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Kontext: Logizismus und Intuitionismus

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An den Grenzen des Endlichen

Part of the book series: Mathematik im Kontext ((Mathem.Kontext))

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Zusammenfassung

Logizismus, Intuitionismus, Formalismus – diese Trias wurde zum mathematikphilosophischen Klassiker durch die drei entsprechenden Referate, die Rudolf Carnap, Arendt Heyting und John von Neumann auf der Grundlagenkonferenz 1930 in Königsberg hielten. Außerhalb der Kreise informierter Spezialisten hat sich durchgesetzt, diese drei Positionen als verschiedene Philosophien der Mathematik und damit als Alternativoptionen aufzufassen. Dabei ist es zum Standard geworden, Hilberts grundlagentheoretische Position unter die "formalistische" Alternative zu subsumieren. All dies ist sachlich nur begrenzt zutreffend, wie die folgenden Ausführungen zeigen sollen.

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Notes

  1. 1.

    von Neumann, Die formalistische [1931], 116.

  2. 2.

    Siehe Bernays, Philosophie der Mathematik [1930], 22.

  3. 3.

    So betiteln Demopoulos/Clark, Logicism [2005] ihren Aufsatz in Shapiro, Oxford Handbook [2005] mit „The Logicism of Frege, Dedekind, and Russell“.

  4. 4.

    So Gottlob Frege über die logischen Beweisführungen im Vorwort zu Frege, Begriffsschrift [1879], III.

  5. 5.

    Carnap, Die logizistische [1931], 91–92.

  6. 6.

    So zum Beispiel Rayo, Logicism [2005].

  7. 7.

    Carnap, Die logizistische [1931], 95.

  8. 8.

    Diese Ausdrucksweise blendet allerdings die scharfe Trennung von Beweisbarkeit und Wahrheit aus, die spätestens mit den Gödelschen Unvollständigkeitssätzen zum Proprium der Logik geworden ist. Ist man sich dessen bewußt, kann man die Redeweise jedoch aus zwei Gründen beibehalten: Erstens ging es den historischen Autoren immer um Wahrheit, wie besonders Frege betont hat, obgleich gerade er mit dem Logikkalkül das wertvollste syntaktische Werkzeug für die Logik geschaffen hat. Zweitens hat diese hergebrachte Position ja auch etwas vollkommen Richtiges an sich: Wenn die Verwendung von Kalkülen kein bloßes Glasperlenspiel sein soll, muß der Kalkül zumindest das Ziel haben, hypothetische Wahrheitsrelationen nachzubilden, wie: „Wenn die Bedingungen A wahr sind, dann ist auch B wahr.“ Mit Hilfe der Tarskischen Wahrheitsdefinition ist es auch möglich, einen logischen Schluß als einen solchen zu definieren, der in allen Strukturen wahrheitserhaltend ist. Diese Definition hat den Vorteil, auch für höherstufige Logiken tragfähig zu sein, auch wenn der Übergang zur syntaktischen Seite dort mangels Vollständigkeitssatz nicht mehr gegeben ist.

  9. 9.

    Vgl. Rayo, Logicism [2005]. – Mir ist nicht ganz klar, warum Rayo in diesem Zusammenhang fordert, daß Reformulierungen der mathematischen Sätze rein logisch ableitbar sein sollen. Sprach- und Wahrheitslogizismus wären sauberer getrennt, wenn man die Reformulierung nur beim Sprachlogizismus zulassen würde.

  10. 10.

    Vgl. auch die Ausführungen im Kap. 3

  11. 11.

    Vgl. Rayo, Logicism [2005].

  12. 12.

    Zu diesem neueren Logizismus oder Neologizismus vgl. Hale/Wright, Logicism [2005].

  13. 13.

    So beispielsweise im Logizismus-Kapitel von George/Velleman, Philosophies [2002].

  14. 14.

