)
1.5.1 Stellenwert der konfokalen Mikroskopie
Die moderne in vivo konfokale Mikroskopie ermöglicht eine differenzierte Diagnostik bei entzündlichen Augenkrankheiten im vorderen Augenabschnitt. Die Technologie erlaubt eine nicht-invasive Untersuchung in der Patientenbetreuung sowie im Tierexperiment. Diese Untersuchung ist nicht mehr nur eine „Labormikroskopie“, sondern eine etablierte klinische Untersuchungsmethode. Bestimmung der Zellzahl, Darstellung des subbasalen Nervenplexus, Differentialdiagnose von verschiedenen Zellpopulationen, zwei- und drei-dimensionale Rekonstruktion sowie on-line 2D-Mapping sind die vielversprechenden Möglichkeiten der modernen konfokalen Mikroskopie.
1.5.2 In vivo konfokale Mikroskopie der normalen Bulbusoberfläche
Eine Beurteilung der Hornhaut und Bindehaut ist ein fester Bestandteil der augenärztlichen Diagnostik. Die traditionelle mikromorphologische Untersuchung erfolgt mittels invasiver Gewebeentnahme (Scraping, Impressionszytologie, etc.) mit einer anschließenden aufwendigen immunhistochemischen bzw. mikrobiologischenAufbereitung. Die in vivo konfokale Mikroskopie erlaubt eine detaillierte und zeitsparende Darstellung der Hornhaut sowie der Bindehaut.
Der zelluläre Aufbau der Hornhaut kann mit der konfokalen Mikroskopie in vivo dargestellt werden: Hornhautepithelium mit Superfizial-, Intermediär- und Basalzellen, Bowman-Membran, Subbasaler Nervenplexus (SNP), Stroma, Descemetmembran und Endothelium (◘ Abb. 1.6a–j, ◘ Tab. 1.8).
Alle normalen Hornhäute zeigten ein vergleichbares Muster des Subbasalen Nervenplexus (SNP): hoch reflektive Nervenfasern, die zwischen der Bowman-Membran und der Basalzellschicht des Hornhautepithels liegen. Dieses Netz wird von zentripetal laufenden Fasern gebildet, die im nasal unteren Quadranten einen Wirbel bilden (◘ Abb. 1.7a). Im Gegensatz zu den stromalen Nerven, deren in vivo zusammenhängende Erfassung schwierig ist (◘ Abb. 1.7b), kann das Nervenfasernetzwerk parallel zur Bowman-Membran relativ einfach dargestellt werden.
Weiterhin erlaubt die moderne konfokale Mikroskopie eine off-line 2D- bzw. 3D-Rekonstruktion des untersuchten Gewebes und damit auch einen direkten Vergleich mit den Ergebnissen der traditionellen Histologie. Die ersten Versuche einer dreidimensionalen Rekonstruktion in vivo wurden von Masters et al. und Li durchgeführt. Hier konnten hochauflösende Hornhautbilder gewonnen und Streulichtmengen von beliebigen Schnitten ausgewertet werden. Verschiedene andere Gruppen haben Untersuchungen mit der in vivo Laser-Scanning-Mikroskopie mit anschließender Datenbearbeitung und dreidimensionaler Rekonstruktion publiziert.
Die letzte technische Weiterentwicklung ist die on-line 2D-Rekonstruktion mit der Bildgröße von bis zu 3,2 × 3,2 mm. Diese Technologie erlaubt die Beurteilung von ca. 1/7 der Hornhautfläche in einem Bild.
Die Strukturen der Bindehaut beinhalten Epithel mit Superfizial-, Intermediär- und Basalzellen. Es kann zwischen der bulbären und tarsalen Bindehaut unterschieden werden: die bulbäre Bindehaut hat ca. 8 Epithelschichten im Gegensatz zur tarsalen Bindehaut mit 2–3 Schichten. Unterhalb des Epithels befinden sich netzartig organisierte Fasern des Stromas, zwischen Epithel und Stroma liegt die Basalmembran. ◘ Abbildung 1.8a–g präsentiert die Befunde eines Normalprobanden. I. d. R. können kleine intraepitheliale Zysten sowie Becherzellen nachgewiesen werden. Die in vivo Darstellung der Becherzellen ist besonders interessant bei fraglicher Stammzellinsuffizienz.
1.5.3 Zelldifferenzierung mit der konfokalen Mikroskopie bei entzündlichen Augenerkrankungen
Die konfokale Mikroskopie ermöglicht eine in vivo Zelldifferenzierung. Typischerweise befinden sich die Entzündungszellen in einer Tiefe von 50 bis 70 µm in der Ebene der unteren Intermediärzellen und Basalzellen des Epithels, Bowman-Membran sowie Strukturen des SNP der Hornhaut. Die typischen Charakteristika der entzündlichen Zellen wurden in ◘ Tab. 1.9 zusammengefasst.
1.5.3.1 Infiltrat der Hornhaut
Bei einem Infiltrat zeigen sich die regelmäßigen Hornhautstrukturen des Epithels und des Stromas mit einer Infiltration von entzündlichen Zellen in der Ebene der Basalzellen und des SNP. Die Leukozyten (vermutlich Makrophagen) präsentieren sich als hyperreflektive, entrundete Zellkörper mit ca. 10–12 µm Durchmesser (◘ Abb. 1.9a, ◘ Abb. 1.10b). Die reifen Langerhans-Zellen (LZ) stellen sich als spinnenähnliche Zellen dar, die mit benachbarten Zellen und Nervenfasern teilweise netzartige Strukturen bilden (◘ Abb. 1.9b, ◘ Abb. 1.10c).
1.5.3.2 Hornhautulzera
Hornhautulzera können gelegentlich nach Infektionen, Tragen von Kontaktlinsen oder bei trockenen Augen beobachtet werden. Bei einer Hornhautulzeration unterscheidet man eine progressive, eine regressive sowie eine Heilungsphase. In der progressiven Phase lassen sich Gewebedefekte zeigen (◘ Abb. 1.11a). Die in vivo konfokale Mikroskopie ermöglicht die Unterscheidung zwischen intakter Hornhaut und krankhaft verändertem Epithel bzw. Stroma. Ein Hornhautödem weist auf der Ebene des Epithels starke Veränderungen von Superfizial- und Intermediärzellen, mit gestreckten und vergrößerten Zellen, auf. In den stromalen Schichten zeigen sich eine inhomogene Verteilung der Keratozyten und sichtbare Zellausläufer. Ein Polymorphismus des Endothels ist ebenfalls oft vorhanden. Bei einem ausgeprägten Befund besteht auch eine Epithel- sowie Gesamthornhautdickenzunahme. Unter der Epitheldicke verstehen wir den Abstand zwischen Superfizialzellen des Epithels und dem SNP. Die Epithel- sowie die Gesamthornhautdicke können sich bei einem Hornhautödem verdoppeln. Bei diesen Patienten zeigt sich eine entzündliche Infiltration des Epithels sowie der Bindehaut mit Leukozyten und LZ. Letztere präsentieren sich entweder als große Zellen mit langen Dendriten oder als kleinere Zellen ohne Dendriten, die entsprechend als reife bzw. unreife Formen der LZ interpretiert werden können.
Während der regressiven Phase ist die entzündliche Infiltration rückläufig, die Gewebedefekte werden kleiner (◘ Abb. 1.11b). Die Heilungsphase ist mit einer Basalzellproliferation und dem Ersatz der Bowman-Memran durch fibrosiertes Gewebe charakterisiert. Im Verlauf kann eine stromale sowie eine epitheliale Regeneration der Kornea mit entstehenden Narben nachgewiesen werden (◘ Abb. 1.11c–e). Die konfokale Mikroskopie erlaubt die Beurteilung des Ausmaßes der entzündlichen Infiltration im Verlauf bis hin zur kompletten Rückbildung.
1.5.3.3 (Erregerbezogene) Differentialdiagnose der Keratitis
Multiple exogene und endogene Ursachen können zu einem Epitheldefekt der Hornhaut und bei Progression zum Ulkus führen. Konfokalmikroskopisch lassen sich Hornhautulzera verschiedener Ätiologie unterscheiden: bakterielle, mykotische und durch Protozoen (Akanthamöben) bedingte (◘ Abb. 1.9a–e).
Bei einem bakteriellen Ulkus zeigt sich ein typischer hyperreflektiver Defekt ohne erkennbare Strukturen auf dem Ulkusboden (vergleichbar mit ◘ Abb. 1.10a). Am Ulkusrand sieht man die Übergangszone mit geschwollenem Epithel. Die Ebene der Basalzellen und des SNP ist mit inflammatorischen Zellen (Leukozyten und dendritischen Zellen) infiltriert (◘ Abb. 1.9a,b). Die Bakterien selbst lassen sich nicht darstellen. Mykotische Ulzera weisen typischerweise hyperreflektive Pilzhyphen auf (◘ Abb. 1.9d). Laut Literatur ist eine Differentialdiagnostik zwischen Fusarium solani und Hefen möglich. ◘ Abbildung 1.12a,b präsentiert zwei klinische Fälle mit hyperreflektiven netzartigen Pilzhyphen, deren Morphologie den Charakteristika der Gattung Fusarium solani entspricht.
Mittels in vivo konfokaler Mikroskopie ist auch ein direkter Nachweis von Akanthamöbenzysten möglich.
