Zusammenfassung
Rehabilitationskliniken behandeln Menschen mit chronischen Erkrankungen unter einem ganzheitlichen Ansatz, d.h. einem Bezug auf ein bio-psycho-soziales Modell. Forschung im Bereich der chronischen Krankheiten ist in der Medizin generell ein methodisch schwieriges Thema, woraus für die tägliche Praxis folgt, dass viele Behandlungen unter der Bedingung begrenzter wissenschaftlicher Evidenz erfolgen müssen. Dies begründet einerseits einen besonderen Forschungsbedarf und andererseits eine Schulung der Mitarbeiter, um Behandlungen unter Bedingungen der Unsicherheit (conditions of uncertainty) durchführen zu können. Forschung mit chronisch Kranken verlangt eine besondere Abwägung von Nutzen und Risiken mit Blick auf die Langzeitfolgen und die Achtung der primären Behandlungsverantwortung dessen, der den Patienten über die Jahre hin betreut. Da Patienten in Rehabilitationskliniken oft im Rahmen von sozialmedizinischen Verfahren und damit nicht ganz freiwillig bzw. mit Sekundärinteressen in Behandlung kommen, stellt sich die Frage der Sicherung der Freiwilligkeit der Einwilligung bei einer Forschungsteilnahme. Rehabilitationsforschung umfasst auch Struktur- und Versorgungsforschung, was bedeutet, dass auch Kliniken und Klinikmitarbeiter „Gegenstand“ der Forschung sind. Bezüglich dieser Personengruppen stellt sich bei entsprechenden Forschungsprojekten die Frage der Wahrung ihrer Anonymität und einer informierten Einwilligung. Da die Forschung in Rehabilitationskliniken häufig sehr nahe an der Versorgungspraxis ist, werden Interessen der Klinikträger, Kostenträger, Wissenschaftler und Klinikmitarbeiter berührt, die auch unmittelbar Einfluss auf die Wahl von Forschungsthemen oder die Interpretation und Publikation von Ergebnissen nehmen, was ein Disclosure von Interessenkollisionen erfordert. Obwohl es für die angesprochenen Fragen keine allgemein gültigen und eindeutigen Antworten gibt, ist eine Sensibilisierung für die gegebenen Probleme eine wichtige Voraussetzung für Lösungen im konkreten Fall.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Literatur
SGB IX (2008) Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBL I S. 1046), zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 22. Dezember 2008 geändert. http://www.juris.de. Zugegriffen: 01.02.13
Raczek K, Bölscher J, Schulenburg JM Graf v. d. (2000) Disease Management bei Diabetes mellitus. Cuvillier, Göttingen
Torpy JM, Lynm C, Glass RM (2006) JAMA patient page. Evidence-based medicine. JAMA 296: 1192
Strelzer J, Linden M (2008) Erhöhte Schmerzempfindlichkeit unter Dauerbehandlung mit Opiaten. Nervenarzt 79: 606–611
Weingart O, Windeler J, Becker W, Haen E, Härter M, De Jong-Meyer R, Linden M, Pientka L, Sandholzer H (2003) Leitlinien-Clearingbericht „Depression“. Schriftenreihe der Zentralstelle der Deutschen Ärzteschaft zur Qualitätssicherung in der Medizin, Köln
BMBF (2012) Rehabilitationsforschung, 2012. http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/579.php. Zugegriffen: 01.02.13
DGRW (2012) Bestandsaufnahme und Zukunft der Rehabilitationsforschung in Deutschland. Deutsche Gesellschaft für Rehabilitationswissenschaft, Hamburg
Linden M (1994) Therapeutic standards in psychopharmacology and medical decision-making. Pharmacopsychiatry 27: 41–45
Hall KH (2002) Reviewing intuitive decision making and uncertainty. The implications for medical education. Med Educ 36: 216–224
Linden M, Westram A (2012) Theory and evaluation of guidelines: What can be learned from controlled clinical trials on „guideline exposed (GE)“ and „guideline naive (GN)“ physicians in the treatment of hypertension, diabetes, and depression. Current Psychiatry Reviews (in press)
World Health Organization (2001) International classification of functioning, disability and health. World Health Organization, Geneva
Kreß H (2003) Medizinische Ethik. Kohlhammer, Stuttgart
Bernert S, Linden M (2011) Die Klassifikation von Verläufen chronischer Erkrankungen unter einer Lebensspannenperspektive als Grundlage der medizinischen Rehabilitation. Prävention und Rehabilitation 23: 87–103
Klose C, Matteucci-Gothe R, Linden M (2006) Die Vor- und Nachbehandlung in der stationären psychosomatischen Rehabilitation. Rehabilitation 45: 359–368
Lindow B, Naumann B, Klosterhuis H (2011) Kontinuität der rehabilitativen Versorgung – Selbsthilfe und Nachsorge nach medizinischer Rehabilitation der Rentenversicherung. In: DAG SHG (Hrsg) Selbsthilfegruppenjahrbuch 2011. Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen, Gießen
Popken H (2007) Fallmanagement der AOK bei Arbeitsunfähigkeit. Fehlzeitenreport A, Part 3: 173–185
Bämayr A (2010) Arbeitsunfähigkeit von psychisch Kranken. Wenn der Krankengeldfallmanager prüft. Neurotransmitter 10: 16–17
Victor N, Windeler J, Hasford J, Köpcke W, Linden M, Michaelis J, Röhmel J, Schäfer H (1997) Empfehlungen zur Durchführung von Anwendungsbeobachtungen. Informatik, Biometrie und Epidemiologie in Medizin und Biologie 28: 247–252
Linden M, Müller-Oerlinghausen B (1995) Aufgaben und Zukunft von Anwendungsbeobachtungen. Dtsch Ärztebl 92: C943
Hess R, Krimmel L (1996) Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Deutscher Ärzte-Verlag, Köln
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2013 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Linden, M. (2013). Ethische Aspekte der Forschung in Rehabilitationskliniken für psychische und psychosomatische Störungen. In: Helmchen, H. (eds) Ethik psychiatrischer Forschung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-35055-9_8
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-35055-9_8
Published:
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-35054-2
Online ISBN: 978-3-642-35055-9
eBook Packages: Medicine (German Language)