    Vgl. hierzu besonders den brillanten Aufsatz Tait, Frege versus [2005]. Tait hat wie nur wenige den Mut, den Versuchen, Frege heilig zu sprechen, die Stirn zu bieten, welche besonders durch einflußreiche Philosophen wie Michael Dummett betrieben werden, vgl. Dummett, Frege [1991], 292: „In Frege's writings, by contrast [to Brouwer and Hilbert, C.T.], everything is lucid and explicit: when there are mistakes, they are set out clearly for all to recognize.“ Und dann: „He [Frege, C.T.] was the greatest philosopher of mathematics yet to have written.Dummett, Frege [1991], 321. – Schon Hilbert hatte Frege offen darauf hingewiesen, daß er Cantor und Dedekind in den entsprechenden Passagen seiner Grundgesetze nicht gerecht würde; vgl. den Brief Hilberts an Frege vom 7.11.1903, der zugleich der letzte erhaltene Brief dieses Briefwechsels ist, Frege, Briefwechsel [1976], 80.

  15. 15.

    Vgl. George/Velleman, Philosophies [2002].

  16. 16.

    Vgl. Frege, Begriffsschrift [1879], VI.

  17. 17.

    Vgl. das Vorwort zu Frege, Begriffsschrift [1879], III–IV; sowie George/Velleman, Philosophies [2002].

  18. 18.

    Anders jedoch Freges eher traditionelle Sicht der Geometrie. Die Wahrheit von deren Axiomen will er strikt auf die Raumanschauung begründen; vgl. etwa den Brief an Hilbert vom 27.12.1899, Frege, Briefwechsel [1976], 63.

  19. 19.

    Vgl. Frege, Begriffsschrift [1879], III–IV.

  20. 20.

    Zugleich nimmt Frege damit die Leibnizsche Idee eines calculus ratiocinator oder calculus philosophicus auf; vgl. hierzu Peckhaus, Logik, Mathesis [1997], bes. 287–296. Die philosophische Anwendung zielt für Frege darauf ab, „die Herrschaft des Wortes über den menschlichen Geist zu brechen“, und zwar dadurch, daß sie die Täuschungen des Sprachgebrauchs aufdeckt und „den Gedanken von demjenigen befreit, womit ihn allein die Beschaffenheit des sprachlichen Ausdrucksmittels behaftet“; vgl. Frege, Begriffsschrift [1879], VI–VII.

  21. 21.

    Vgl. vor allem die ersten Briefe zwischen Frege und Hilbert in Frege, Briefwechsel [1976], 58–60.

  22. 22.

    Die hier mitbehauptete Rechts-Eindeutigkeit der Nachfolgerelation läßt sich leicht zeigen.

  23. 23.

    Frege, Grundlagen [1884], 91.

  24. 24.

    Vgl. Frege, Grundlagen [1884], § 79–83.

  25. 25.

    Axiom V setzt voraus, daß es zu jedem Begriff B dessen Extension, den sog. „Wertverlauf“ \(\omega x. B(x)\) gibt. Das Axiom selbst behauptet dann, daß die Wertverläufe zweier Begriffe genau dann identisch sind, wenn die Begriffe koextensional sind:

    $$\forall B \forall C ( \omega x . B (x) = \omega x . C (x) \leftrightarrow \forall x (B(x) \leftrightarrow C (x) )).$$

    Vgl. Frege, Grundgesetze [1893], I, §20.

  26. 26.

    Terence Parsons bewies 1987 die Konsistenz von Axiom V mit erststufiger Logik, vgl. Parsons, Consistency [1987]. Richard Heck konnte dieses Resultat 1996 auf das arithmetische Komprehensionsschema ausdehnen (d. h. das Komprehensionsschema eingeschränkt auf Formeln, die höchstens zweitstufige Variablen, aber keine zweitstufigen Quantoren haben), vgl. Heck, Consistency [1996]. Und 1999 zeigte schließlich Kai F. Wehmeier gegen Hecks Vermutung auch die Konsistenz mit Δ 11 -Komprehension, vgl. Wehmeier, Consistent Fragments [1999].

  27. 27.