Diese präsentieren sich als doppelwandige Zysten mit ca. 20 µm Durchmesser (◘ Abb. 1.9e). Ein klinischer Fall ist in ◘ Abb. 1.12c dargestellt. Die Pilzhyphen sowie Akanthamöbenzysten befinden sich typischerweise im Stroma der „intakten Hornhaut“, da die Mikroskopie im Ulkusbereich nur das hyperreflektive Gewebe des Ulkusgrundes darstellt (◘ Abb. 1.10a).
Es ist empfehlenswert zuerst den Rand des Defektes (Infiltrat, Ulkus etc.) darzustellen, die Tiefe anzupassen und danach langsam die „intakte Hornhaut“ zu mikroskopieren.
1.5.3.4 Aktivierte Keratozyten
Der Prozess der Wundheilung der Hornhaut ist ein komplexer biologischer Reparaturvorgang, bei dem eine Vielzahl von Zellen, Zytokinen, Wachstumsfaktoren, Proteasen und extrazelluläre Matrixbestandteile zusammenwirken, um die Integrität des Gewebes wiederherzustellen (28). Bei Verletzungen/Entzündungen des Stromas sterben Keratozyten ab (Apoptose), und Keratozyten in der Umgebung werden aktiviert.
Im Tierversuch wurden die aktivierten Keratozyten als langgestreckte, nadelartige Strukturen identifiziert. Die Mikroskopie der humanen Hornhaut zeigte ähnliche Befunde (◘ Abb. 1.13) (Falke, akzeptiert). Diese nadelartigen, langgestreckten Keratozyten (wie bei Z. n. Verätzung (◘ Abb. 1.13a,b) persistieren über Monate. Ähnliche morphologische Veränderungen findet man nach abgelaufener Entzündung (◘ Abb. 1.13c,d).
Interessanterweise wurden solche Strukturen ebenfalls nach Quervernetzung beschrieben. Unsere experimentellen Ergebnisse zeigen sternartig konfigurierte Keratozyten im behandelten vorderen und mittleren Stroma bei Z.n. Quervernetzung. Histochemische Untersuchungen im Tiermodel wiesen keine vitalen Keratozyten (Apoptose) ohne Anfärbung der Zellkerne mit DAPI (4’,6-Diamidin-2-phenylindol) oder PI (Propidiumiodid) im vorderen und mittleren Stroma nach. Diese Zellen waren negativ für α-Smooth-Muscle-Actin . Eine Mitoseaktivität (Ki-67-positiv) wurde nur im hinteren Stroma, im Epithel der behandelten Zone sowie im intakten angrenzenden Stroma nachgewiesen. Es handelt sich um eine Transformation der Keratozyten in Myofibroblasten, die positiv für α-Smooth-Muscle-Actin sind. Ähnliche Ergebnisse wurden auch in humaner Hornhaut nachgewiesen (◘ Abb. 1.14a–e). Nach Hassel et al. sind aktivierte Keratozyten Myofibroblasten mit einer sehr höheren Zelldichte und niedrigem Prozentsatz an extrazellulärer Matrix (EZM). Anschließend wird die Zelldichte der Myofibroblasten niedriger mit gleichzeitig erhöhter Produktion der EZM. Die schlechte Hornhauttransparenz ist durch erhöhte Hyaluronsäure- und Biglykanproduktion erklärt. Eine andere Fibroblastengruppe (wound fibroblast) produziert Kollagen sowie Proteoglykane, sodass eine EZM mit dicht gepackten Kollagenfasern entsteht, und die Hornhaut wieder an Transparenz zunimmt. Die Korrelation zwischen der Hornhauttransparenz und Vorhandensein aktivierter Keratozyten in der konfokalen Mikroskopie sollte in weiteren Studien geklärt werden.
Zusammenfassung
Die konfokale in vivo Mikroskopie stellt mikromorphologische Veränderungen auf zellulärer Ebene dar, die zur Beurteilung pathologischer Veränderungen, der Defektgeometrie sowie des Heilungsverlaufes der Hornhaut von klinischem Interesse sind. Die nicht-invasive in vivo Differentialdiagnostik im Frühstadium, insbesondere bei mykotischen und durch Akanthamöben verursachte Prozesse, erlaubt eine frühere und effektive Behandlung des Krankheitsbildes.
2 Therapie: Grundkonzepte/Prinzipien
2.1 Antiinfektive Therapie bei Konjunktivitis und Keratitis (engl. conjunctivitis, keratitis, therapy)
2.1.1 Kriterien für die Entscheidung Antiseptik oder Chemotherapie
Kritische Vorbemerkung
Chemotherapie oder Antiseptik? Sofern der Entzündung von Konjunktiva und Kornea eine Infektion zugrunde liegt, ist erregerabhängig eine antibakterielle, antifungielle, antivirale oder amöbozide Therapie indiziert. Die Entscheidung zwischen Chemotherapie oder Antiseptik wird von der Tiefe der Infektion bestimmt. I. d. R. ist bei superfizieller Infektion die lokale Behandlung mit Antiseptika oder mit nicht resorbierbaren Antibiotika (sog. Lokalantibiotika) indiziert, weil durch lokale Applikation höhere Konzentrationen als bei systemischer Gabe erzielt werden. Bei intraokularer Beteiligung und Ausbreitung auf dem Blut-Lymph-Weg können zusätzlich antimikrobielle Chemotherapeutika oral oder parenteral eingesetzt werden.
Bei superfizieller Infektion ist mit wenigen Ausnahmen die lokale Anwendung von Chemotherapeutika wegen des Resistenzdrucks auf Bakterien kontraindiziert. Aber auch bei Lokalantibiotika kann die Resistenzentwicklung mit einer Kreuzresistenz zu systemisch eingesetzten Antibiotika verbunden sein und bei längerer Anwendung zum Therapieversagen führen.
Im Unterschied dazu ist für Antiseptika wie PVP-Iod und Polihexanid keine Resistenzentwicklung nachgewiesen und auf Grund des Wirkungsmechanismus nicht zu erwarten. Daher wurde in der Wundantiseptik die Anwendung von Lokalantibiotika zugunsten wirksamerer und gewebeverträglicherer Antiseptika verlassen. Abweichend von der Entwicklung in der Wundantiseptik besteht in der Ophthalmologie Bedarf für Therapiestudien zum direkten Vergleich von Antiseptika und Lokalantibiotika.
Aufgrund der derzeit nur spärlichen Datenlage ist die Evidenz für die Wirkstoffauswahl zur Antiseptik am Auge limitiert. Bei der Abwägung zwischen Antiseptika oder Lokalantibiotika ist zu berücksichtigen, dass die mikrobiozide Wirksamkeit von Antiseptika ein entscheidender Vorteil gegenüber Lokalantibiotika ist. Antiseptika sollen im quantitativen Suspensionstest und auf Prüfkörpern gegenüber S. aureus, E. faecalis, P. aeruginosa und C. albicans unter Belastung mit 4,5 % Albumin, 4.5 % Blut und 1 % Muzin eine Abtötung > 3 log10 herbeiführen. Die therapeutische Eignung muss in Phase 2- und 3-Prüfungen (möglichst als RCT) ermittelt werden. Bei der Auswahl von Antiseptika ist zu beachten, dass abhängig vom Wirkungsmechanismus auch hier die Möglichkeit der R-Plasmid codierten Resistenzentwicklung mit Kreuzresistenzen gegenüber Antibiotika besteht, z. B. bei Chlorhexidin. Entgegen der z. T. noch anzutreffenden Annahme, die sich aus den Eigenschaften der vor der Einführung von PVP-Iod angewendeten Antiseptika einschließlich Silbernitrat ableitet, unterscheidet sich die Reizwirkung moderner Antiseptika wie Polihexanid und PVP-Iod in antiseptisch wirksamer Verdünnung nicht von Tetracyclin, Gentamycin und Neomycin bzw. sie ist sogar geringer. Auch die allergene Potenz ist geringer bzw. fehlend. Daher hat sich die präventive Anwendung xenobiotischer anstelle antibiotischer Antiseptika in der Ophthalmologie bereits zur präoperativen Antiseptik, MRSA-Sanierung, Dekontamination von Hornhautspendematerial, Credéschen Prophylaxe und als Sofortmaßnahme bei akzidenteller Kontamination durchgesetzt.
2.1.2 Therapie der Konjunktivitis
2.1.2.1 Akute bakterielle Konjunktivitis
Die akute bakterielle Konjunktivitis sollte wegen der zunehmenden Resistenzentwicklung zunächst ohne Antibiotika behandelt werden, da es bei bis zu 64 % der Patienten auch ohne Antibiotikumgabe innerhalb von 5 Tagen zur Heilung kam. Erst wenn sich die Beschwerden innerhalb von 3–4 Tagen nicht mit Tränenersatzflüssigkeit und morgendlichen Augenreinigungen lindern lassen, sollte die antibiotische Gabe zur Linderung der Beschwerden und Verkürzung der Erkrankungsdauer begonnen werden. Für Erwachsene werden zunächst Gentamycin, Tobramycin oder Azithromycin empfohlen. Fluorchinolone und Ciprofloxacin sollen als Reserve-Antibiotika schweren Krankheitsverläufen vorbehalten bleiben. Für Neugeborene ist Moxifloxacin, für Kinder ab dem zweiten Lebensjahr Azithromycin Mittel der Wahl. Eine additive antientzündliche Therapie wird generell nicht empfohlen.
Typisch für die akute bakterielle Konjunktivitis ist das rote Auge mit mukopurulenter Sekretion und Chemosis, z. T. mit Brennen, Jucken, verstärktem Tränenfluss oder Fremdkörpergefühl (◘ Abb. 1.15). Häufigste Erreger sind S. aureus, S. epidermidis, S. pneumoniae, M. catarrhalis, Corynebacterium spp, H. influenzae (häufigster Erreger im Kindesalter) und Gram-negative Darmbakterien.
