Zusammenfassung
Im Unterschied zu anderen großen wissenschaftlichen Theorien – Einsteins Relativitätstheorie, der Quantenmechanik, Mendels Vererbungsgesetzen – hat fast jeder Mensch eine gewisse Vorstellung von der darwinschen Evolutionstheorie. Das relativ einfache Grundmuster der biologischen Evolution – differenzielle Reproduktion aufgrund unterschiedlicher Eignung in Konkurrenzsituationen – ist vor allem im Vergleich zu den soeben genannten physikalischen Theoriegebäuden anschaulich und nachvollziehbar. Bestimmte Schlagworte, mit denen die Evolution umschrieben werden kann, sind allgemein geläufig: natürliche Selektion, survival of the fittest, Vererbung, Artentstehung, Anpassung.
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Siehe als eines der ersten Werke Lange, 1865, insbes. S. 25 ff., der aus dem Vergleich mit dem evolutionären Prozess in der Natur zu dem Schluss kommt, Arbeiter müssten „aus ihrer unwürdigen Abhängigkeit von den Unternehmern“ befreit, materiell besser gestellt und die eklatanten Einkommensunterschiede zwischen Arbeitern und Unternehmern verringert werden. Diese Anwendung des Darwinismus auf soziale Fragen ist sehr weit vom Sozialdarwinismus des späten 19. Jahrhunderts entfernt.
- 2.
Siehe dazu Kutschera, 2006, S. 61 ff.
- 3.
Etwa der 1861 gefundene Archaeopteryx, der den Übergang von den Reptilien zu den Vögeln markiert.
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Siehe etwa Simon, 1998, S. 73, dessen Kurzumschreibung des Selektionsmechanismus in Fn. 15 stark von sozialdarwinistischen Deutungen geprägt scheint: Er spricht davon, dass sich beim Mechanismus der natürlichen Selektion „der Stärkere“ durchsetze, was aus Sicht der Evolutionsbiologie falsch ist. Entscheidend ist nicht eine wie auch immer ausgeprägte Stärke, sondern die „Fitness“, die sich am besten mit „Eignung“ umschreiben lässt. Die sehr viel stärkeren Dinosaurier hatten keine Chance gegen die damals deutlich schwächeren Säugetiere. Stärke, auch geistige, ist kein Selektionskriterium, kann sogar hinderlich sein. Zum zweiten spricht Simon vom Mechanismus der natürlichen Selektion, der bei Konkurrenz „notwendig“ sei. Auch dies ist eine sozialdarwinistisch geprägte Vorstellung von einem von außen herangetragenen und zielgerichteten Ausleseprozess. Richtig ist vielmehr, dass beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen natürliche Selektion zwingend stattfindet, ohne dass dabei ein Zweck verfolgt wird, auch nicht der des Konkurrenzabbaus.
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Ellis u. Hoffmann, 1990, S. 52 ff., haben 1986 eine Umfrage unter 182 amerikanischen Kriminologen (Teilnehmer der Tagung der ASC) durchgeführt und sie nach der wissenschaftlichen Grundausrichtung bei ihren Untersuchungen über delinquentes Verhalten befragt. Von 14 Antworten (u. a. Symbolischer Interaktionismus, Behaviorismus, Positivismus, struktureller Funktionalismus, Humanismus, Kulturrelativismus, Neurologie/Neuroendokrinologie, Religion, Existenzialismus) wurde Darwinismus an letzter Stelle gereiht.
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Siehe etwa Walsh, 2002, S. 222 ff.; Ellis u. Walsh, 1997.
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So vor allem der emeritierte Professor der Rechtswissenschaft Phillip E. Johnson, 1991, der als Vordenker des „Intelligent Design“ gilt, einer Nachfolgebewegung des amerikanischen Kreationismus, die ohne direkten Bezug zur biblischen Schöpfungsgeschichte die darwinsche Evolutionstheorie massiv in Zweifel zieht. Zu kreationistischen Tendenzen in Deutschland siehe vor allem Kutschera, 2004.