    Bernays, Philosophie der Mathematik [1930], 23, behauptet mit ausdrücklichem Bezug auf Frege und andere, daß man „in den verschiedenen Systemen der Logistik […] nirgends den spezifisch logischen Gesichtspunkt als allein beherrschend [findet], sondern überall von vornherein mit mathematischer Betrachtungsweise durchsetzt.“ Bernays bezieht sich im Folgenden allerdings auf den „ausgesprochen mathematischen Charakter“ des Logikkalküls. Es ist die Frage, ob „Eindrücke“ vom „Charakter“ eines Kalküls für die Frage, ob dieser seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird, unmittelbar aussagekräftig sind. – Hilbert jedenfalls scheint schon 1904 davon überzeugt gewesen zu sein, daß bei der systematischen Entwicklung der Logik selbst arithmetische Grundbegriffe verwendet werden müssen; explizit nennt er den Begriff der Menge und den Begriff der Anzahl; er zieht daraus den Schluß, daß „eine teilweise gleichzeitige Entwicklung der Gesetze der Logik und der Arithmetik erforderlich“ sei; vgl. Hilbert, Grundlagen Logik [1905].

  28. 28.

    Cantor, Rezension Frege [1885].

  29. 29.

    In den Metatheorien der Mengenlehre oder auch der zahlentheoretischen Axiomensysteme, die mit der Konstanten 0 und der Nachfolgerfunktion (′, S oder suc) oder mit den Konstanten 0 und 1 und der Addition (+) operieren, wird von einem Begriff natürlicher Zahlen ebenfalls immer schon Gebrauch gemacht. Um die Zahl 2 im Formalismus durch 0′′ oder 0 + 1 + 1 zu definieren, muß auf der Metaebene, auf der der Formalismus selbst definiert ist, immer etwas gesagt werden wie „zweimal …“, sei es „zweimal ′ an das Zeichen 0 anhängen“ oder „zur 0 zweimal +1 bilden“. Um die mengentheoretische Repräsentation der Zahl 2 zu definieren, muß man ebenfalls auf der metatheoretischen Ebene angeben, daß die Nachfolgeroperation \(x\mapsto x\cup\{ x\}\) auf die leere Menge ∅ zweimal anzuwenden sei. In der Fregeschen Definition ist es die Anzahl der Quantoren bzw. der Konjunktionsglieder, die letztlich die zu definierende Zahl bestimmt. Wieviele solche logischen Zeichen hinzuschreiben sind, kann nicht anders als mittels der Zahl n bestimmt werden. Eine Lösung dieser Schwierigkeit wird man nur erhalten, wenn man ein Stellenwertsystem explizit berücksichtigt (ähnlich Edmund Husserl in seiner Philosophie der Arithmetik). Im üblichen dekadischen System kann man dann die explizite Definition auf die Zahlen 1 bis 10 beschränken und diese Definition mittels des Stellenwertsystems auf größere Zahlen „hochziehen“. Dann erst würde man zur Definition der Zahl 37 nicht mehr die 37 (semantisch) in Anspruch nehmen, sondern nur noch ihre syntaktische Struktur (bestimmter Aufbau aus „3“ und „7“).

  30. 30.

    Das genannte Problem verschärft sich noch einmal deutlich, wenn man mit Carnap an einer konstruktivistischen Tendenz des Logizismus festhält. Wenn eine Begriffsbildung tatsächlich nur eine Namensgebung für etwas schon Vorhandenes ist und es keine sog. „schöpferischen“ Definitionen geben kann, so hätte eine Begriffsbildung, bei der eine (unbewiesene) Existenzbehauptung verwendet wird, einen ernsten Defekt. Vgl. Carnap, Die logizistische [1931], 94; zu den „schöpferischen Definitionen“ auch Dubislav, Schöpferische Definitionen [1928].

  31. 31.

    Zur Eliminierbarkeit von Definitionen vgl. auch Carnap, Die logizistische [1931], 95.

  32. 32.

    Vgl. Hilbert, Neubegründung [1922], 162.

  33. 33.

    Vgl. Hilberts entsprechende Stellungnahme in Hilbert, Über das Unendliche [1926], 176.

  34. 34.