Aufgrund der deutlich besseren Studiendatenlage gelten Lokalantibiotika anstatt Antiseptika bei akuter bakterieller Konjunktivitis nach wie vor als Standard, wobei die Auswahl von der Ätiologie, Anwenderfreundlichkeit, Nebenwirkungen und Preis bestimmt wird. Zur Erreichung optimaler Wirkstoffspiegel werden die Lider nach Tropfenapplikation geschlossen gehalten. Bei negativem Erregernachweis oder Persistenz bzw. Zunahme der Symptomatik sollen Abstrich und Resistogramm wiederholt werden. Bekannte Allergie ist eine Kontraindikation.
In begrenztem Umfang wird auch PVP-Iod angewendet. Bibrocathol ist wegen der geringen in vitro-Wirksamkeit nicht als Antiseptikum einzustufen. Sulfonamide sind wegen ihrer Sensibilisierungspotenz obsolet.
2.1.2.2 Hyperakute bakterielle Konjunktivitis
Die hyperakute Form ist charakterisiert durch reichlich eitriges Sekret, Schmerzen und ausgeprägte okuläre Entzündung (◘ Abb. 1.16). Zur Klärung der Ätiologie sind Bindehautabstriche obligat. Bei hyperakuter Konjunktivitis ist die lokale antibiotische Therapie obligat; bei N.gonorrhoae werden Cephalosporine der 3. Generation oder Gyrasehemmer empfohlen.
2.1.2.3 Chronische bakterielle Konjunktivitis
Bei der chronischen Verlaufsform erscheint die Oberfläche ohne Chemosis aufgeraut. Typisch ist der chronisch rezidivierende Verlauf. Chronische Konjunktivitiden können mit Keratitis punctata superficialis und Hornhautrandinfiltraten assoziiert sein. Typische Erreger sind Koagulasepositive und -negative Staphylokokken. Bei Trägern weicher Kontaktlinsen dominieren Gram-negative Bakterien mit P. aeruginosa an der Spitze. Es ist auch eine MRSA-Infektion in Betracht zu ziehen, insbesondere bei Altenheimbewohnern. Sie muss vor geplanten chirurgischen Eingriffen innerhalb des Sanierungskonzepts zur MRSA-Dekontamination behandelt werden. Die chronisch rezidivierende follikuläre Konjunktivitis ist typisch für eine Einschlusskörperchenkonjunktivitis, verursacht durch C. trachomatis, und erfordert eine Chlamydiendiagnostik. Häufigste Manifestation ist die Ophthalmia neonatorum, die sich klinisch von der selteneren Gonoblennorhoe nicht unterscheidet (◘ Abb. 1.17). Letztere tritt meist 2–5 d post partum, die Chlamydienkonjunktivitis dagegen häufig erst nach der 2. Lebenswoche auf. Beim Erwachsenen ist der Verlauf nicht so schwer, aber dennoch häufig chronisch mit diskreten Hornhautinfiltrationen. Die Übertragung erfolgt durch Schmierinfektion, sexuellen Kontakt oder im Schwimmbad (sog. Schwimmbadkonjunktivitis).
Bei chronisch rezidivierender follikulärer Konjunktivitis durch C. trachomatis Serotypen D-K ist die systemische Antibiose indiziert, weil andernfalls die Erreger während der intrazellulären Replikation nicht erreicht werden. Außerdem können sie im Bereich des Pharynx lokalisiert sein und von dort die Infektion unterhalten. In Absprache mit dem Gynäkologen/Hausarzt ist ggf. die Mitbehandlung des Lebenspartners bzw. der Familie erforderlich, um die Infektionsquelle zu eliminieren. Mittel der Wahl ist Azythromycin oral 500 mg/d x 3 d (manche Patienten benötigen mehr als einen Behandlungszyklus) bzw. bei schlechter Compliance einmalig 1 g/d (Wirkspiegel für 14 d). Bei Kindern kann die Dosis gewichtsangepasst reduziert werden. Ist Azithromycin nicht verfügbar, z. B. in Entwicklungsländern, oder besteht Unverträglichkeit, kommen Doxycyclin (2×100 mg/d 3 Wochen, kontraindiziert in der Gravidität), Cotrimoxazol, Tetrazykline oder Erythromycin in Frage. Wegen der z. T. beträchtlichen Nebenwirkungen ist häufig keine zuverlässige Einnahme gewährleistet. Auch Chlarothromycin, Levofloxacin and Ofloxacin (beide kontraindiziert in der Gravidität) erreichen hohe intrazelluläre Konzentrationen und sind daher wirksam. Zur Prophylaxe der Ophthalmia neonatorum ist PVP-Iod wegen der hohen Wirksamkeit gegen C. trachomatis Mittel der Wahl.
Weder für die akute bakterielle Konjunktivitis noch für die Chlamydienkonjunktivitis ist durch zusätzliche antientzündliche Therapie mit Kortikosteroiden bzw. nicht steroidalen Antiphlogistika eine Therapieverbesserung beschrieben.
Kurzcharakteristik ausgewählter Wirkstoffe (◘ Tab. 1.10):
Azithromycin
Wirksam gegen H. influenzae, S. pneumoniae, S. aureus und Chlamydien, nicht gegen MRSA; Anwendung 1 % 2×/d für 3 d – zur Behandlung der trachomatösen Konjunktivitis fehlen Studien zur Sicherheit und Wirksamkeit bei Kindern unter 1 Jahr, aber es sind keine Aspekte bekannt, die eine Anwendung bei Kindern unter 1 Jahr bei dieser Indikation ausschließen; gestützt auf den internationalen Konsensus zu Erkrankungen des Auges und des Genitaltrakts, die auf Neugeborene übertragen werden können, erfordert die durch C. trachomatis verursachte nicht-trachomatöse Konjunktivitis sowie die durch N. gonorrhoeae verursachte Konjunktivitis eine systemische Behandlung. Bei Neugeborenen und Kleinkindern unter 3 Monaten kann eine durch C. trachomatis hervorgerufene systemische Infektion gleichzeitig mit einer Konjunktivitis bestehen. Bei dringendem Verdacht ist eine systemische Behandlung notwendig. Diese Behandlung ist nicht zur prophylaktischen Anwendung bei bakterieller Konjunktivitis bei Neugeborenen vorgesehen.
Bacitracin
Mit Ausnahme von Neisseria spp. und H. influenzae nur gegen Gram-positive Bakterien wirksam, langsame Resistenzentwicklung ohne Kreuzresistenz zu anderen Antibiotika, häufig Kontaktsensibilisierung, Anwendung nur noch in Kombination z. B. mit Neomycin und Polymyxin B.
Chloramphenicol
Breitspektrumantibiotikum einschließlich sporenlose Anaerobier, Chlamydien, Mykoplasmen; unwirksam gegen Mykobakterien, Nocardien, P. aeruginosa; bei akuter infektiöser Konjunktivitis keine therapeutische Überlegenheit zu Plazebo; aufgrund des wenn auch bei lokaler Anwendung sehr geringen Risikos aplastischer Anämie, Panzytopenie, Leukopenie, Thrombozytopenie und Agranulozytose Anwendung am Auge nur vertretbar, wenn kein anderes Antibiotikum/Antiseptikum wirksam ist.
Chlortetracyclin und Oxytetracyclin
Wirksam gegen die meisten Gram-negativen und Gram-positiven Kokkenbakterien, H. influenzae, K. pneumoniae, Enterobacter, Proteus spp., E. coli, E. faecalis, P. aeruginosa, Spirochäten, Leptospiren, Rickettsien, Aktinomyzeten, Mykoplasmen, Chlamydien und Entamoeba spp.; Kreuzresistenz innerhalb der Tetracycline; werden bei topischer Anwendung (Salbe) nur wenig resorbiert, erreichen hohe Konzentration in Tränenflüssigkeit und Kammerwasser.
Erythromycin
Wegen des schmalen Wirkungsspektrums (Staphylococcus, Streptococcus spp., C. trachomatis) und Resistenzzunahme kaum noch im Einsatz.
Gentamicin und Tobramycin
Wirksam gegen Staphylococcus spp., Gram-negative Enterobakterien, P. aeruginosa; wenig sensibel oder resistent sind MRSA, Streptokokken und Anaerobier; 3–4mal stündlich für 7–10 d; bei häufiger Anwendung Risiko von Keratitis punctata superficialis und Allergie.
Gramicidin
Wirksam nur gegen Gram-positive Kokken- und Stäbchenbakterien, Anwendung nur noch in Kombination z. B. mit Neomycin und Polymyxin B.
Fusidinsäure
Wirksam gegen Staphylococcus spp. (auch Penicillinase bildende und z. T. MRSA), Streptococcus spp. sind schwach empfindlich, Gram-negative Bakterien sind resistent.
Kanamycinsulfat
Wegen geringer bzw. erregerabhängig fehlender Wirksamkeit und toxischer Risiken entbehrlich.
Moxifloxacin
Breites Wirkungsspektrum gegen aerobe und anaerobe, Gram-negative und Gram-positive Erreger.
Moxifloxacin ist das einzige für Neugeborene zugelassene Antibiotikum!