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Eine hervorragende und äußerst detaillierte Biografie Darwins bieten Desmond u. Moore, 1991. Deutlich kompakter Junker, 2001, sowie Hemleben, 1968.
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Schon im vorsokratischen Griechenland wurden Ansätze einer einfachen Evolutionslehre vertreten, so von Anaximander, der die Welt als ein stetes Entstehen und Vergehen auffasste und vermutete, der Mensch habe sich im Körper von Fischen entwickelt, aus denen er sich erst befreien und an Land gehen konnte, nachdem er in der Lage war, für sich selbst zu sorgen, siehe Thoms, 2005, S. 8; Riedl, 2003, S. 13. Zwar lässt sich heute nicht mehr entscheiden, ob nach Anaximander zwischen Fischen und Menschen auch ein abstammungsmäßiger Zusammenhang besteht, es ist aber erstaunlich, dass er den Ursprung des Menschen im Wasser sieht, und das Leben auf dem Land erst eine zweite, komplexere Stufe darstellt, siehe Rapp, 1997, S. 50 f. Siehe auch Graeser, 1994, S. 18 f. Zu Lukrez’ „darwinistischen“ Vorstellungen in seinem Gedicht „De rerum naturae“ siehe Riedl, 2003, 18.
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S. Wuketits, 2000, S. 15.
- 11.
Weber, 2005, S. 46 f.
- 12.
Weber, 2005, S. 47: Der Priester und Naturkundler John Ray (1628–1705) nahm in seinem 1691 erschienene Werk The Wisdom of God Manifested in the Works of the Creation die vollkommene Einpassung der Tiere und Pflanzen in ihre Umwelt als Beweis für die Weisheit Gottes.
- 13.
Paley, 1802, S. 1 f.: „Nehmen wir an, ich ginge über eine Heide und stieße dabei mit dem Fuß gegen einen Stein und jemand würde mich fragen, wie der Stein dorthin gekommen sei; ich könnte vielleicht antworten, daß er, soviel ich wüßte, immer dort gelegen habe: und vielleicht wäre es nicht einmal sehr einfach, die Absurdität dieser Antwort aufzuzeigen. Nehmen wir nun aber an, ich hätte eine Uhr auf dem Boden gefunden und man würde nachforschen, wie die Uhr an diesem Platz zu liegen gekommen sei, so würde mir wohl kaum die Antwort einfallen, die ich zuvor gegeben hatte, nämlich daß, soviel ich wüßte, die Uhr schon immer dort gelegen haben müsste.“ (Übersetzung nach Dawkins, 1987, S. 17).
- 14.
Paley, 1802, S. 3 f.
- 15.
Paley, 1802, S. 9, 13.
- 16.
Paley, 1802, S. 19: „For every indication of contrivance, every manifestation of design, which existed in the watch, exists in the works of nature; with the difference, on the side of nature, of being greater and more, and that in a degree which exceeds all computation“. Siehe Lauder, 1996, S. 57 f., der die möglichen Interpretationen der Paley’schen Argumentation untersucht: Wenn es sich dabei um eine Analogie handelt, so wurde dieses Argument bereits 50 Jahre vor Paley von David Hume in dessen „Dialogues Concerning Natural Religion“ widerlegt. Eine andere Interpretation liefert Sober, 1993, S. 30 ff: Danach benutzte Paley zwei Argumente. 1) Eine Uhr ist ein komplexes Design mit dem Zweck, die Zeit abzubilden. Sie ist entweder von einem Designer geschaffen worden oder aufgrund eines physikalischen Zufallsprozesses. 2) Organismen sind komplexe Designs mit dem Zweck, das Überleben und die Reproduktion zu sichern. Sie sind entweder von einem Designer geschaffen worden oder aufgrund eines physikalischen Zufallsprozesses. Nach Sober besteht Paleys Argument in der generellen Erklärung, dass es, wenn man die Entstehung der Uhr einem Hersteller zuschreibt, plausibel ist, auch die Entstehung der Organismen einem Schöpfer zuzuschreiben.