    Zu diesem Zweck war es allerdings nötig, die mathematische Theorie aus dem logischen Kalkül heraus viel weiter zu entwickeln, als Frege dies getan hat. Kurt Gödel hat das mit aller Deutlichkeit ausgedrückt: „Frege war infolge seiner peinlich genauen Analyse der Beweise nicht über die elementarsten Eigenschaften der Reihe ganzer Zahlen hinausgekommen“, Gödel, Russells [1986], V.

  35. 35.

    Dedekind, Stetigkeit [1872] bzw. Dedekind, Was sind [1888].

  36. 36.

    Carnap erwähnt in seinem Königsberger Vortrag über die logizistische Grundlegung der Mathematik von Dedekinds Arbeiten einzig die Konzeption der reellen Zahl als Schnitt in den rationalen Zahlen, vgl. Carnap, Die logizistische [1931], 94. Von einer weitergehenden Bedeutung Dedekinds für das logizistische Programm ist keine Rede. Bernays schreibt die Axiomatisierung der Zahlentheorie im Haupttext von Hilberts Untersuchungen über die Grundlagen der Arithmetik Peano zu, während Dedekind nur in der zugehörigen Fußnote erwähnt wird im Zusammenhang mit seinem Beweis für die generelle Lösbarkeit der Rekursionsgleichungen, vgl. Bernays, Hilberts Untersuchungen [1935], 197.

  37. 37.

    Siehe z. B. Sieg/Schlimm, Dedekind [2005].

  38. 38.

    Vgl. Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 121.

  39. 39.

    So z. B. Sinaceur, L'infini [1974], 251, der auch schon darauf hinwies, daß Dedekind die natürlichen Zahlen ganz in der Art Hilberts durch Axiome charakterisiert.

  40. 40.

    Im Vorwort bringt Dedekind zum Ausdruck, wie ihn die unbefriedigende Situation, eine Analysis-Vorlesung halten zu müssen, ohne daß er eine strenge Grundlegung dieser Disziplin finden konnte, zu seinen grundlagentheoretischen Arbeiten geführt hat.

  41. 41.

    Die Verwendung von Paaren und Äquivalenzrelationen zwischen ihnen zum Aufbau von Zahlsystemen scheint auf den (etwas exzentrischen) Mathematiker Sir William Hamilton zurückzugehen, der im Vorwort zu seinen Vorlesungen über Quaternionen die komplexen Zahlen als Paare reeller Zahlen einführte. Dedekind hat Hamiltons Quaternionen-Buch anscheinend gekannt, so Ferreirós, Labyrinth [1999], 220. Er selbst hat die Paarmethode allerdings nicht in seinen publizierten Schriften verwendet, dafür aber in einem nachgelassenen Manuskript, vgl. Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 136–138.

  42. 42.

    Dedekind gelangte zu der darin durchgeführten Konzeption auf einem langen Weg mühevoller und gründlicher Forschungen, die im steten Wechsel von eher analytischen und eher synthetischen Zugangsweisen das zu erreichen suchten, was bei der Begründung der Analysis noch offen geblieben war. Dieser Weg ist durch einige Manuskripte aus dem Nachlaß dokumentiert, die mittlerweile auch näher erforscht sind, vgl. Sieg/Schlimm, Dedekind [2005].

  43. 43.

    Im Gegensatz zu einer damals verbreiteten Definition („größer als jede endliche Menge“, o. ä.) setzt diese Definition nicht schon einen Begriff von endlichen Anzahlen voraus. Dadurch ist sie überhaupt erst für eine Grundlegung der Theorie der natürlichen Zahlen brauchbar.

  44. 44.

    Während Dedekind konsequent von „System“ spricht, variieren wir gelegentlich zu „Menge“.

  45. 45.

    Dies ist die Unendlichkeits-Definition, die Dedekind in Nr. 64 von Was sind gibt. Im Vorwort zur zweiten Auflage gibt er noch die Alternativ-Definition an, ein System S heiße endlich, wenn es eine Selbstabbildung f gibt derart, daß f keinen echten Teil von S in sich selbst abbildet. Vgl. Dedekind, Gesammelte Werke [1932], III, 342.

  46. 46.

    Vgl. Dedekind, Was sind [1888], Nr. 71.