Neomycin
Wirksam gegen Gram-negative Bakterien, z. T. Staphylokokken (aber bis zu 30 % Plasmid vermittelte Resistenz), unwirksam gegen Streptococcus und Pseudomonas spp. sowie Anaerobier; langsame Resistenzentwicklung mit Kreuzresistenz zu Kanamycin, Paromomycin, teilweise auch Streptomycin und Gentamicin; hohes Sensibilisierungsrisiko mit Kreuzallergie zu anderen Aminoglycosiden; Anwendung (Salbe) häufig in Kombination mit Bacitracin.
Rifampicin
Wirksam gegen multiresistente Staphylokokken, Chlamydien, Neisserien, atypische Mykobakterien; Synergismus mit Amphothericin B.
Polymyxin B und Colistin
Wirksam nur gegen Gram-negative Bakterien, die z. T. resistent sind, z. B. H. influenzae, Proteus spp.; zur Erweiterung des Wirkungsspektrums Komb. mit Gramicidin/Neomycin oder Bacitracin/Neomycin bzw. Colistin/Erythromycin.
PVP-Iod
Breitspektrumantiseptikum einschließich Candida spp., 1,25 %ig der Kombination Neomycin/Polymyxin B/Gramicidin gleichwertig, gegen Chlamydien wirksamer.
Trimethoprim
Wirksam gegen S. aureus und MRSA; zur Erweiterung des Wirkungsspektrums meist in Komb. mit Polymyxin B.
2.1.2.4 Akute virale Konjunktivitis
Die Problematik der virostatischen Antiseptik besteht darin, dass die Virus replizierende Wirtszelle nur mit gleichzeitiger Zellschädigung inaktiviert werden kann und viele Virusinfektionen erst klinisch manifest werden, nachdem die Wirtszellen infolge des Virusbefalls irreversibel geschädigt sind. Eine selektive Wirkung wäre nur möglich, wenn die Virionen vor Infektion der Wirtszelle zerstört werden. Da durch lokale Anwendung von Virostatika am Wirkort höhere Konzentrationen als bei systemischer Anwendung erreicht werden, und es zurzeit keine Wirkstoffe gibt, die Viren im Körper abtöten, ohne den Wirtsorganismus erheblich zu belasten, sind systemische Virostatika die letzte Therapieoption.
Als Symptome können ein- oder beidseitige Rötung, Juckreiz, Brennen, Augentränen, Fremdkörpergefühl, Lymphknotenschwellung und Blutungen auftreten (◘ Abb. 1.18). Im Vergleich zur bakteriellen Konjunktivitis tritt eher wässriger als eitriger Ausfluss auf und die Augen sind am Morgen weniger verklebt. Eine Abgrenzung aufgrund der klinischen Zeichen ist im Allgemeinen jedoch schwierig. Als Erreger kommen Herpes-, Adeno-, Varizella-Zoster- (Zoster ophthalmicus), Epstein-Barr-, Masern-, Rubella-, Molluscum-contagiosum-, Papilloma- und Influenzaviren infrage. Unkomplizierte Bindehautentzündungen heilen meist nach ein bis zwei Wochen folgenlos ab.
Gegen Herpesviren sind Aciclovir, Gancyclovir und Trifluridin wirksam. Glucocortocoide sind kontraindiziert. Künstliche Tränen und Augentrost-Präparate können die Beschwerden symptomatisch lindern. Bei akuter hämmorrhagischer Konjunktivitis durch Enteroviren, insbes. Enterovirus 70 und Coxsackie A24v, ist keine virozide Therapie bekannt. Gegen Herpes wirksame Wirkstoffe sind bei Keratokonjunktivitis epidemica (KCE) unwirksam, Interferone waren z. T. wirksam, z. T. unwirksam.
Aus augenärztlicher Sicht wird die Infektion durch Adenoviren (◘ Abb. 1.19) gefürchtet, da sie hochinfektiös ist und bei Hornhautbeteiligung auch visusrelevante Komplikationen auftreten. Sie wird überwiegend durch Adenovirus-Serotypen 8, 19 oder 37 der Subgruppe D verursacht. Für den Erregernachweis besteht seit 2001 Meldepflicht gemäß § 7 (1). Therapeutisch stehen zunächst hygienische und unterstützende Maßnahmen im Vordergrund (▶ Abschn. 3.2). Es gibt keine kausale Therapie. Eine antivirale Lokaltherapie mit Cidovovir war zwar wirksam, jedoch zu toxisch; Ganciclovir hat sich in ex vivo Studien als eingeschränkt wirksam erwiesen, eindeutige klinische Studien fehlen. In Kohortenstudien konnte mit lokal appliziertem Povidon-Iod die Erkrankungsdauer gering verkürzt werden. Problematisch ist die Therapie der Keratitis (Nummuli) (▶ Abschn. 1.2.1).
2.1.3 Therapie der Keratitis
2.1.3.1 Bakterielle ulzeröse Keratitis
Bei bakterieller ulzeröser Keratitis werden je nach Stadium topisch Breitspektrumantibiotika (◘ Tab. 1.10) stündlich bis viertelstündlich empfohlen. Sind tiefere Augenabschnitte mit betroffen, ist die gleichzeitige systemische Gabe erforderlich.
Bei Trägern weicher Kontaktlinsen ist das Erkrankungsrisiko für eine Kontaktlinsen-assoziierte Keratitis (◘ Abb. 1.20a,b) 80mal höher als beim Brillenträger.
Zur kalkulierten Therapie hat sich der Magdeburger Dreistufenplan bewährt. Bei Chlamydieninfektion ist die systemische Antibiose z. B. mit Azytromycin (500 mg/d für 3 d) indiziert.
2.1.3.2 Keratomykosen
Im Vergleich zur bakteriellen Keratitis sind Keratomykosen schwieriger zu behandeln (◘ Abb. 1.21a,b). Voraussetzung für die Wirkstoffauswahl ist die infektiologische Diagnosesicherung. Abhängig von der Schwere und Ätiologie sind die viertelstündliche bis stündliche (C. albicans) Applikation, bei fortgeleiteter Endophthalmitis die wiederholte intrakamerale bzw. intravitreale Applikation erforderlich, wobei die systemische Gabe unterstützend wirkt. Weil Wirkstoffe mit einem Molekulargewicht (MG) > 500 die Hornhaut entweder nicht oder nur gering penetrieren, ist für diese die wiederholte abrasio corneae erforderlich.
Besonderheiten der Pharmakokinetik im Kindesalter finden sich bei Jullien 2011, Vorschriften zur Herstellung von Augentropfen aus systemischen Antimykotika in Behrens-Baumann 2009.
Kurzcharakteristik ausgewählter Wirkstoffe:
Amphotericin B (MG 924)
Wirksam gegen Candida (einige Species sind resistent), Aspergillus (Versagen bei A. fumigatus- und F. solani möglich, vermutlich wegen unzureichender Penetration), Blastomyces, Cryptococcus, Histoplasma, Mucor, Ovadendron spp.; unterschiedlich empfindlich sind Curvularia, Alternaria, Wangiella und Cladosporium spp.; Paecilomyces spp. und P. boydii sind oft resistent; nach iv.-Gabe (1 mg/kg KM) Übergang in Kammerwasser, subkonjunktival kein ausreichender Übergang; Augentropfen (0,2–0.7 %), in Salbenform (0,5 %) Brennen möglich; bei Candida spp. wirksamer als Natamycin; bei exogener Endophthalmitis war die direkte Injektion in Vorderkammer oder Glaskörper (5–10 µg/ml) (bei Candida einmalig, bei Aspergillus ggf. wiederholt) ohne Vitrektomie der parenteralen Applikation wegen höherer Konzentration und besserer Verträglichkeit überlegen; systemische Gabe wegen Nephrotoxizität kritisch; durch Kombination mit subkonj. Gabe von Fluconazol (2 %) Reduktion auf 0,2 % lokal bei höherer Wirksamkeit.
Caspofungin (MG 1094)
Wirksam gegen Candida, Aspergillus , Alternaria spp.; unwirksam gegen C. neoformans und Fusarium spp.; lokal und intrastromal wirksam gegen Alternaria spp. einzeln und in Komb. mit Voriconazol intrastromal.
Chlorhexidindigluconat (MG 506)
Ca. 1 µg/ml bakteriostatisch, ≥ 20 µg/ml bakteriozid mit großen Speziesdifferenzen; wirksam gegen C. albicans in vitro; war lokal 0,2 % in randomisierter Studie Natamycin überlegen.
Fluconazol (MG 306)
Viele Non-Candida-albicans-Arten und Paecilomyces spp. sind resistent; Mittel der 1. Wahl bei C. albicans; wirksam gegen Alternaria spp.; Tropfen oder über Nacht als Gel (2 %), auch systemisch (2mal 400 mg).
Flucytosin (MG 129)
1 mg/ml lokal bei Candidakeratitis 12–32 Wochen, wirksam auch bei Blepharokonjunktivitis; unwirksam bei Paecilomyces spp.; Mittel 2. oder 3. Wahl.
Natamycin (Pimaricin) (MG 666)
Wirksam gegen Dermatophyten, C. albicans, A. fumigatus, F. solani; wirksamer als Azole, unwirksam bei Alternaria spp.; wirksam vor allem bei oberflächlichen Keratomykosen einschließlich S. brevicaulis (5 %), ist bei Fusarium und Aspergillus spp. Amphotericin B überlegen; in Kombination mit Miconazol wirksam gegen Paecilomyces spp.; Gleichwertigkeit der Kombination 1 % Natamycin/Nystatin ist nicht bewiesen; wurde auch in Komb. mit Chlorhexidin eingesetzt.
