FormalPara Zusammenfassung

Kein Flugzeug fliegt, kein Bordcomputer rechnet, kein Mauszeiger bewegt sich, kein Handy klingelt ohne Coltan. Spätestens seitdem die Mikroelektronik mit Internet, PCs und Mobiltelefonen zu einem Massenprodukt geworden ist, hat die wirtschaftliche Bedeutung des begehrten Roherzes enorm zugenommen. Denn die in ihm enthaltenen Metalle erwiesen sich aufgrund ihrer spezifischen chemischen Eigenschaften als wichtige Baumaterialien für nahezu alle elektronischen Geräte.

In der Öffentlichkeit war Coltan dagegen bis vor rund 10 Jahren kaum bekannt. Ein Grund dafür ist vermutlich das etwas verwirrende Namenskonstrukt. Denn Coltan steht für Columbit-Tantalit, eine Mineralgruppe, die aus den beiden metallischen Elementen Tantal und Niob besteht. In der Erdkruste tauchen die beiden Metalle stets gemeinsam auf, meist in Granitvorkommen.

Vor allem Tantal gilt dabei als kostbar. Mit einem enorm hohen Schmelzpunkt von 2.996 °C und einem Siedepunkt von 5.429 °C ist es eines der temperaturbeständigsten Metalle . Ebenso gehört es zu den am wenigsten reaktiven Elementen überhaupt. Bei Zimmertemperatur widersteht Tantal selbst Säuren und Basen, erst ab 150 °C wird es von diesen angegriffen. Wegen dieser Beständigkeit konnte es erst verhältnismäßig spät industriell genutzt werden. Doch gerade weil das Metall chemisch so stabil und kaum von Korrosion gefährdet ist, kommt es mittlerweile unter anderem in der Medizintechnik und bei medizinischen Implantaten zum Einsatz. So werden zum Beispiel Knochennägel, Prothesen oder Kieferschrauben für Zahnimplantate aus Tantal gefertigt.

Ebenso nutzt man Tantal als Bestandteil von Superlegierungen. Diese Mischungen aus zahlreichen Metallen mit unterschiedlichen Eigenschaften sollen die Materialbeständigkeit von extrem beanspruchten Bauteilen – zum Beispiel für Gasturbinen oder Flugzeugmotoren – garantieren. Die hohe elektrische Kapazität von Tantal und damit die Fähigkeit, elektrische Ladung zu speichern, prädestiniert es zudem für den Einsatz in elektrischen Kondensatoren. Die ersten Tantal-Elektrolytkondensatoren wurden bereits in den 1930er Jahren gebaut. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelten Wissenschaftler die Technik maßgeblich weiter, mit dem Effekt, dass heutige Elektronikprodukte kaum noch ohne Tantal auskommen.

Dem großen Bedarf gegenüber stand seit Beginn der industriellen Nutzung die Tatsache, dass Tantal ein sehr seltenes Element ist. Von den 80 stabilen der insgesamt etwa einhundert chemischen Elemente rangiert es im Vorkommen weltweit auf Platz 50. Innerhalb der Erdkruste ist Tantal mit einem Anteil von nur 0,00017 % vorhanden. Zum Vergleich: Eisen kommt dort mit einem Anteil von 4,6 % vor, Calcium mit etwa 3,6 % und Kupfer mit 0,006 %.

Kein Wunder, dass mit steigender Nachfrage nach Tantal in den 1990er Jahren – als elektronische Geräte für Verbraucher erschwinglicher und aufgrund der „digitalen Revolution“ immer notwendiger wurden – auch der Preis für das Metall in die Höhe schoss. Während eines ersten Coltan-Booms um das Jahr 2000 war Tantal auf dem Weltmarkt teurer als Silber und kostete pro Kilogramm etwa 500 US-$. Mittlerweile liegt der Preis nach einem zwischenzeitlichen Tief – es wurden mehrere neue Lagerstätten erschlossen – wieder bei deutlich über 300 US-$ pro Kilo (Stand Februar 2011). Tendenz allerdings stark steigend.