  47. 47.

    Vgl. Dedekind, Was sind [1888], Nr. 72.

  48. 48.

    Vgl. Dedekind, Was sind [1888], Nr. 71. Dedekind spricht hier sogar explizit davon, daß „das Wesen eines einfach unendlichen Systems N in der Existenz einer Abbildung […] und eines Elements 1“ besteht, „die den folgenden Bedingungen α, β, γ, δ genügen“.

  49. 49.

    Die Zweitstufigkeit ist in Dedekinds Ansatz unvermeidbar, da N als kleinste unter f abgeschlossene (und 1 enthaltende) Menge definiert wird, also durch einen zweitstufigen Quantor („…enthält die Elemente, die in allen …vorkommen“). Historisch bemerkenswert ist Dedekinds eigene Motivation für diese Minimalitätsforderung, denn ihm stand schon die Möglichkeit von Nicht-Standard-Modellen für erststufige Axiomensysteme deutlich vor Augen, wie folgende Passage aus seinem Brief an Keferstein zeigt:

    Aber ich habe in meiner Entgegnung (III) gezeigt, daß diese Thatsachen [= diejenigen, die durch die erststufigen Axiome ausgedrückt werden, C.T.] noch lange nicht ausreichen, um das Wesen der Zahlenreihe \(\mathcal{N}\) vollständig zu erfaßen. Alle diese Thatsachen würden auch noch für jedes System \(\mathcal{S}\) gelten, welches außer der Zahlenreihe \(\mathcal{N}\) noch ein System \(\mathcal{T}\) von beliebigen anderen Elementen t enthält, auf welches die Abbildung ϕ [entspricht hier: f, C.T.] sich stets so ausdehnen läßt, daß sie den Charakter der Ähnlichkeit behält, und daß \(\phi(\mathcal{T})=\mathcal{T}\) wird. Aber ein solches System \(\mathcal{S}\) ist offenbar etwas ganz Anderes, als unsere Zahlenreihe \(\mathcal{N}\) […] Was muß also zu den bisherigen Thatsachen noch hinzu kommen, um unser System \(\mathcal{S}\) von solchen fremden, alle Ordnung störenden Eindringlingen t wieder zu reinigen und auf \(\mathcal{N}\) zu beschränken? Dies war einer der schwierigsten Puncte meiner Analyse, und seine Überwindung hat ein langes Nachdenken erfordert. […] Also: wie kann ich, ohne irgend welche arithmetische Kenntniß vorauszusetzen, den Unterschied zwischen den Elementen n und t unfehlbar begrifflich bestimmen? Ganz allein durch die Betrachtung der Ketten (37, 44 meiner Schrift), durch diese aber auch vollständig! Will ich meinen Kunstausdruck ‚Kette‘ vermeiden, so werde ich sagen: ein Element n von \(\mathcal{S}\) gehört dann und nur dann der Reihe \(\mathcal{N}\) an, wenn n Element jedes solchen Theils \(\mathcal{K}\) von \(\mathcal{S}\) ist, welcher die doppelte Eigenschaft besitzt, daß das Element 1 in \(\mathcal{K}\) enthalten ist, und daß das Bild \(\phi(\mathcal{K})\) Theil von \(\mathcal{K}\) ist.Dedekind, Brief Keferstein [1890], 2–3

  50. 50.

    Vgl. Dedekind, Was sind [1888], Nr. 134.

  51. 51.

    Dedekind formuliert diesen Schritt so:

    Wenn man bei der Betrachtung eines einfach unendlichen, durch eine Abbildung ϕ geordneten Systems N von der besonderen Beschaffenheit der Elemente gänzlich absieht, lediglich ihre Unterscheidbarkeit festhält und nur die Beziehungen auffaßt, in die sie durch die ordnende Abbildung ϕ zueinander gesetzt sind, so heißen diese Elemente natürliche Zahlen oder Ordinalzahlen […] In Rücksicht auf diese Befreiung der Elemente von jedem anderen Inhalt (Abstraktion) kann man die Zahlen mit Recht eine freie Schöpfung des menschlichen Geistes nennen.Dedekind, Was sind [1888], Nr. 73

  52. 52.