Nystatin (MG 926)
Wirksam gegen Candida spp., B. dermatitidis , B. brasiliensis, C. immitis, C. neoformans, H. capsulatum, Geotrichum spp., Aspergillus spp.; unwirksam gegen Dermatophyten; Kreuzresistenz zu anderen Polyenen; Lokalbehandlung (100.000 IU), bei Generalisierung systemisch; gilt nicht als Mittel 1. Wahl (Reserve).
Voriconazol (MG 349)
Wirksam gegen alle Candida spp., Cryptococcus, Aspergillus, Paecilomyces spp.; Resistenzentwicklung vereinzelt gegen Non-Candida-albicans-Arten, z. B. C. glabrata; nach oraler Gabe von 2mal 400 mg Kammerwasser- bzw. Glaskörperspiegel in Höhe der minimalen Hemmkonzentration (MHK90) der meisten Pilze inklusive Aspergillus ssp.; kombinierte systemische und topische (2 %) Therapie bei Fusarium- und Scedosporium-apiospermum-Keratitis; systemische Standarddosierung 2mal 200 mg oral oder 2mal 4 mg/kg KM als Kurzinfusion, kann auf 600 mg oral bzw. 2mal 6 mg/kg KM erhöht werden (sog. Hirndosierung ); da das Isoenzym CYP3A4 für den Metabolismus von Voriconazol hauptverantwortlich ist, sind Interaktionen z. B. mit Ciclosporin, Tacrolimus, Warfarin bzw. Kumarin, Omeprazol zu beachten; häufigste Nebenwirkungen sind Erhöhung der Leberwerte und reversible Sehstörungen.
Wegen Resistenzentwicklung werden ältere Azole wie Clotrimazol (MG 345), Miconazol (MG 479), Ketoconazol (MG 538) oder Itraconazol (MG 706) kaum noch verwendet, allerdings ist Miconazol offenbar als einziges wirksam gegen Paecilomyces lilacinus. Polihexanid ist tierexp. mäßig wirksam bei Aspergillus- und Fusarium-Keratitis, PVP-Iod ist unwirksam. Für das Auge unverträglich sind Bifonazol, Econazol, Fenticonazol, Isoconazol, Ketoconazol, Naftifin, Oxiconazol, Terbinafin und Tioconazol.
2.1.3.3 Akanthamöbenkeratitis
Die Akanthamöben-Keratitis (▶ Abschn. 3.5) ist eine relativ seltene, aber schwer verlaufende, meist einseitig auftretende, sich progredient entwickelte Keratitisform mit Abszedierung (◘ Abb. 1.22a,b). Besonders gefährdet sind Träger weicher Kontaktlinsen.
Polihexanid (MG 2300–3600)
Breitbandantiseptikum; wirksam gegen Zysten und Trophozoiten, min. zystizide Konz. (MCC) bei 8, 24 bzw. 48 h Einwirkzeit 9,4, 5,6 bzw. 2,4 μg/ml, wie Chlorhexidin in vitro innerhalb 3 h amöbozid; Mittel der 1. Wahl; ist wegen besserer lokaler Verträglichkeit, geringerer Zytotoxizität und fehlender Resistenzentwicklung Chlorhexidin überlegen; lokal wirksam als Einzelwirkstoff sowie in Kombination mit 0,1 % Propamidin (MG 317), 0,1 % Hexamidin (MG 345) oder mit Neomycin; beschrieben sind therapieresistente Formen, insbesondere bei zu spätem Behandlungsbeginn und tiefer Stromainfektion, aufgrund primärer Resistenz ohne Zusammenhang zur vitro Empfindlichkeit. Im Neuen Rezeptur-Formularium des Deutschen Arzneimittel-Codex sind Rezepturen für Polihexanid-Augentropfen 0,02 % und -Augenbad 0,04 % angegeben.
Chlorhexidindigluconat (MG 506)
MCC bei 8, 24 bzw. 48 h 24,3, 10 bzw. 7 μg/ml; lokal 0,02 % oder 0,006 %.
2.1.3.4 Viruskeratitis
Häufigste Erreger sind Adenoviren (vor allem die Serotypen 8, 19 und 37), H. simplex- und Varizella-Zoster-Viren, seltener Zytomegalie- (vor allem bei Immunsuppression und HIV), Röteln- und Masernviren.
2.1.3.5 Keratokonjunktivitis epidemica (KCE)
Die KCE beginnt typischerweise mit einseitigem Fremdkörpergefühl, das sich innerhalb weniger Stunden oder Tage zu beidseitiger Binde- und Hornhautentzündung mit starker Chemosis, Tränenträufeln, Lichtscheue, Lidbeteiligung und cornealen subepithelialen Infiltraten entwickelt (◘ Abb. 1.23). Meist finden sich eine exsudative Konjunktivitis sowie präaurikuläre Lymphknotenschwellungen. Mit dem Abklingen der akuten Symptomatik entwickelt sich in etwa 20 % als chronische Verlaufsform die Keratitis nummularis mit münzförmigen Infiltraten direkt unterhalb des Hornhautepithels mit damit verbundener Sehverschlechterung.
Die üblichen Virostatika sind bei der KCE unwirksam. Nur Povidon-Iod führte bei guter Verträglichkeit zu geringer Reduktion der Krankheitsdauer sowie etwas reduzierter Nummulihäufigkeit, sodass Povidon-Iod trotz Fehlens kontrollierter Studien eine Therapiealternative darstellt. N-Chlortaurin 1 % führte in einer kleinen doppelblinden Phase-2-Studie nur bei Patienten mit schweren Verläufen zu einem signifikant besseren Verlauf, wobei die Entstehung von Nummuli nicht verhindert werden konnte.
Lokale Steroide werden kontrovers diskutiert, da sie nach dem Absetzen zu Rezidiven führen können und vermutlich auch die kontagiöse Phase verlängern. Nebenwirkungen, wie Oberflächenstörung des Auges, Katarakt und Augendruckanstieg, sind bei Langzeitanwendung zu bedenken. Andererseits kann eine erhebliche subjektive und objektive (visusrelevante!) Besserung mit vorzugsweise oberflächenwirksamen Steroiden (Loteprednol, Fluormetholon) erreicht werden (Prefered practice pattern der AAO http://one.aao.org/CE/PracticeGuidelines). Alternativ hat sich die lokale Gabe von Ciclosporin A 2 % Augentropfen als effektiv und sicher erwiesen, wenn sich bei nummulibedingter Visusminderung innerhalb von 6 Wochen keine Tendenz zur spontanen Besserung zeigt. Für Kinder und Patienten, die diese Konzentration nicht tolerieren, können 1 %ige Tropfen angewendet werden.
Eine Behandlungsoption im Spätverlauf (> 6 Monate) ist die chirurgische Laserabtragung der Nummuli sowie die topische Behandlung mit Mitomycin-C in Verbindung mit photorefraktiver Keratektomie. Sialinsäure enthaltende Moleküle und multivalente Sialinsäurekonstrukte auf der Basis von 10,12-Pentacosadiynoicsäure schützen vor der Infektion durch Adhäsionshemmung.
2.1.3.5.1 H. simplex-Keratitis (HSK)
Die HSK manifestiert sich im Allgemeinen als endogenes Rezidiv einer latenten Trigeminusinfektion epithelial (Keratitis dendritica, ◘ Abb. 1.24) oder stromal. Bei letzterer Verlaufsform werden der nicht nekrotisierende und der nekrotisierende Typ (◘ Abb. 1.25a,b) sowie ein Mischtyp unterschieden.
Bei der Keratitis dendritica ist die topische Applikation ausreichend. Wirksam sind Aciclovir (ACV), Ganciclovir und Trifluridin (s. u.), wobei es gegen ACV resistente Stämme gibt. Die Applikation von Trifluridin (TFT) oder ACV führt nicht zu erhöhter bakterieller Infektionsrate. Idoxuridin, Iododexoxytidine und Adenin-Arabinosid sind aufgrund ihrer Toxizität obsolet.
Bei der tiefen stromalen Herpes simplex-Keratitis muss das Virostatikum in die Tiefe penetrieren. Da TFT nicht durch das Epithel in das Stroma gelangt, ist ACV Mittel der ersten Wahl. Zugleich muss die überschießende Immunantwort durch topische Kortikosteroide gehemmt werden (◘ Tab. 1.11). Bei der Kombinationstherapie müssen die Steroide langsam, z. B. über 10 Wochen, reduziert werden. Gelegentlich ist eine niedrig dosierte Steroidgabe (z. B. 1 Tr. jeden 2. Tag) langfristig oder permanent notwendig. Bei Nichtansprechen kann topisch Ciclosporin A 2 %ig (oder 0,05 %), gelöst in künstlichen Tränen oder in Erdnussöl, gegeben werden. Eine weitere Therapiemöglichkeit besteht, besonders bei nekrotisierender HSK, in der Amniontransplantation. ACV oral führt langfristig (> 12 Monate) zu deutlicher Reduzierung der HSK-Rezidivrate. Bei ACV-resistenten HSV-Stämmen muss auf Thymidinkinase unabhängige Medikamente (z. B. Foscarnet 3 × 40 mg/kg KM/d) umgestellt werden. Da Rezidive häufig nach Augenoperationen auftreten, ist die ACV-Prophylaxe (2 × 400 mg ACV/d) bei entsprechender Anamnese sinnvoll. Das gilt besonders für Hornhauttransplantationen. Da die meisten Rezidive innerhalb des ersten postoperativen Jahres auftreten, wird ACV mindestens für diesen Zeitraum empfohlen. Auch mit topischen antiviralen Mitteln konnte die Rezidivrate reduziert werden.