Eines ist sicher: Coltan und seine Bestandteile Tantal und Niob sind endliche Rohstoffe. Pro Jahr werden nur etwa 1.400 t reines Tantal produziert, rund 60 % davon gehen in den Bau von elektronischen Geräten wie Mobiltelefonen, Laptops oder Spielekonsolen. Mit Niob wird dagegen hauptsächlich Stahl veredelt. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln stuft heute sowohl Tantal als auch Niob unter dem Gesichtspunkt künftiger Verfügbarkeit als „besonders kritische“ Rohstoffe sein, ähnlich wie Chrom, Molybdän oder Platinmetalle.

„Blut-Coltan“

Ein Großteil der weltweiten Coltan-Reserven liegt im Herzen Afrikas, vor allem in der Demokratischen Republik Kongo (DRC). Und Coltan ist auch eine der Ursachen der Kongokriege , die seit 1996 über 5 Mio. Todesopfer gefordert haben – mehr als jeder andere Konflikt seit dem Zweiten Weltkrieg. Erst im Jahre 2009 wurde der dritte und bisher letzte Kongokrieg zumindest offiziell für beendet erklärt. Mehr als 10 Jahre lang hatten sich zuvor in diesem Bürgerkrieg rivalisierende Gruppen gegenseitig verfolgt. Dabei wurden ethnische Identitäten im Kampf um politische und ökonomische Vorherrschaft instrumentalisiert. Denn in den ostkongolesischen Provinzen Ituri und Kivu liegen die größten Goldvorräte der Welt, es gibt aber auch Diamanten, Erdöl und eben Coltan.

Der Konflikt entwickelte sich in den 1990er Jahren und richtete sich gegen die teilweise schon seit der Kolonialzeit in Kivu lebenden Einwanderer aus Ruanda und Burundi. Als nach dem Völkermord in Ruanda 1994 über 1 Mio. Flüchtlinge aus Ruanda in den Kongo kamen, unter ihnen auch die für den Völkermord an Tutsi und moderaten Hutu verantwortlichen Hutu-Milizen, eskalierte der Konflikt. Kongolesische und ruandische Milizen gingen seitdem gemeinsam gegen die im Kongo lebenden ruandischen und kongolesischen Tutsi vor. Nachdem im Jahr 2000 ruandische und ugandische Truppen in der Provinzhauptstadt Kisangani gegeneinander kämpften und dabei 600.000 Kongolesen umkamen, beriefen die Vereinten Nationen eine Untersuchungskommission ein. Sie sollte der illegalen Ausbeutung von Rohstoffen im Kongo nachgehen. Denn im illegalen Rohstoffhandel vermutete man sowohl eine Ursache für die Konflikte, gleichzeitig aber auch eine Geldquelle, durch die die Kriegsparteien ihre Kämpfe finanzieren konnten. Schnell war in den Medien unter anderem vom „Blut-Coltan“ die Rede.

Offiziell behauptete der ruandische Präsident Paul Kagame gegenüber den Vereinten Nationen, die ethnischen Konflikte in der Republik Kongo verhindern zu wollen. Doch die UN-Kommission kam zu dem Schluss, dass sowohl der ugandische Präsident Yoweri Museveni als auch Kagame in Wirklichkeit die Fäden beim illegalen Rohstoffexport in den Händen hielten. Die Kommission bezeichnete sie gar als „Paten des illegalen Rohstoffhandels“. Ihr Auftritt im Kongo galt allein den Mineralressourcen des Landes. 85 westliche Konzerne, so der UN-Bericht aus dem Jahr 2002 weiter, seien damals am Handel mit kongolesischen Rohstoffen beteiligt gewesen – wenn auch zum Teil nur indirekt – und hätten so zur persönlichen Bereicherung einzelner Kriegstreiber und zur Finanzierung des Bürgerkriegs beigetragen. Auch ein deutsches Unternehmen gab es auf der Liste, das 75 t Coltan von den Kriegsparteien eingekauft und an ein auf die Produktion von Tantal spezialisiertes Unternehmen hierzulande verkauft hatte.

Die Zeit des Coltan-Booms und der zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen im Kongo fiel mit der steigenden Popularität von Spielekonsolen und Handys zusammen. Während sich die reichen Industrienationen mit Computerspielen und Mobiltelefonen eindeckten, profitierten die Kriegstreiber im Kongo von der großen Nachfrage nach Coltan.