    Vgl. Dedekind, Was sind [1888], Nr. 66.

  53. 53.

    Vgl. Bolzano, Paradoxien [2012], § 13.

  54. 54.

    Nach Sinaceur, L'infini [1974], 254, spricht dafür sowohl, daß Dedekind im Allgemeinen exzellente Literaturkenntnisse besaß, als auch, daß er in intensivem Gedankenaustausch mit Cantor stand, dem Bolzano wohlvertraut war. Ähnlich auch Dugac, Dedekind [1976], 81 u. 88; Belna, Notation de nombre [1996], 37, 38 u. 54ff.; Ferreirós, Labyrinth [1999], 243–246. Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 148–150, halten allerdings eine Entscheidung in dieser Frage für Spekulation.

  55. 55.

    Ganz allgemein weist Emmy Noether in ihrem kurzen Kommentar zum Wiederabdruck von Was sind in Dedekinds Gesammelten Werken darauf hin, daß Zermelos Axiome teilweise direkt aus § 1 von Was sind übernommen sind. Vgl. Dedekind, Gesammelte Werke [1932], III, bes. 344–347, und Zermelo, Untersuchungen [1908]; Noethers Bemerkung bei Dedekind, Gesammelte Werke [1932], III, 390–391.

  56. 56.

    Vgl. Cantor, Mitteilungen I [1887a]; Cantor, Mitteilungen II [1887b] und Cantor, Mitteilungen III [1888]; sowie Cantor, Beiträge I [1895] und Cantor, Beiträge II [1897].

  57. 57.

    Vgl. Dummett, Frege [1991], 52 u. 50. – „Verdorbene Theorie“ ist der Versuch, Dummetts Wendung „misbegotten theory“ im Deutschen wiederzugeben.

  58. 58.

    Vgl. Tait, Frege versus [2005].

  59. 59.

    Dedekind, Was sind [1888], 333.

  60. 60.

    So auch Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 122.

  61. 61.

    Dagegen hält McCarty, Mysteries of Dedekind [1995], bes. 70, Dedekind für einen Kantianer.

  62. 62.

    Dedekind, Was sind [1888], 334.

  63. 63.

    Das Zitat lautet im englischen Original: „nothing but the terms of such relations as constitute a progression“.

  64. 64.

    Das Zitat lautet im englischen Original: „the existence of numbers is a consequence of a mental power to abstract from particular characteristics“.

  65. 65.

    Hilbert, Grundlagen Geometrie [1899].

  66. 66.

    Dedekind, Was sind [1888].

  67. 67.

    Das von Cantor aufgeworfene Problem mit der All-Menge bzw. des Dedekindschen Systems all dessen, was Gegenstand meines Denkens sein kann, zeigt nach Hilbert die Ungangbarkeit von Dedekinds Begründungsweg; vgl. Hilbert, Axiomatisches Denken [1918], 411; Hilbert, Neubegründung [1922], 162.

  68. 68.

    So noch Ferreirós, Labyrinth [1999].

  69. 69.

    So auch Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 156.

  70. 70.

    Sieg und Schlimm machen es gerade als Charakteristikum von Dedekinds Methodik in Was sind aus, daß er einen axiomatischen Zugang wählt, der mit einem genetischen Zugang auf methodisch kohärente Weise zusammengefügt ist; Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 122. Dedekinds Vorgehen ist zumindest auch als axiomatisches aufzufassen, wie oben erläutert, womit die Kritik, Dedekind sei „unmodern“ weil anti-axiomatisch (Ferreirós, Labyrinth [1999]), als erledigt gelten muß.

  71. 71.

    So Sieg/Schlimm, Dedekind [2005], 156–157.

  72. 72.

    Nach Hilberts Brief an Frege vom 7.11.1903 (Frege, Briefwechsel [1976], 79–80) soll Zermelo diese Paradoxie schon vor Russell entdeckt haben. Das braucht hier nicht vertieft zu werden.

  73. 73.

    So Mancosu, Russellian Influence [2003], 60.