2.1.3.6 Varicella zoster (VZV)-Keratitis
Therapie mit Acyclovir systemisch (800 mg 5×/Tag für 10 d), alternativ Valaciclovir (1 g 3×/d oral mind. 7 d) bzw. Famciclovir (500 mg 3×/d oral mind. 7 d).
Kurzcharakteristik ausgewählter virostatischer Wirkstoffe:
Aciclovir (ACV)
Wirksam gegen HSV-1, HSV-2, Varicella Zoster Virus (VZV), Epstein-Barr-Virus, unwirksam gegen eher seltene Thymidinkinase negative Viren, RNA- und Adenoviren; Resistenzentwicklung im Anstieg, meist bei Immungeschwächten mit der Folge rezidivierender HSV-1 Keratitis; Mittel der ersten Wahl bei HSV-Keratitis; ist aufgrund der Bioverfügbarkeit im kornealem Stroma und Vorderkammer (analog wie Gancyclovir) sowie der geringen Toxizität, da es intakte nicht infizierte Zellen praktisch nicht beeinflusst, TFT überlegen. Bei VZV-Keratitis war in der akuten Phase lokales Aciclovir der systemischen Gabe deutlich unterlegen; bei Epstein-Barr-Virus-Keratitis ist lokale Anwendung in Komb. mit lokalen Steroiden wirksam; in Kombination mit Interferon bessere Therapieergebnisse. Anwendung bei Keratitis dendritica 3 % 5×/d. Nachteilig ist bei Formulierung als Augensalbe die Visusbeeinträchtigung und dadurch reduzierte Compliance. Bei Komplikationen tieferer Abschnitte und foudroyantem Verlauf oral 5×/d 800 mg mind. 3 Wochen, bei stromaler und/oder epithelialer Variante 5×/400 mg mind. 3 Wochen; trotz guter Verträglichkeit sind korneale Epitheliopathie und punktförmige superfizielle Keratitis möglich. Acyclovir, Brivudin, Ganciclovir und TFT sind vergleichbar wirksam gegen HSV, Idoxuridin und Vidarabin sind geringer wirksam.
Bromovinyldeoxyuridin (BVDU)
BVDU (0,1 % Augentropfen 5×/d) ist 500- bis 1000fach wirksamer als ACV, erfasst allerdings nicht HSV-2, d. h. etwa 5 % der HSK-Fälle. Allergie möglich.
N-Chlortaurin
In vitro wirksam gegen Herpes- und Adenoviren.
Foscarnet
Es ist gut verträglich und blockiert die virusspezifische DNA-Polymerase, sodass auch ACV-resistente Viren erfasst werden.
Cidofovir
War in klinischer Pilotstudie im Akutstadium zur Prävention der schweren Keratitis nummularis geeignet. Wegen der hohen Lokaltoxizität wurde dieser Ansatz bislang nicht weiter verfolgt.
Ganciclovir
Wirkmechanismus und Wirksamkeit (5×/d) sind vergleichbar mit ACV. 0,15 % wässriges Gel war bei akuter ulceröser Herpeskeratitis bei gleicher Wirksamkeit besser verträglich als 3 % ACV. Die Formulierung als Carbomer erlaubt eine lange Kontaktzeit und erleichtert die Aufnahme. Tierexperimentell penetriert es in Hornhaut und Kammerwasser.
PVP-Iod (MG I-254)
Breitspektrumantiseptikum einschließlich C. trachomatis, HSV-1, HSV-2, Adeno- und Coxsackieviren, 10 % mittels Tupferapplikation oder 5 % als Tropfen gut verträglich, in prospektiver, interventioneller, nicht kontrollierter Studie 2 % 4×/d für 7 d bei KCE klinische Besserung, die Kombination 0,4 % PVP-Iod mit 0,1 % Dexamethason übertraf im Kaninchenmodell Cidofovir und Tobramycin/Dexamethason und in Phase-II-Prüfung (4×/d für mind. 5 d) sign. Reduktion des Adenovirustiters und klinische Besserung.
Trifluridin (TFT)
TFT hemmt die Thymidylat-Synthetase sowohl von HSV als auch von nicht infizierten Zellen und ist daher relativ (epithel-)toxisch; mögliche Nebenwirkungen sind Keratinisation der Lidkanten und Verschluss der Tränenpünktchen; daher sollte ACV bevorzugt werden.
Valaciclovir
Es wird nach oraler Einnahme (3 × 1 g/d) zu ACV transformiert, wobei die Bioverfügbarkeit 3–5mal höher ist als bei oralem ACV. Die Verträglichkeit ist gut, sodass es bei Personen, die topisches ACV nicht tolerieren (z. B. Kinder, Parkinsonkranke), unter Berücksichtigung der hohen Kosten eine Alternative ist.
2.1.4 Ausblick
In Anbetracht der für die meisten Antiseptika fehlenden Resistenzentwicklung erscheint es auf Grund des breiten Wirkungsspektrums insbesondere für PVP-Iod und Polihexanid aussichtsreich, die therapeutische Effektivität vertieft zu untersuchen. Für PVP-Iod sind insbesondere liposomale Formulierungen, für Polihexanid Phosphatidyl-basierte Emulsionen aussichtsreich, weil in diesen Zubereitungen bei ausreichender antimikrobieller Wirksamkeit die Zytotoxizität noch weiter reduziert wird. Auch Antibiotika sind in liposomaler Form wirksamer.
2.2 Antientzündliche und Immunmodulatorische Therapie bei Konjunktivitis und Keratitis (engl. Anti-inflammatory agents, immune modulation, immunmodulatory, keratitis, conjunctivitis)
Entzündungen des vorderen Augensegmentes gehen zumeist mit einer Schädigung der Augenoberfläche einher. Dies betrifft zum einen chronisch-entzündliche Erkrankungen, wie Trockenes Auge, okuläre Allergie, Blepharitis, Sjögren-Syndrom, okuläre Graft-vs.-Host Erkrankung, u. a., aber auch akute entzündliche Erkrankungen, wie die stromale oder endotheliale Herpes-Keratitis.
Da im Rahmen der einzelnen Erkrankungen teilweise unterschiedliche „Arme“ des Immunsystems bevorzugt aktiviert werden, ist die Therapie dementsprechend komplex und sollte individuell abgestimmt werden. Grundsätzlich sind folgende Entzündungs-assoziierte Mechanismen denkbar, die einer anti-entzündlichen Therapie als Ansatz dienen können (◘ Tab. 1.12, ▶ Abschn. 1.1.2):
-
1.
Aktivierung von Matrixmetalloproteinasen
-
2.
Aktivierung autoreaktiver T-Zellen
-
3.
Ausschüttung pro-entzündlicher Faktoren (Interleukine, Chemokine, etc.)
-
4.
Lymph- und Hämangiongenese
-
5.
Anflutung und Aktivierung von Antigen-präsentierenden Zellen
-
6.
Bildung immunregulatorischer T-Zellen
-
7.
Expression von Chemokin- und Homingrezeptoren
Im Folgenden werden bereits verfügbare und in unmittelbarer klinischer Erprobung befindliche Therapeutika einzeln und entsprechend ihrem Einfluss auf die genannten Mechanismen beschrieben.
2.2.1 Nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR)
NSAR hemmen spezifisch oder nicht-spezifisch die Cyclooxygenase und dadurch die Synthese pro-entzündlicher Prostaglandine. Das Wirkspektrum in Bezug auf die Entzündungskaskade ist damit schmaler als bei den Kortikosteroiden. Für Entzündungen und Entzündungs-assoziierte Schmerzen des Auges, z. B. Trockenes Auge, Allergie, Uveitis, Episkleritis, Skleritis, etc. werden NSAR oral-systemisch oder topisch jedoch verabreicht. Eine Langzeitanwendung von NSAR wir aufgrund beschriebener schwerer Nebenwirkungen nicht empfohlen.
2.2.2 Kortikosteroide
Kortikosteroide werden seit langem zur Behandlung von Entzündungen der Augenoberfläche eingesetzt und haben ihre Wirksamkeit in zahlreichen klinischen Studien auch gegenüber nicht-steroidalen Antiphlogistika bewiesen. Zu beachten ist, dass eine Langzeitanwendung über Wochen bis Monate allerdings häufig mit einem Anstieg des Augendrucks eine Kataraktogenese und mit einer Infektionsgefahr einhergeht. Einige Substanzen, wie z. B. Rimexolon (Vexol®, Alcon) oder Loteprednol Etabonat (Lotemax®, Bausch & Lomb), haben ein reduziertes Nebenwirkungsprofil, müssen jedoch teilweise aufgrund eines schmalen Indikationsspektrums im Rahmen einer Off-Label Therapie appliziert werden.
Kortikosteroide sind insgesamt äußerst potente Wirkstoffe, die in zahlreiche Entzündungsmechanismen eingreifen. Über den Kortikoidrezeptors und durch Eingriff in den sog. NFkB-Pathway wird die Bildung von Zytokinen und Chemokinen vermindert. Weitherhin kommt es zu einer Verringerung der Expression von Homing-Rezeptoren und damit zu einer verringerten Anflutung von Entzündungszellen und weiterhin zu einer Apoptoseinduktion von aktivierten T-Zellen. Derzeit werden topische Steroide zumeist nur kurzfristig eingesetzt, um die Entzündungskomponente auf breiter Fläche schnell zu reduzieren. Ausnahmen sind hier Langzeitanwendungen als lokale Immunsuppressiva nach perforierender oder lamellärer Keratoplastik.
