Zusammenfassung
Die Universität Erlangen-Nürnberg hat eine besondere Beziehung zu den Bereichen Medizin und Ethik. In der Gegenwart wird die Metropolregion Nürnberg, zu der auch Erlangen und Fürth gehören, oft als „Medical Valley“ bezeichnet, in dem Wissenschaft und Wirtschaft für das Gesundheitswesen eng verzahnt sind. Die Medizinische Fakultät und das Universitätsklinikum Erlangen leisten Patientenversorgung, akademische Ausbildung und wissenschaftliche Forschung auf höchstem Niveau.
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Notes
- 1.
Die Vereinigung zur „Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg“ erfolgte erst 1961 mit Eingliederung der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg.
- 2.
Zur Geschichte der Medizin- und Bioethik siehe Frewer (2011) sowie Eissa u. Sorgner (2011).
- 3.
Vgl. auch Schöne-Seifert (1993) und Kiesecker (1996). Eine an der Professur für Ethik in der Medizin in Vorbereitung befindliche Dissertation von Karolina Miedaner wird diese Debatte nochmals genauer darstellen.
- 4.
Dies lässt sich auch daran ablesen, wie die deutsche Öffentlichkeit auf den „Erlanger Jungen“ des Jahres 2009 reagierte. „15 Jahre später war ein ähnlicher Versuch erfolgreich: Im Jahr 2008 gelang es Erlanger Medizinern, die Schwangerschaft einer nach einem Herzinfarkt ins Koma gefallenen 40-Jährigen fortzusetzen. Nach 22 Wochen, in der 35. Schwangerschaftswoche, wurde ein gesunder Junge durch einen Kaiserschnitt entbunden.“ (http://de.wikipedia.org/wiki/Erlanger_Baby, 23.08.2011). Nicht zuletzt aufgrund der differenzierteren Berichterstattung und guter Zusammenarbeit mit dem Ethikkomitee blieben negative Reaktionen in diesem aktuellen Fall aus.
- 5.
Der in Erlangen und Freiburg initiierte Studentenverband verbreitete sich mit Regionalgruppen u. a. auch in Aachen, Berlin, Heidelberg und Würzburg, wo aktive Gruppen Veranstaltungen organisierten und auf eine Integration der Medizinethik in das Curriculum der Ärzteausbildung hinwirkten. Ein erster Bundeskongress in Bonn (1990) etwa widmete sich dem Thema „Ethik im Studium der Medizin“, in Würzburg wurde eine Tagung zu ethischen Problemen der Behinderung ausgerichtet, dokumentiert bei Kleinert et al. (1997).
- 6.
Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf die professionelle Ethikberatung am Klinikum Nürnberg: Ausgehend vom engagierten „Ethikkreis“ an der 4. medizinischen Klinik (Nephrologie) ist inzwischen auch ein Ethikforum sowie eine mobile Ethikberatung für andere Einrichtungen der Nürnberger Klinik entstanden. Eine Dissertationsstudie von Stephan Kolb ist hierzu in Vorbereitung.
- 7.
Die folgenden Abschnitte zur Vorgeschichte des Klinischen Ethikkomitees (KEK) am Universitätsklinikum Erlangen basieren auf Zeitzeugenberichten und schriftlichen Quellen (Archiv der Geschäftsstelle des KEK). Neben anderen Beiträgen sei hier insbesondere auf die noch unpublizierte Zusammenstellung von Pfarrer Johannes Eunicke (Evangelische Klinikseelsorge Erlangen) hingewiesen, der diese freundlicherweise der Geschäftsführung des Ethikkomitees zur Verfügung gestellt hat.
- 8.
Ein Artikel in der Lokalpresse (Erlanger Nachrichten vom 22.02.2001) hatte über einen Patienten berichtet, der nach einer Transplantation verstorben war. Eine Nachrichtensendung hatte den Fall aufgegriffen. Da keine medizinischen Fehler nachgewiesen werden konnten, wurde das nach Strafanzeige von den Angehörigen eingeleitete Verfahren zur Frage fahrlässiger Tötung jedoch eingestellt. Der Umgang mit den Angehörigen bei Überbringung der Todesnachricht war ein weiterer Aspekt der Kritik.
- 9.
Seinerzeit wurden die Themen Sterbehilfe (mit Bezug zur Debatte in den Niederlanden), Patientenverfügungen und der Verzicht auf Wiederbelebung („VaW-Order“) als vordringlich angesehen.
- 10.
Einen wichtigen Anteil an der Entwicklung des Klinischen Ethikkomitees hatte die Einbindung des Lehrstuhls Systematische Theologie II (Ethik). Der inzwischen emeritierte Fachvertreter ist Sozialethiker und bringt sich bis heute engagiert in die Arbeit des Klinischen Ethikkomitees ein. Die Kombination der praktischen Beschäftigung mit Fragen der Medizinethik mit einer fundierten wissenschaftlichen Ausrichtung universitärer Ethik, ist für die Reflektion im Ethikkomitee sehr wichtig.
- 11.
Prof. Andreas Frewer, M.A., hat die Professur seit dem Sommersemester 2006 kommissarisch vertreten (parallel zur Leitung in Hannover), seit 2007 ist er Stelleninhaber und Nachfolger von Prof. Jochen Vollmann (jetzt Bochum).
- 12.
Die höhere Zahl als 20 ist bedingt durch eine Vertreterregelung der Klinikseelsorge und Pflege. Des Weiteren ist aktuell ein Wechsel im Amt des Patientenfürsprechers zu verzeichnen, die Nachfolgerin ist noch nicht in das Ethikkomitee berufen worden. Darüber hinaus gibt es eine engere Zusammenarbeit mit dem Justiziariat des Universitätsklinikums.
- 13.
Der Fall einer schwangeren Frau, die aufgrund eines Herzinfarkts ins Wachkoma fiel und schließlich nach 22 Wochen von einem gesunden Jungen entbunden werden konnte, war dabei einer der umfangreichsten Beratungsfälle (vgl. ▶ Abschn. 7.2) – dieser zählt aber trotz diverser Beratungstermine in der Statistik nur als „ein“ Fall.
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Frewer, A., Bruns, F., Rascher, W. (2012). Medizinethik an der Universität Erlangen-Nürnberg. In: Frewer, A., Bruns, F., May, A. (eds) Ethikberatung in der Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25597-7_7
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