  74. 74.

    Sie wird u. a. von Zermelo häufiger zitiert, z. B. in Zermelo, Untersuchungen [1908].

  75. 75.

    In ihren Bemerkungen zu den Paradoxieen von Russell und Burali-Forti (Grelling/Nelson, Bemerkungen [1908]) beschäftigen sich Nelson und Grelling unter Anderem mit Russells Vorschlag aus Russell, Les Paradoxes [1906], die nach ihm benannte Paradoxie durch seine „keine-Klassen-Theorie“ zu lösen.

  76. 76.

    Vgl. Sieg, Hilbert's Programs [1999], 14.

  77. 77.

    Zur Darstellung in diesem Abschnitt vgl. besonders Mancosu, Between Russell [1999b].

  78. 78.

    Ewald/Sieg, Lectures [2013], 13.

  79. 79.

    Hilbert, Wintersemester 17/18 [1918*].

  80. 80.

    Hilbert, Axiomatisches Denken [1918].

  81. 81.

    Auf diese Position Hilberts, nach der eine logizistische Reduktion der Mathematik möglich ist, verweisen Sieg, Hilbert's Programs [1999], 3,11–12; Moore, Hilbert [1997] und Mancosu, Between Russell [1999b], 308.

  82. 82.

    Vgl. Ewald/Sieg, Lectures [2013], 27.

  83. 83.

    Ähnlich die Darstellung von Behmann in seinem Göttinger Kolloquiumsvortrag 1914: In den Principia Mathematica seien zum ersten Mal die zwei Traditionsstränge der mathematischen Logik, die algebraische „Mathematik der Logik“ und die axiomatische (?) „Logik der Mathematik“ zusammengeführt, vgl. Mancosu, Between Russell [1999b], 306. – Gödel fügt dem noch eine deutliche Kritik an:

    Es ist zu bedauern, daß es dieser ersten umfassenden und durchgehenden Darstellung der mathematischen Logik und der Ableitung der Mathematik aus ihr so sehr an formaler Genauigkeit […] mangelt, daß sie in dieser Hinsicht einen beträchtlichen Rückschritt im Vergleich zu Frege bedeutet.Gödel, Russells [1986], VI

    Gödel hatte zuvor an Frege kritisiert, gerade wegen seiner peinlichen Genauigkeit nicht über die elementarsten Dinge hinausgekommen zu sein. In seiner Sicht kamen Whitehead und Russell zwar viel weiter, dafür jedoch auf Kosten der Genauigkeit.

  84. 84.

    Vgl. Carnap, Die logizistische [1931], 95–96.

  85. 85.

    Es sollte wohl erwähnt werden, daß gelegentlich ein Zusammenhang zwischen Russells Reduzibilitätsaxiom und Hilberts Vollständigkeitsaxiom gesehen wird. Dieser Zusammenhang bleibt allerdings letztlich unklar. Vgl. z. B. Mancosu, Between Russell [1999b], 307.

  86. 86.

    Vgl. schon Carnap, Die logizistische [1931], 97.

  87. 87.

    Vgl. Hilbert, Wintersemester 17/18 [1918*], 245.

  88. 88.

    So der Schlußsatz der Vorlesung Wintersemester 1917/18; Hilbert, Wintersemester 17/18 [1918*], 246.

  89. 89.

    Hilbert, Wintersemester 17/18 [1918*], 245.

  90. 90.

    Hilbert, Sommersemester 20 [1920a*], 32.

  91. 91.

    Dies später auch Bernays betont, siehe z. B. Bernays, Hilberts Untersuchungen [1935], 201.

  92. 92.

    Vgl. Mancosu, Between Russell [1999b], 307.

  93. 93.

    Zit. nach Mancosu, Between Russell [1999b], 306.

  94. 94.

    Hilbert nennt die Principia einmal in seiner typischen, leicht pathetischen Art: „die Krönung des Werkes der Axiomatisierung überhaupt“.

  95. 95.

    von Neumann, Die formalistische [1931], 116, charakterisiert das Verdienst Russells als „die exakte und erschöpfende Beschreibung ihrer [= der Mathematik, C.T.] Methoden“.