- 17.
Siehe dazu Krohs, 2005, S. 66.
- 18.
Siehe Weber, 2005, S. 49; Dawkins, 1987, S. 17 f.
- 19.
Zwar kann man Aristoteles mit seinem Werk Über die Zeugung der Geschöpfe und mit seinem darin zum Ausdruck kommenden Versuch, die Welt des Lebenden systematisch und durch empirische Beobachtung zu erfassen, als den ersten Biologen bezeichnen, doch wurde für Jahrhunderte an seine Bemühungen nicht angeknüpft. Die Biologie fiel in einen „Dornröschenschlaf“, denn die enorme Anhäufung von Fachwissen über Lebewesen diente allein der medizinischen Forschung in Gestalt der Anatomie und Physiologie. Auch die Erforschung der Pflanzen in der Botanik wurde vor allem aufgrund der medizinischen Wirkung von Heilpflanzen vorangetrieben, s. Mayr, 2000, S. 55.
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Der Begriff der „Biologie“ kam erst um 1800 auf und wurde z. B. von Lamarck verwendet, um bei seiner groß angelegten Globaltheorie neben den Teilen über die Erdkruste (Hydrogéologie) und die Atmosphäre (Météorologie) den Abschnitt der allgemeinen Betrachtungen und Theorien über die Organismen zu bezeichnen, s. Lefèvre, 2001, S. 187 f. Im deutschsprachigen Raum scheint Gottfried Reinhold Treviranus (1776–1837) der erste gewesen zu sein, der diesen Begriff in die Wissenschaft einführte und zwar durch sein Werk „Biologie, oder Philosophie der lebenden Natur für Naturforscher und Ärzte“, das 1802 erschien und in dem er die Biologie definierte: „Die Gegenstände unserer Nachforschungen werden die verschiedenen Formen und Erscheinungen des Lebens seyn, die Bedingungen, unter welchen dieser Zustand statt findet, und die Ursachen, wodurch derselbe bewirkt wird. Die Wissenschaft, die sich mit diesen Gegenständen beschäftigt, werden wir mit dem Namen der Biologie oder Lebenslehre bezeichnen“, zitiert nach Nitzsche, 2001, S. 209.
- 21.
Bis zu Linnaeus lautete die offizielle wissenschaftliche Bezeichnung des Marienkäfers etwa: „Runder hoch-rother Marien-Kefer mit schwarzen Puncten“. Linnaeus setzte dafür Coccinella septempuntata, s. Jahn u. Schmitt, 2001, S. 27.
- 22.
Bei den Pflanzen beurteilte er lediglich die Anordnung der weiblichen und männlichen Geschlechtsorgane in der Blüte, s. Jahn u. Schmitt, 2001, S. 25. Linnaeus’ Leistung liegt damit auch eher in der vorbereitenden Entwicklung der Grundlagen einer leistungsfähigen Systematik. In Anwendung der aristotelischen Logik, s. dazu Junker, 2004, S. 23 f., und der Einführung der binären Nomenklatur konnte Linnaeus erstmals Namen und Kurzbeschreibung der einzelnen Lebewesen trennen und so die Übersichtlichkeit gewährleisten, die für eine moderne Klassifikation notwendig ist, s. Jahn u. Schmitt, 2001, S. 27.
- 23.
Nach Mayr, 2003, S. 22.
- 24.
Siehe Weber, 2005, S. 42 f.
- 25.
Mayr, 2003, S. 100 f.
- 26.
Mayr, 2000, S. 177 f.
- 27.