Bergbau statt Landbau

Der steigende Bedarf an dem seltenen Erz führte zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht nur dazu, dass zahlreiche große internationale Industrieunternehmen in den Abbau und den Handel einstiegen – auch außerhalb von Zentralafrika wurden in Südamerika, Australien und Kanada Vorkommen entdeckt, deren Nutzung sich lohnte. Doch da in Zentralafrika die weitaus größten Reserven des begehrten Erzes lagern, brachte hier der Coltan-Boom auch die stärksten sozialen Veränderungen mit sich. Zu dieser Erkenntnis kommt jedenfalls eine gemeinsame Studie der kongolesischen Entwicklungshilfe-Organisation Pole-Institut, des Deutschen Evangelischen Entwicklungsdienstes und der deutschen Tageszeitung taz. Zur Zeit des großen Coltan-Booms Ende 2000 bis August 2001 untersuchten die Entwicklungshelfer insbesondere die Gegend um Masisi im Osten der Demokratischen Republik Kongo – dort leben die Menschen traditionell von Landwirtschaft – und die Region um die Coltan-Minen von Numbi.

Anders als in den Industrieländern Kanada oder Australien, wo Abbaulizenzen vergeben werden und der Abbau selbst industriell erfolgt, hofften durch den Kleinbergbau im Kongo oder in Ruanda auch einfache Menschen, finanziell vom Coltan-Rausch zu profitieren. Ihr Ziel war es, sich aus ihrer oft ärmlichen Lebenssituation zu befreien. In dem durch den Bürgerkrieg entstandenen wirtschaftlichen und politischen Vakuum gab es zudem kein staatlich reguliertes Abbausystem. Jeder der wollte, konnte anfangen zu graben. Professionelle Händler vermittelten anschließend den Verkauf des abgebauten Coltans und drückten den Lohn oft zu ungunsten der Bergleute, während die Preise auf dem Weltmarkt stiegen. Dennoch – während man im Kongo damals als Bauer etwa 10 $ pro Monat verdiente, brachte der Coltan-Bergbau bis zu 50 $ pro Woche ein. „Natürlich kann der Coltan-Abbau unsere Alltagsprobleme langfristig nicht lösen“, so ein befragter Minenarbeiter, ein ehemaliger Bauer, in einem der zahlreichen Interviews, die das Pole-Institut für die Studie durchführte. „Aber wir verdienen jetzt sehr viel mehr Geld als vorher.“ Kurzfristig könne er sich auf keinen Fall vorstellen, wieder als Bauer zu arbeiten. Aber das verdiente Geld wolle er später wieder ins seine Landwirtschaft zuhause investieren.

Auch Célestin Maniriho, Manager einer Coltan-Mine in Numbi, sah nur die positiven Effekte des Bergbaus: „Die Arbeitslosigkeit nimmt ab, durch den Krieg vertriebene Menschen finden neue Arbeit, Schüler und Lehrer können arbeiten und Geld verdienen, während sie auf den Wiederaufbau der Schulen warten.“ Doch viele Kongolesen wurden auch enttäuscht. So berichten Nzakuza and Ndagije, zwei Coltan-Kumpel aus Luwowo und Mishavu, dass sie in den Minen zwar mehr Geld verdienten als zuhause als Bauern. Doch sei die Versorgung in den Bergarbeiter-Camps doppelt bis dreimal so teuer wie daheim. Alles Geld würde so wieder aufgebraucht. „Oft kehren wir ohne Geld nach Hause zurück, weil wir alles für Essen ausgegeben haben.“ Seine Zukunft sah im Interview keiner von beiden im Coltan-Abbau. „Wir hoffen, eines Tages einen großen Diamanten zu finden und uns davon Vieh und Felder kaufen zu können.“ Wie Nzakuza and Ndagije verließen viele Kongolesen ihre heimatlichen Dörfer mitsamt Feldern und Vieh, überließen die Landwirtschaft den Frauen und verdingten sich als Minenarbeiter. Die Folge: Nahrungsmittelknappheit, denn viele Felder wurden nicht mehr bewirtschaftet, die Lebensmittel wurden teurer.