  96. 96.

    Vgl. hierzu auch Bernays, Hilberts Untersuchungen [1935], bes. 201–202.

  97. 97.

    Diese „Logizismus-Sympathie“ hat Hilbert etwa durch seine große Wertschätzung der Ansätze Freges und Dedekinds zum Ausdruck gebracht. Einschränkend ist allerdings hinzuzufügen, daß Frege im Briefwechsel mit Hilbert weitaus entschiedener und grundsätzlicher für die Verwendung von symbolischen Kalkülen eintritt als dieser; vgl. den Briefwechsel in Frege, Briefwechsel [1976], 58–80, sowie hier das Kapitel über Axiomatik (Kap. 3).

  98. 98.

    So bewerten Ewald/Sieg, Lectures [2013], 255, Hilberts Vorlesung.

  99. 99.

    Hilbert, Sommersemester 20 [1920a*], 32–33.

  100. 100.

    Vgl. Hilbert, Über das Unendliche [1926], 170–171.

  101. 101.

    In seinem Pariser Vortrag sagt Hilbert sogar wörtlich, daß die „Forderung der logischen Deduktion […] nichts anderes [ist] als die Forderung der Strenge in der Beweisführung“; vgl. Hilbert, Mathematische Probleme [1900a], 257. Ähnlich in der Vorlesung vom Wintersemester 1920 (Hilbert, Wintersemester 20 [1920*], 46); vgl. Ewald/Sieg, Lectures [2013], 281.

  102. 102.

    Diese Fregesche Motivation machte Hilbert bspw. anhand der Richardschen Paradoxie (Definition in 100 Worten eines in 100 Worten nicht definierbaren Begriffs) deutlich; vgl. seine Vorlesung Grundlagen der Mathematik aus dem Wintersemester 1922/23 (Hilbert, Wintersemester 22/23 (Kneser) [1923*], 2).

  103. 103.

    Vgl. von Neumann, Die formalistische [1931], 116.

  104. 104.

    Zum Intuitionismus im Allgemeinen ist hilfreich: Heyting, Grundlegung [1931]; Schlimm, Against against [2005].

  105. 105.

    Vgl. Brouwer, Intuitionism and Formalism [1912], 67, 69–70.

  106. 106.

    Vgl. etwa Hilbert, Neubegründung [1922], 160.

  107. 107.

    Dies ist gegen McCartys These festzuhalten, nach der es vorgeblich mathematische Einsichten sind, die zum Intuitionismus führen.

  108. 108.

    Heyting, Grundlegung [1931], 106.

  109. 109.

    Vgl. Brief Freges an Hilbert vom 1.10.1895; Frege, Briefwechsel [1976], 58–59.

  110. 110.

    Heyting, Grundlegung [1931], 106–107.

  111. 111.

    Brouwer, Intuitionism and Formalism [1912], 67.

  112. 112.

    Gödel, Eine Interpretation [1933f].

  113. 113.

    Russell, The Principles [1903].

  114. 114.

    So Mints, Russell's Anticipation [2001].

  115. 115.

    So van Dalen, Brouwer [1999].

  116. 116.

    Heyting, Grundlegung [1931], 115.

  117. 117.

    Vgl. hierzu auch Bernays, Hilberts Untersuchungen [1935], 202.

  118. 118.

    Brouwer, Begründung Mengelehre [1918]; Weyl, Grundlagenkrise [1921]. – Zum Stand der Forschung siehe Hesseling, Gnomes [2003] und die zugehörigen Rezensionen.

  119. 119.

    So van Atten, Hesseling Rezension [2004], 424.

  120. 120.

    Vgl. von Neumann, Die formalistische [1931], 116.

  121. 121.

    Heyting, Grundlegung [1931], 115.

  122. 122.

    von Neumann, Die formalistische [1931], 116.

  123. 123.

    von Neumann, Die formalistische [1931], 116.

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Tapp, C. (2013). Kontext: Logizismus und Intuitionismus. In: An den Grenzen des Endlichen. Mathematik im Kontext. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-29654-3_4

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