Lyell, 1830, S. 76 ff., verwarf die bisher vorherrschenden Meinungen, die Erde sei mit ihren gesamten geologischen Formationen durch größere Umwälzungsvorgänge (Erdbeben, Vulkanausbrüchen) entstanden, als spekulativ. Nach seiner Ansicht konnten diese Naturkatastrophen in der vorhistorischen Zeit nicht so viel stärker gewesen sein als heute, so dass davon auszugehen sei, dass die Kräfte, die heute auf die Erde einwirken, schon von Anfang an Aufbau und Aussehen der Erde bestimmten. Im zweiten Band beschäftigt sich Lyell, 1832, S. 1 ff., ausführlich mit der Frage, ob sich Tiere und Pflanzen nicht parallel zu dem im ersten Band beschriebenen geologischen Wandel verändert haben. Er setzt sich detailliert mit Lamarcks Transformationstheorie auseinander und lehnt sie schließlich voller Überzeugung ab, S. 18 ff. So kann Lyell zwar die wörtliche Version der biblischen Schöpfungsgeschichte widerlegen (weil die Erde sehr viel älter sein muss als dort beschrieben), aber der feste Glaube an einen allmächtigen Schöpfer der Natur ist dadurch nicht erschüttert: „We must suppose, that when the Author of Nature creates an animal or plant, all the possible circumstances in which its descendants are destined to live are foreseen, and that an organization is conferred upon it which will enable the species to perpetuate itself and survive under all varying circumstances to which it must be inevitably exposed.“ Zu Lamarcks Transformationstheorie siehe unten. Kap. 3.1.5.
- 28.
Rieppel, 2001b, S. 149, 151 f.: Cuvier entwickelte zur Lösung dieser Frage eine spekulative Theorie, nach der regional begrenzte Katastrophen – sehr plötzliche Vereisungen, Überschwemmungen oder heftigste Vulkanausbrüche – zu einem lokalen Aussterben der Fauna geführt hätten. Die Tierwelt der verschonten Erdteile sei danach in die verwüsteten und verwaisten Gebiete eingewandert.
- 29.
So die – aus Sicht der Evolutionstheorie richtige – Idee Buffons, die ausgestorbenen Tiere seien keine verlorenen Arten (espèces perdues), sondern beispielsweise das Mammut lebe in veränderter Erscheinung weiter – in der Form heutiger Elefanten, siehe Rieppel, 2001b, S. 153.
- 30.
Mayr, 2003, S. 46.
- 31.
Siehe zum heutigen Begriff der Homologie, der durch die Einbeziehung der Genetik äußerst komplex geworden ist, Laubichler, 2005, S. 328.
- 32.
Weber, 2005, S. 73 ff.
- 33.
Buffon, zitiert nach Junker, 2004, S. 39.
- 34.
Buffon, zitiert nach Junker, 2004, S. 39 f.
- 35.
Siehe Rieppel, 2001a, S. 44 f.
- 36.
Goethe, 1795, S. 124. Zu Goethe als Biologen siehe Riedl, 2003, S. 40 ff. Goethe entdeckte beispielsweise den menschlichen Zwischenkieferknochen, der bei Primaten noch als eigener Knochen ausgebildet ist, bei der Gattung Homo aber mit dem Oberkiefer verwachsen ist, siehe Goethe, 1786, S. 184 ff. Dies ist ein wichtiger Hinweis auf die Verwandtschaft zwischen Primaten und dem Menschen. Doch wurde diese Verwandtschaft nicht mit gemeinsamer Abstammung begründet, sondern mit der Verwendung eines einheitlichen Bauplans durch den Schöpfer.
- 37.
Junker, 2004, S. 38 f.
- 38.
Geoffroy nach Rieppel, 2001c, S. 165: „Die organische Ganzheit ist aus distinkten Teilen zusammengesetzt, die in einer bestimmten Beziehung (rapport) zueinander angeordnet sind. (…) Es sind aber nicht die Organe, die sich ähnlich sind, sondern die Materialien, aus welchen sie gemacht sind. Diese Materialien ähneln sich aber weder in ihrer Form noch in ihrem Gebrauch, sondern in ihrer Anzahl, in ihrer Lage, in ihrer wechselseitigen Abhängigkeit, in einem Wort, in ihrer Beziehung zueinander.“
- 39.