Auch viele Kinder verdingten sich in den Minen, oft auf Geheiß ihrer Eltern. Alphonse Batibwira, Lehrer aus Matanda meint: „Mehr als 30 % der Kinder und fünf bis 10 % der Lehrer hier haben die Schule verlassen, um stattdessen in den Minen zu arbeiten.“

Handarbeit ersetzt Maschinenkraft: Artisanaler Coltan‑Bergbau

Auch heute, rund 10 Jahre nach dem ersten großen Coltan-Boom, leben noch immer viele Menschen vom Abbau des Roherzes – einem der wenigen Wirtschaftsbereiche, die im Kongo noch weitgehend funktionieren –, denn die Nachfrage auf dem Weltmarkt ist weiterhin enorm. Aktuell gehört die Demokratische Republik Kongo trotz des Rohstoffreichtums zu den ärmsten Regionen der Welt. Im Human Development Index 2010 der Vereinten Nationen liegt das Land auf Platz 168 und ist damit vorletzter. Für viele Menschen bleibt der Coltan-Abbau deshalb nach wie vor eine Alternative zur Landwirtschaft.

„Rund 2 Mio. Bergleute gibt es in der Demokratischen Republik Kongo“, schätzt denn auch Jürgen Vasters von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), „und rund 10 Mio. vom Kleinbergbau abhängige Menschen – das sind rund 20 % der Gesamtbevölkerung des Landes.“ Diese Bergleute im so genannten artisanalen Bergbau, der nahezu ausschließlich in Handarbeit erfolgt und kaum mechanisiert ist, haben bis vor kurzem – je nach Rohstoff – zwischen 80 und 100 % der kongolesischen Gesamtproduktion gefördert. Neben Coltan stehen unter anderem Gold und Silber sowie Wolfram und Kobalt auf der Liste der im Kongo abgebauten Rohstoffe. Weltweit sind inzwischen sogar rund 15 Mio. Menschen im artisanalen und Kleinbergbau beschäftigt. Wissenschaftler schätzen aber, dass insgesamt sogar 100 Mio. Menschen existenziell davon abhängig sind. Zum Vergleich: Der industrielle Bergbau beschäftigte zur Jahrtausendwende weltweit lediglich etwa 7 Mio. Menschen.

Der Bürgerkrieg im Kongo hat der Entwicklung des Kleinbergbaus Vorschub geleistet. Doch obwohl dadurch zahlreiche alternative Einkommensquellen entstanden sind, birgt er auch Gefahren. „Obwohl die meisten Berggesetze den artisanalen Bergbau theoretisch regeln, ist der Einfluss der gesetzlichen Bestimmungen auf den Sektor in der Realität sehr gering“, so Frank Melcher, der an der BGR den Kleinbergbau im Kongo untersucht hat. „Die Arbeitsbedingungen sind schlecht, Kinder- und Zwangsarbeit sind üblich. Die mangelnde Arbeitssicherheit führt darüber hinaus häufig zu Unfällen.“ Aufgrund der fehlenden technischen Ausrüstung und mangelnder Ausbildung sind die Bergarbeiter in den Coltan-Minen des Ost-Kongo besonderen Gefahren ausgesetzt. Vor allem Erdrutsche verursachen dort immer wieder Todesfälle. Oft graben die Bergleute an Berghängen bis zu 6 m tief. Wenn die Löcher mit Wasser volllaufen, können sie einstürzen, oder der gesamte Hang rutscht ab.

Zudem werden die Bergleute während der Anfangsphase ihrer Tätigkeit oft von Händlern zwischenfinanziert und sind später dann gezwungen, dieses Darlehen abzuarbeiten. Die Folge: langfristige Abhängigkeit. Die Minenarbeiter selbst können die geförderten Rohstoffe kaum selbst verkaufen, da sie weder über die technische noch die ökonomische Infrastruktur verfügen, und so keinen Zugang zu freien Rohstoffmärkten finden. Händlern vor Ort gibt dies die Möglichkeit, die Preise noch stärker zu diktieren als ohnehin.