2.2.3 Calcineurin-Inhibitoren
Entzündungen der Augenoberfläche weisen häufig eine T-Zell Antwort als zentralen Immunmechanimus auf. Insofern liegt es nahe, Therapeutika zu verwenden, die speziell diesen Arm der Immunreaktion hemmen. Als klassischer Vertreter der Substanzgrupper der Calcineurin-Inhibitoren vermittelt Ciclosporin A seine Wirkung speziell über den T-Zell-Rezeptor und über eine Calcineurin-Inhibition im Zytoplasma von T-Zellen. Mehrere klinische Studien belegen die Wirksamkeit von Ciclosporin A beim Trockenen Auge, okulärer Allergie, posteriorer Blepharitis, okulärer Graft-vs.-Host Erkrankunge etc. während einer Applikationsdauer von bis zu mehreren Monaten. Obwohl Ciclosporin A bei einer systemischen Gabe schwere Nebenwirkungen, wie Blutbildveränderungen, Nephrotoxizität etc., hervorrufen kann, wurden diese bei der topischen Gabe bislang nicht beschrieben. In Deutschland ist topisches Ciclosporin A aktuell nur in einer Öl-basierten Herstellung erhältlich, die ärztlich rezeptiert werden muss, jedoch keine „Off-Label“ Therapie darstellt. Als Alterantive zum Ciclosporin A wurden auch andere T-Zell spezifische Inhibitoren, wie Tacrolimus bereits klinisch oder Sirolimus und Everolimus experimentell, topisch zur Immunsuppression an der Augenoberfläche angewendet.
2.2.4 Antibiotika
Antibiotika, wie Tetrazykline oder Makrolide, wirken nicht nur antimikrobiell, sondern auch anti-entzündlich. Der Wirkmechanismus bezieht sich dabei auf eine Reduktion der Aktivierung von B-Zellen und eine Inhibition von Matrixmetalloproteinasen (MMP) und Kollagenasen. Vor allem letztere führen bei Entzündungen zu einer Antigen-unabhängigen Gewebedestruktion und sind durch Steroide oder Ciclosporin A nicht zu inhibieren. Makrolide greifen außerdem in den NFkB Signalweg ein und können hierdurch die Sekretion von pro-inflammatorischen Faktoren reduzieren. Ein weiterer Wirkmechanismus ist die Inhibition von bakteriellen Lipasen und die dadurch bedingte Reduktion schädigender freien Fettsäuren und Fettsäurederivaten. Systemische Tetrazykline werden über Wochen bis Monate zumeist zur Behandlung von Blepharitiden und Meibomitiden eingesetzt. Makrolide können auch topisch als Azithromycin appliziert werden und haben im Tiermodell eine signifikante Reduktion der Leukozyteninfiltration, sowie eine verminderte Expression von Adhäsionsmolekülen und pro-entzündlichen Zytokinen in der Hornhaut gezeigt.
2.2.5 Omega-3 und -6 Fettsäuren
Omega-3- und -6-Fettsäuren sind essentielle, ungesättigte Fettsäuren, die über die Nahrung zugeführt werden müssen, da sie vom Körper nicht selbst synthetisiert werden können. Beide Fettsäuren können zu Prostaglandin E1/E3 und Leukotrien B5 verstoffwechselt werden, die eine antientzündliche Wirkung entfalten können. Die orale Einnahme von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren über einen Zeitraum von mehreren Wochen konnte in der klinischen Anwendung beim Trockenen Auge eine assoziierte Entzündung der Augenoberfläche und Krankheits-bedingte Symptome signifikant reduzieren.
Aktuelle tierexperimentelle Daten zeigen zudem, dass topisch appliziertes Resolvin E1, ein Omega-3-Fettsäure Metabolit mit ausgeprägter immunmodulatorischer und anti-inflammatorischer Wirkung ebenfalls eine klinische signifikante Wirkung aufweist.
2.2.6 Serumaugentropfen
Serumaugentropfen enthalten außer wundheilungsfördernden auch zahlreiche antientzündliche Faktoren wie IL-1 Rezeptorantagonisten und MMP-Inhibitoren. Die wundheilungsfördernden Moleküle wie TGFß, FGF, PDGF, etc. führen außerdem zu einer Reduktion von Epithelzell-Apoptosen und damit indirekt zu einer Entzündungs-inhibition. Da die Herstellung und Applikation von Serumaugentropfen gemäß den gesetzlichen Bestimmungen eine Herstellungserlaubnis voraussetzt, ist die ambulante Bereitstellung dieser Therapie bislang in Deutschland nur auf wenige Zentren beschränkt.
2.2.7 Inhibition der Lymph- und Hämangiogenese als neue Therapieoptionen
Bei chronischen Entzündungen der Augenoberfläche, wie beim Trockenen Auge, rezidivierenden Herpeskeratitiden und gemäß aktueller bislang unpublizierter Forschungsergebnissen auch bei der okulären Allergie, werden Lymph- und z. T. Blutgefäße in der Hornhaut gebildet, über die aktivierte Antigen-präsentierende Zellen (APCs) in regionale Lymphknoten migrieren und dort eine autoreaktive Immunantwort induzieren. Eine Inhibition der Angiogenese, insbesondere der Lymphgefäße, würde im Gegensatz zu den oben beschriebenen Optionen die Entzündungsreaktion auf Seite der Antigenpräsentation und damit an einer zentralen Schaltstelle vor Aktivierung autoreaktiver T-Zellen angreifen. Kortikosteroiden inhibieren eine corneale Lymphangiogenese wahrscheinlich indirekt mittels einer Reduktion pro-inflammatorischer Makrophagen in der Hornhaut, wohingegen der humanisierte monoklonale Antikörper Bevacizumab bei topischer Applikation die entzündungs-assoziierte korneale Lymphangiogenese durch eine Bindung an VEGF-A inhibiert. Aktuell sind verschiedene andere Substanzen (z. B. das anti-sense Oligonukleotid GS101) innerhalb klinischer Studien in Erprobung, die erste sehr vielversprechende Ergebnisse zeigen.
2.2.8 Biologika
Biologika sind Substanzen, die in lebenden Organismen hergestellt werden und ihre Wirksamkeit sehr spezifisch gegen bestimmte biologische Strukturen richten (z. B. Rezeptoren, Wachstumsfaktoren).
„Small-Molecules “
Als vielversprechende Therapie wird die Applikation von sog. Small-Molecule Antagonisten aktuell in klinischen Studien erprobt. Small-Molecules sind Stoffe mit einem Gewicht <500 Dalton, die im Gegensatz zu anderen Substanzen die Zellmembran in Targetgeweben leichter durchdringen sollen. Ein neues Small-Molecule ist das Lifitegrast® (SARcode Bioscience), das die Interaktion des Leukozytenfunktions-assoziierten Faktors LFA-1 mit dem Adhäsionsmolekül ICAM-1inhibiert und so die T-Zell Aktivierung, Proliferation, Migration und Chemokin Sekretion hemmen soll. Interessanterweise hemmt Lifitegrast dabei nicht nur die Migration der Leukozyten in die entzündeten Gewebe, sondern zudem die Antigenpräsentation durch APCs.
Mycofenolat-Mofetil (MMF)
Mycofenolat-Mofetil ist ein Mycophenolsäureester und hemmt über einen Eingriff in die Pyrimidin Synthese die Proliferation von Lymphozyten. Anwendung findet es insbesondere bei Autoimmunerkrankungen wie dem systemischen Lupus erythematodes. Da topisch appliziertes MMF im Tiermodell praktisch nur in die Augenoberfläche und die vorderen Augensegmente penetriert, ist eine Anwendung im Rahmen von Entzündungen der Augenoberfläche und der Vorderkammer naheliegend.
Adenosin-Rezeptor-Agonist (IB-MECA, CF101)
Oral eingenommene Adenosin-Rezeptor-Agonisten wie IB-MECA binden an einen Adenosin-Rezeptor, inhibieren die Proteinkinase B- oder NFκB-abhängig aktivierte B-Zellen sowie eine Proliferation autoreaktiver T-Zellen im Tiermodell der Uveitis. Ein topischer Therapieansatz im Rahmen eines Trockenen Auges befindet sich noch in der klinischen Testphase (Clinical Trial No. NCT01235234)
2.2.9 Induktion regulatorischer T-Zellen
Regulatorische T-Zellen (Tregs) nehmen einen wichtigen Platz in der körpereigenen Immunregulation ein. Eine Zunahme oder Induktion von Tregs wird als therapeutisch nutzbare Option zur Verminderung autoreaktiver Entzündung diskutiert. Erste präklinische Studien beweisen dabei, dass die Infusion von Tregs Autoimmunerkrankungen, wie Diabetes Typ 1, Rheumatoide Arthritis, Chronisch entzündliche Darmerkrankungen etc., verhindert und Abstoßungsreaktionen nach Knochenmark-, Inselzellen und Hauttransplantationen verzögert oder sogar aufhält. In Bezug auf Entzündungen des vorderen Augenabschnitts gibt es bislang keine experimentellen Daten, allerdings konnte kürzlich gezeigt werden, dass eine Kombination von IL-2, TGF-ß und Rapamycin Tregs induzieren konnte und damit einer möglichen therapeutischen Anwendung zur Verfügung steht.