Weber, 2005, S. 75.
- 40.
Junker, 2004, S. 40 f.
- 41.
Weber, 2005, S. 70.
- 42.
Als der erste Funktionalist gilt Aristoteles, 1959, der stets die funktionale Beziehung zwischen Morphologie und Verhalten zum Wohle des Wachstums und der Reproduktion der Organismen betonte, siehe Leigh, Jr., 2001, S. 359 ff.
- 43.
Amundsen, 2001, S. 307 f.
- 44.
Siehe nur Amundsen, 2001, S. 307.
- 45.
Von Goethe ist die Anekdote überliefert, wie er am 2. August 1830, also kurz nach der Revolution, die in Paris Karl X. vom Thron stürzte, seinen Besucher Frédéric Soret mit den Worten empfing: „Nun, was denken Sie von dieser großen Begebenheit? Der Vulkan ist zum Ausbruch gekommen, alles steht in Flammen, und es ist nicht ferner eine Verhandlung bei geschlossenen Türen.“ Soret glaubte, Goethe spiele auf die Juli-Revolution an und antwortete: „Was sonst war zu erwarten unter diesen Umständen und diesem Minister, als daß es mit der Vertreibung der königlichen Familie ende?“ Goethe antwortete, dass es sich dabei um ein Missverständnis handle, denn er spreche „von dem Wettstreit von höchster Wichtigkeit für die Wissenschaft zwischen Cuvier und Geoffroy, der zum offenen Bruch in der Akademie geführt hat.“ Siehe dazu Weber, 2005, S. 64, Appel, 1987, S. 1.
- 46.
Zu den Hintergründen des Akademiestreits siehe Weber, 2005, S. 78 ff. und ausführlich Appel, 1987. Siehe auch Riedl, 2003, S. 46 f.
- 47.
Siehe dazu ausführlich Harris, 2002; Farley, 1977.
- 48.
Siehe Aristoteles, 1959, S. 22: „Teils wachsen sie aus Samen, teils vollzieht die Natur bei ihnen eine Urzeugung, sie wachsen aus faulender Erde oder gewissen Pflanzenteilen“.
- 49.
Es spiegelt möglicherweise die herrschenden hygienischen Verhältnisse der damaligen Zeit wider, wenn Johannes Baptista von Helmont Anfang des 17. Jahrhunderts ein Rezept zur Urzeugung empfahl: Man müsse vor allem verschmutzte Unterwäsche und Weizenkeime drei Wochen in einem Kochtopf aufbewahren, um danach Mäuse zu erhalten, Thoms, 2005, S. 10.
- 50.
Er deponierte Fleisch- und Pflanzenextrakte in geöffneten und verschlossenen Gefäßen und stellte fest, dass nur das Fleisch im geöffneten Gefäß von Maden bevölkert war. Er konnte auch beschreiben, wie sich die Maden aus Eiern entwickelt hatten. Die Urzeugung von Insekten und höheren Tieren, eigentlich aller mit freiem Auge sichtbaren Lebewesen, schien damit widerlegt, Harris, 2002, S. 75. Redi kann als der erste Wissenschaftler gelten, der sich rein experimentell mit den Organismen beschäftigt hat, mithin als „der Vater der modernen Biologie“, Harris, 2002, S. 9 ff.
- 51.
Junker, 2004, S. 13.
- 52.
Siehe Farley, 1977, S. 31 ff. Kant, 1790, Rn. 370 Fn., dagegen hielt die Spontanentstehung in der „Kritik der Urteilskraft“ für ungereimt und vernunftwidrig.
- 53.