Chemischer Fingerabdruck soll Kriege verhindern

Die Kongokriege haben gezeigt, wie der Kampf um Rohstoffe derartige Konflikte wirtschaftlich und politisch beeinflussen kann. Seitdem die Vereinten Nationen die illegalen Handelsströme des kongolesischen Coltans aufgedeckt und westliche Unternehmen weltweit angeprangert haben, galt der Rohstoff aus dem afrikanischen Bürgerkriegsland auf dem Weltmarkt als nicht mehr akzeptabel. Eine Zeitlang hat kongolesisches Coltan daher nahezu keine Rolle mehr gespielt und wurde boykottiert. Firmen wie H.C. Starck aus Deutschland, Weltmarktführer bei der Verarbeitung von Coltan, verpflichteten sich, nur noch solches Roherz zu kaufen, von dem klar war, dass es ohne Umwelt- und Gesundheitsschäden und unter Einhaltung internationaler Förderstandards produziert wird. Bislang existiert jedoch in der Rohstoffwirtschaft kein Verfahren, mit dem Produkte aufgrund von Nachhaltigkeits- und Entwicklungsstandards in der Produktion gekennzeichnet werden – etwa vergleichbar mit den Gütesiegeln, die es in Forstwirtschaft und Fischerei bereits gibt.

Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe hat deshalb im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) ein Konzept erarbeitet, um soziale und ökologische Mindeststandards beim Abbau mineralischer Rohstoffe in Entwicklungsländern sicherzustellen. Mit diesem Konzept sollen die Handelsketten dieser Rohstoffe und die beteiligten Partner zertifiziert werden. So wolle man legale von illegalen Handelswegen unterscheiden, so Markus Wagner von der BGR. Ebenso soll den Produzenten aus dem Kleinbergbau auf diese Weise der Weg zu den industriellen Rohstoffabnehmern vereinfacht werden.

Mithilfe eines „chemischen Fingerabdrucks“ können auch konkrete Herkunftsnachweise für bestimmte Erze, Minerale oder Metalle in das Konzept der BGR einbezogen werden. Zum Einsatz kommen dabei Methoden, mit denen die Rohstoffe auf ihr Alter und ihre spezifischen chemischen und mineralogischen Eigenschaften untersucht werden. Denn aufgrund seiner geologischen Entstehung kann ein Coltan-Erz aus dem Kongo andere Merkmale aufweisen als ein solches aus Ruanda. So variieren mitunter beispielsweise die prozentualen Anteile an Tantal und Niob oder bestimmte Gang- und Nebengesteine im Erz weisen auf eine eindeutige Herkunft hin. Besonders einfach ist dies bei Erzen und Mineralen, deren Mineralogie und Geochemie relativ variabel sind, die aber nur in wenigen Lagerstättentypen und Liefergebieten vorkommen. Coltan, so die BGR, habe all diese Voraussetzungen, das Roherz sei somit besonders für die Zertifizierung geeignet.

Regionaler Schwerpunkt für die Zertifizierung von Rohstoffen soll Afrika sein. Einerseits sind mineralische Rohstoffe für Entwicklungsländer wirtschaftlich besonders wichtig. Andererseits ist die Steuerung und Kontrolle in der Rohstoffwirtschaft dort in vielen Ländern so defizitär, dass die Produktion weder transparent noch nachhaltig ist. Das Zertifizierungsverfahren der BGR soll demnächst kongolesisches und ruandisches Coltan sauber voneinander unterscheiden. Denn was man in jedem Fall verhindern will ist, dass erneut Coltan aus Minen unter militärischer Kontrolle auf den Weltmarkt gelangt und der Konflikt im Kongo so möglicherweise wieder angefacht wird.