2.2.10 Amnionmembrantransplantation
In schweren Fällen von Entzündungen des vorderen Augensegments werden kryokonservierte Amnionmembranen auf die Augenoberfläche transplantiert. Die Membranen enthalten eine Vielzahl an anti-entzündlichen und wachstumsfördernden Faktoren, wie IL-10, IL-1 Rezeptor Antagonisten oder Nerven Wachstumsfaktor (NGF) und supprimieren so die lokale Entzündung des unterliegenden Empfängergewebes. Die Reaktion bezieht auch die Inhibition aktivierter T-Zellen mit ein, die ebenfalls in Folge der Amnionmembrantransplantation supprimiert werden.
3 Chirurgische Maßnahmen bei entzündlichen Erkrankungen des vorderen Augenabschnitts (VAA)
3.1 Photodynamische Therapie (PDT) bei infektiöser Keratitis (engl. surgery, inflammatory disease, anterior eye segment)
Die photodynamische Therapie (PDT) wird seit etwa zehn Jahren in vielen medizinischen Disziplinen eingesetzt. Das Prinzip der PDT beruht darauf, dass ein Photosensibilisator nach Reaktion mit Licht einer bestimmten Wellenlänge freie Sauerstoffradikale erzeugt, die durch oxidative Schäden Zellen (eukaryontische Zellen, Bakterienmembranen etc.) aufbrechen und so eine Nekrose – oder, bei Wirkung auf die Mitochondrienmembran – eine Apoptose induzieren können (◘ Abb. 1.26). Es resultiert typischerweise eine rasche Reduktion der Entzündungsparameter.
Bei der „klassischen PDT“ an der Makula werden als Photosensibilisatoren überwiegend (z. B. Verteporfin) Porphyrine eingesetzt, die bei Bestrahlung mit rotem Licht einer Wellenlänge von 690 nm aktiviert werden (◘ Tab. 1.13).
Crosslinking (CXL) wird bereits seit 2006 in der Augenheilkunde eingesetzt. Durch CXL wird eine Quervernetzung der Kollagenfasern der Kornea erreicht, was die Progression des Keratokonus oder einer iatrogenen Keratektasie aufhalten kann. Bei CXL wird als Photosensibilisator Riboflavin eingesetzt, das durch UVA-Licht der Wellenlänge 370 nm aktiviert wird (◘ Tab. 1.13).
Aufgrund des rapiden Anstiegs der Resistenzbildung gegen Antibiotika sind alternative Therapiemöglichkeiten bei infektiösen Keratititiden gefordert. Photodynamische Therapie (PDT) oder photodynamische Inaktivierung (PDI) kann eine mögliche Therapie der infektiösen Keratitis darstellen.
3.1.1 Riboflavin-UVA-Crosslinking
Bereits 2009 zeigten Micelli Ferrari et al., dass CXL ein potentielles Therapieverfahren bei bakterieller Keratitis ist. Die Anzahl von klinischen Studien, die Riboflavin-UVA-Crosslinking als wirksame Therapieoption bei therapieresistenten und auch therapiesensiblen bakteriellen Keratitiden beschreiben, ist derzeit steigend. Durch Crosslinking konnten durch Escherichia coli, Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis, Mikrokokkus, Korynebakterien, Propionibakterien oder atypische Mycobakterien verursachte Keratitiden saniert werden. Weiterhin beschrieben Makdoumi et al. in ihrer Arbeit eine Vernarbung von Hornhautinfiltraten nach Crosslinking, ohne dass zusätzlich topische Antibiotika angewendet wurden (◘ Abb. 1.27). Khan et al. berichteten über die Wirksamkeit von adjuvantem Crosslinking als Therapie der Akanthamoebenkeratitis bei drei Patienten.
Weiterhin publizierten Iseli et al. und Müller et al., dass CXL als zusätzliche Therapieoption bei einem einschmelzenden Hornhautulkus Erfolg zeigte.
Der Einfluss von CXL Therapie bei Mikroorganismen wurde in mehreren in vitro Studien analysiert. Die Arbeitsgruppe um Ashley Behrens zeigte in ihrer Studie, dass die Kombination von UVA und Riboflavin bei Crosslinking schädigende Eigenschaften gegen Bakterien wie Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus, Staphylococcus epidermidis und Streptococcus pneumoniae in vitro hat (◘ Tab. 1.14). Es zeigte sich, dass nicht die Zellmembran geschädigt wird, sondern die Nukleinsäure.
Makdoumi et al. berichteten, dass Riboflavin-UVA Crosslinking Akanthamöben in vitro abtötet und dass sich die Abtötungsrate nicht signifikant unterscheidet, wenn nur UVA Licht ohne Riboflavin verwendet wird.
Nebenwirkungen auf gesundes umliegendes Gewebe grenzen das Anwendungsspektrum des CXL ein. Wollensak et al. analysierten den Effekt von Crosslinking auf humane Keratozytenkulturen. Es zeigte sich ein zytotoxischer Effekt von Riboflavin und UVA-Strahlung ab einer Flächenleistungsdichte von 0,5 mW/cm2. Diese Flächenleistungsdichte wird bei einer Bestrahlung der Hornhaut mit 3 mW/cm2 in einer Tiefe von 300 µm erreicht. Reichl et al. beschrieben, dass die Schäden an Keratozyten mit der Höhe der Bestrahlungsenergie durch CXL ansteigen: Die Prozentzahl der Zellen, die apoptotisch oder nekrotisch sind, wird zunehmen. Ein zytotoxischer Effekt auf das Hornhautendothel ist nach Wollensak et al. ab einer Hornhautdicke von unter 400 µm zu erwarten.
In vivo durchgeführte, konfokalmikroskopische Studien zeigen nach CXL-Behandlung ähnliche Ergebnisse wie die in vitro Studien: Die Keratozytendichte sinkt direkt nach der CXL Therapie. Immunohistochemische Studien zeigen, dass 5 bis 30 Monate nach CXL in den Keratozyten eine erhöhte Präsenz von antiapoptotischem survivin und proapoptotischem bax nachgewiesen wurde sowie auch eine erniedrigte Keratozytendichte.
Die Grenzen der Zytotoxizytät bei humanen Keratozyten und Mikroorganismen sind bei dem Photosensibilisator Riboflavin und bei der im klinischen Alltag verwendeten UVA im mikromolaren Bereich bei Keratozyten (0,025 % Riboflavin) und im millimolaren Bereich bei Mikroorganismen (2 mM, was der therapeutisch eingesetzten Konzentration von 0,1 % entspricht) (◘ Tab. 1.14).
3.1.2 Porphyrin (Chlorin e6)-rotes Licht-PDI
In früheren experimentellen Studien haben wir bereits die Wirkung des Photosensibilisators Chlorine e6 (Ce6) auf humane Keratozyten und Endothelzellen in der Zellkultur nach einer 13-minutigen 670 nm Bestrahlung getestet. Dabei konnten wir einen Anstieg der Apoptoserate ab 250 nM, eine erniedrigte Vitalität ab 100 nM bei Keratozyten und ab 150 nM bei Endothelzellen nachweisen (◘ Tab. 1.14).
Bei einer Konzentration des Photosensibilisators von 32 µM konnte bei 16 Candida albicans Isolaten eine Abtötung von 99,99 % nachgewiesen werden, bei einer Konzentration von > 64 µM bei 20 Staphylococcus aureus Isolaten und bei einer Konzentration von > 128 µM bei 20 Pseudomonas aeruginosa Isolaten (◘ Tab. 1.14).
Interessanterweise hat die Photodynamische Therapie (PDT) auch Einfluss auf die Aktivierung von Keratozyten. Es konnte eine Reduktion von alpha-smooth muscle actin positiven Keratozyten ab 250 nM Chlorin e6 Konzentration in vitro nachgewiesen werden. Mit ähnlichen Effekten könnte auch CXL als PDT die inflammatorische Antwort und Aktivierung von Keratozyten bei der infektiösen Keratitis verändern.
Um den Schaden an humanen Zellen zu reduzieren und die Zytotoxizität an Mikroorganismen zu erhöhen, bietet sich ein mit einem Photosensibilisator gekoppelter Antikörper an, der spezifisch an Mikroorganismen bindet. Diese modifizierten Photosensibilisatoren könnten Mikroorganismen effizienter schädigen, als direkt eingesetzte Photosensibilisatoren und so einen geringeren zytotoxischen Effekte auf die eukaryonten Zellen zeigen. Die Entwicklung von spezifischen Photosensibilisatoren mit gekoppelten Antikörpern könnte ein Weg der Zukunft sein.
Zusammenfassend stellt die Riboflavin-UVA Photodynamische Therapie in Hinblick auf die erhöhte Resistenzbildung gegenüber topischer Antibiotika bei infektiöser Keratitis eine mögliche adjuvante Therapieoption dar. CXL bewirkt durch die Bildung von freien Sauerstoffradikalen eine Schädigung der Zellmembranen von Bakterien, Pilzen und Protozoen und fördert so deren Abtötung. Zum jetzigen Zeitpunkt kann die PDI keinesfalls schon als eine probate Therapie der infektiösen Keratitis bezeichnet werden. Ob und wann PDI als adjuvante Standardtherapie bei Keratitis zugelassen werden kann, bleibt noch abzuwarten. Vor- und Nachteile sowie die Grenzen der PDI bei infektiöser Keratitis müssen in experimentellen und klinischen Studien evaluiert werden. Bis dahin bleibt sie eine alternative Therapieoption für die therapieresistente Keratitis als potentieller Off-label Einsatz in Sinne eines individuellen Heilversuchs.
Notes
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