Lamarck, 1809, Teil 3 S. 92: „Die Natur bildet mit Hilfe der Wärme, des Lichtes, der Elektrizität und der Feuchtigkeit direkte oder spontane Zeugungen an dem Ende jedes Organismenreiches, an dem sich die einfachsten Organismen befinden“. Lamarck, beschränkt die Möglichkeit der Spontanzeugung allerdings im Vergleich zu seinen antiken Vorgängern auf die tatsächlich einfachsten Organismen, also „z. B. die Infusorien und unter diesen hauptsächlich die Monaden, oder die einfachsten Pflanzen“; in Frage kommen nur die „äußerst kleinen, durchsichtigen, gallertartigen oder schleimigen, beinahe konsistenzlosen, äußerst schnell verschwindenden Tiere und Pflanzen, a. a. O., S. 84. Es dauerte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts, als Louis Pasteur (1822–1895) in einem Experiment nachweisen konnte, dass sich in einer abgekochten Flüssigkeit, die sich in einem Behälter mit einem langen s-förmigen Endrohr befindet, auch nach Monaten weder Fermentation noch Mikroorganismen finden lassen, Junker, 2004, S. 14 f.
- 54.
Zum Folgenden s. Lefèvre, 2001, S. 196 ff.
- 55.
Riedl, 2003, S. 34, Riedl sieht die große Leistung der Philosophie zoologique in der Trennung zweier wesentlicher Vorgänge: des Erkennens eines Phänomens und seiner Erklärung. Während die von naturtheologischen Gedanken geprägte herrschende Meinung der damaligen wissenschaftlichen Welt die angebliche Perfektion der Natur als Beweis für eine göttliche Schöpfungskraft ansah, wobei die Beobachtung als Beleg für eine vorher feststehende Erklärung diente, drehte Lamarck diesen Gedankenweg um. Die Natur ist erst zu beobachten und zu beschreiben, bevor eine mit den anerkannten Naturgesetzen vereinbare Erklärung des Beobachteten möglich ist.
- 56.
Lamarck, 1809, S. 44.
- 57.
Lamarck, 1809, S. 114 f.
- 58.
Lamarck, 1809, S. 44.
- 59.
Als Deist ging Lamarck davon aus, dass Materie und Naturgesetze, bei ihm „Natur“ genannt, zwar von einem „erhabenen Urheber“ geschaffen wurden, dass dieser aber nach diesem Schöpfungsakt nicht mehr in die Natur eingreife; Schilling, 1990, S. 20. Stattdessen brachte und bringt die Natur „beständig ihre Erzeugnisse hervor, verändert und erneuert sie unaufhörlich und erhält so überall die gesamte Ordnung.“, Lamarck, 1809, S. 118 f.
- 60.
Lamarck, 1809, S. 130.
- 61.
Weber, 2005, S. 84 f.
- 62.
Lamarck, 1809, S. 179.
- 63.
Mayr, 2003, S. 108 f.
- 64.
Lefèvre, 2001, S. 199 f.
- 65.
Weber, 2005, S. 85.
- 66.
Dieser Ausdruck ist nicht glücklich gewählt, denn auch Mutationen sind neu erworben und erblich, s. Riedl, 2003, S. 36. Präziser wäre es, von erworbenen phänotypischen Eigenschaften zu sprechen.
- 67.
Siehe zum Ganzen Weber, 2005, S. 211 f.; zur Trennung zwischen Keimlinie und Somalinie im Sinne Weismanns, die heute als erwiesen gilt, siehe Kutschera, 2006, S. 61 f.; Ridley, 2004, S. 295 f.; zu Leben und Werk Weismanns siehe Zirnstein, 2001, S. 411 ff.
- 68.
Mayr, 2003, S. 109. Das zentrale Dogma der Molekularbiologie wurde 1958 von Francis Crick, einem der beiden Entdecker der Doppelhelixstruktur der DNA, formuliert. Es besagt genauer, dass Information immer nur von DNA zu RNA und weiter zum Protein verlaufen kann, d. h. Proteine können niemals RNA-Synthese veranlassen und RNA kann nicht die DNA-Synthese steuern, siehe Brown, 1999, S. 56 f. Dieser letzte Schritt des Dogmas kennt allerdings eine Ausnahme: Retroviren wie das HIV, die Zellen dazu bringen können, ihre virale RNA in DNA-Kopien zu vervielfältigen.