Coltan-Abbau im Gorilla-Land

Der Coltan-Abbau in Zentralafrika bringt nicht nur wirtschaftliche und soziale Probleme mit sich, sondern richtet auch erhebliche Umweltschäden an. Ausgerechnet dort, wo die wichtigsten Coltan-Lagerstätten zu finden sind – im Osten der Demokratischen Republik Kongo an der Grenze zu Uganda und Ruanda –, erstreckt sich einer der artenreichsten Naturräume der Region. Dieser tropische Regenwald ist lange Zeit nahezu unberührt geblieben und beherbergt eine einzigartige Tier- und Pflanzenwelt. Hier liegt beispielsweise der Kahuzi Biega National Park, der bereits seit 1980 zum UNESCO-Weltnaturerbe gehört. Auf 2.100 bis 2.400 m Höhe über dem Meeresspiegel und auf etwa 600.000 ha erstreckt sich hier ein zusammenhängendes Stück tropischen Regenwalds, das sich um die beiden Vulkane Kahuzi und Biega zieht. In diesem Schutzgebiet sind zahlreiche seltene Tierarten zu finden, wie beispielsweise der Östliche Flachlandgorilla. Rund 86 % der insgesamt noch etwa 5.000 bis 10.000 Mitglieder umfassenden Gesamtpopulation dieser Gorilla-Unterart leben im Kahuzi Biega National Park. Mit 790.000 ha noch größer ist der Virunga-Nationalpark im Großen Afrikanischen Grabenbruch. Dort hat ein Großteil der noch verbliebenen seltenen Berggorillas ein letztes Rückzugsgebiet gefunden. Etwa 790 Tiere gibt es dort nach Schätzungen aus dem Jahr 2010 noch.

Doch der Coltan-Abbau hat auch hier seine Spuren hinterlassen. Wie der Dian Fossey Gorilla Fund schon vor einiger Zeit in einer Studie nachwies, zerstört der Erz-Abbau insbesondere den Lebensraum der Gorillas und nimmt ihnen so die Lebensgrundlage. So wird beispielsweise der Regenwald abgeholzt, um neue Fundstätten zu erschließen, Bergarbeiter-Camps zu errichten oder sich mit Feuerholz zu versorgen. Die Flüsse dagegen verschmutzen durch das Auswaschen der Coltan-Lagerstätten, das beeinflusst die Fischbestände und das Wachstum von Wasserpflanzen. Durch das Abholzen kommt es laut dem Report darüber hinaus immer wieder zu Erdrutschen, die den verbliebenen Lebensraum langfristig zerstören. Die Gorillas, aber auch andere Arten wie Elefanten oder im Regenwald lebende Raubkatzen werden durch den Abbau so gestört oder sogar ganz aus ihrer Heimat verdrängt. Doch nicht nur die Umweltveränderungen machen den Tieren zu schaffen, die Gorillas werden auch gejagt. Ihr Fleisch ist als so genanntes „Bushmeat“ sehr begehrt.

Die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) betreibt im Virunga-Nationalpark deshalb eines ihrer ältesten und wichtigsten Schutzprojekte zur Rettung der Gorillas. Bis heute, so die ZGF, ist die Gefahr für die Affen längst nicht gebannt. Denn nach wie vor sei offensichtlich gerade der Lebensraum der Gorillas – die unzugänglichen Regenwälder – ein bei den noch existierenden Rebellen und Militärmilizen beliebtes Gebiet um abzutauchen. Schon häufig seien Gorillas dabei Schießereien zum Opfer gefallen oder aus reiner Provokation getötet worden.

Coltan – ein „kritischer“ Rohstoff

Grundsätzlich gilt: Nicht jedes Kilogramm Coltan ist aus ökologischen oder politischen Gründen bedenklich. Die Betreiber der Minen in Australien, Kanada, Ägypten oder Brasilien haben sich internationale Förder-Standards auferlegt – auch wenn dies für den Endabnehmer schließlich mehr kostet. Doch mittlerweile kommt laut einem Bericht der Tagesschau im August 2010 wieder etwa die Hälfte des auf dem Weltmarkt benötigten Tantals aus Zentralafrika, vor allem aus dem Kongo. Dazu Gudrun Franken von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe: „Die Produktion in Australien ist rund doppelt so teuer wie die Produktion in Afrika. Insofern kaufen natürlich Händler großteils in Afrika ein.“

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe und das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung IZT haben Anfang 2009 eine Studie vorgelegt, die den zukünftigen Rohstoff-Bedarf bestimmter Zukunftstechnologien analysiert. „Eine Reihe von Zukunftstechnologien ist auf bestimmte seltene Metalle so stark angewiesen, dass ihr massenhafter Ausbau durch Rohstoffengpässe bedroht ist“, warnte Lorenz Erdmann, Experte für seltene Metalle beim IZT. Zu den betroffenen Technologien gehört auch die Mikroelektronik, bei der Tantal zum Einsatz kommt. Es steht deshalb zusammen mit Niob auch auf der Liste mit 14 „kritischen Rohstoffen“, die die EU-Kommission im Juni 2010 vorgelegt hat. Die Empfindlichkeit der Rohstoffe verbrauchenden Wirtschaftssektoren ist insbesondere dort erhöht, wo die Möglichkeit fehlt, knappe und teure Rohstoffe zu ersetzen. Dies gilt vor allem, wenn diese Rohstoffe nur in wenigen Ländern vorkommen, die zudem in politisch instabilen Regionen liegen – so wie es beim Coltan der Fall ist. Spätestens bis zum Jahr 2030 könnte es daher in Deutschland zu erheblichen Engpässen bei Hightech-Metallen wie Tantal oder Niob kommen. Weltweit gibt es nach einer Schätzung des USGS aber immerhin Coltan-Reserven für noch 150 Jahre.

Keramik statt Tantal?

Doch gibt es vielleicht Alternativen zum besonders wichtigen Tantal? Kann man es durch andere Rohstoffe oder Materialien ersetzen? Bei den elektrischen Mikro-Kondensatoren könnte das Metall künftig nach Ansicht von Experten vielleicht von Keramiken abgelöst werden. So ist es der deutschen EPCOS AG bereits gelungen, alternativ zu Tantal-Kondensatoren nahezu gleichwertige Produkte aus Keramik zu entwickeln. Sie haben sich zum Teil sogar als robuster erwiesen, sind jedoch in Bezug auf das Verhältnis von Größe und Kapazität den Tantal-Kondensatoren noch unterlegen. Christoph Schnitter vom Tantal-Produzenten H.C. Starck hält ebenfalls vor allem Keramik- und auch Aluminium-Kondensatoren für zukunftsträchtig.

Schnitter und seine Kollegen erforschen derzeit aber auch die Möglichkeiten, Niob für Kondensatoren zu nutzen. Bislang verhinderte die mangelnde Reinheit von Niob in Verbindung mit der notwendigen großen Oberfläche dessen Einsatz. Doch in einer Pilotanlage im Hauptsitz seines Unternehmens in Goslar stellen Schnitter und seine Kollegen mittlerweile hochreines Niob her. Dies wiederum liefern sie an spezialisierte Firmen, die alternative Niob-Kondensatoren entwickeln, welche etwa gleich leistungsfähig sind wie solche aus Tantal. Während Tantal-Kondensatoren für Betriebsspannungen bis 60 V geeignet und unerreicht stabil und zuverlässig sind, eignen sich die günstigeren Kondensatoren mit Niob bisher jedoch nur für Spannungen bis 10 V. Tantal setzt man deshalb gerne in Bauteilen ein, die besonders zuverlässig arbeiten müssen, etwa in Flugzeugen, Autos oder in der Medizintechnik. Niob dagegen ist ein Produkt für den Massen- und Wegwerfmarkt und bisher besser geeignet für Spielekonsolen und Laptops.

Die alternativen Neuentwicklungen haben laut Schnitter aber noch ihre Tücken. Aluminium-Kondensatoren seien zwar preiswert, hätten aufgrund ihrer flüssigen Kathode jedoch recht hohe Widerstände. „Bis zu zehn herkömmliche Aluminium-Kondensatoren“, so Schnitter, „können deshalb für bestimmte Anwendungen durch einen Niob-Kondensator ersetzt werden. Der Preisvorteil des Aluminiums ist dann allerdings wieder dahin.“ Zwar gibt es auch Hochleistungs-Kondensatoren aus Aluminium mit einem leitfähigen Polymer als Kathode, aber die sind deutlich teurer. Bei den Keramik-Kondensatoren ist es ähnlich: Wenn nur kleine Kapazitäten benötigt werden, sind sie konkurrenzlos günstig. Die Zukunft, davon sind Schnitter und seine Kollegen überzeugt, gehört jedoch den Niob-Kondensatoren. Denn die immer höheren Taktraten bei Computern bringen immer niedrigere Betriebsspannungen mit sich, wie sie für Niob-Kondensatoren erforderlich sind. Wenn die weltweiten Coltan-Reserven ausgehen, wäre damit allerdings dennoch nicht viel gewonnen.