- 69.
Zu dieser Fehldeutung der Entwicklungsmechanismen konnte es nach Riedl, 2003, S. 36 f., auch durch den Wunsch gekommen sein, durch die eigene Lebensführung das Schicksal der Kinder beeinflussen zu können: „Was wäre das für ein nobler Antrieb menschlicher Entwicklung geworden – wenn nicht dadurch auch Gewalttätigkeit, Bosheit und Perfidie aufgrund eines unmittelbaren Nutzens hätten erblich herausgezüchtet werden können.“
- 70.
Lefèvre, 2001, S. 199. Lamarcks Entwicklungslehre war zu seinen Lebzeiten kein Erfolg beschieden. Sein Name steht fast ausschließlich für den Lamarckismus, einen Begriff, der vor allem gebraucht wird, um einen schwer wiegenden Irrtum zu bezeichnen. Seine überragende wissenschaftliche Leistung, die noch heute gültige Begründung der Biologie der wirbellosen Tiere, wird dagegen selten mit seinem Namen verbunden, Lefèvre, 2001, S. 176. Erblindet, verarmt und verbittert starb Lamarck 20 Jahre nach Veröffentlichung der Philosophie zoologique. Sein großer Widersacher Cuvier erwähnte ihn nicht nur in keinem seiner Werke, sondern versuchte ihn auf mitunter sehr geschmacklose Weise lächerlich zu machen. Überliefert ist eine Begebenheit in einer Vorlesung des erblindeten Lamarck, in die ihn seine Tochter an den Katheder geführt hatte. In diese Vorlesung soll Cuvier mit einer Schar seiner Studenten eingedrungen sein und über Lamarcks Hörer hinweg die Frage gestellt haben, wie es denn möglich sei, dass die von ihm erworbene Blindheit nicht auf seine Tochter übergegangen sei, s. Riedl, 2003, S. 37.
- 71.
Goethe erkannte die Reichweite dieser Erkenntnis. In der Geschichte der Farbenlehre schreibt er: „Doch unter allen Entdeckungen und Überzeugungen möchte nichts eine größere Wirkung auf den menschlichen Geist hervorgebracht haben, als die Lehre des Kopernikus. Kaum war die Welt als rund anerkannt und in sich selbst abgeschlossen, so sollte sie auf das ungeheure Vorrecht Verzicht tun, der Mittelpunkt des Weltalls zu sein. Vielleicht ist noch nie eine größere Forderung an die Menschheit geschehen: denn was ging nicht alles durch diese Anerkennung in Dunst und Rauch auf: ein zweites Paradies, eine Welt der Unschuld, Dichtkunst und Frömmigkeit, das Zeugnis der Sinne, die Überzeugung eines poetisch-religiösen Glaubens; kein Wunder, dass man dies alles nicht wollte fahren lassen, dass man sich auf alle Weise einer solchen Lehre entgegensetzte, die denjenigen, der sie annahm, zu einer bisher unbekannten, ja ungeahnten Denkfreiheit und Großheit der Gesinnungen berechtigte und aufforderte.“
- 72.
Siehe das Erste Buch Mose 1, 26 f.: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei, die da herrschen über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alle Tiere des Feldes und über alles Gewürm, das auf Erden kriecht. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Weib.“
- 73.
„Aus dem Kampf der Natur, aus Hunger und Tod geht unmittelbar das Höchste hervor, das wir uns vorstellen können: die Erzeugung immer höherer und vollkommenerer Wesen“, Darwin zitiert nach Wuketits, 2000, S. 25. Seine Biographen Desmond/Moore machen zahlreiche Zeitpunkte ausfindig, in denen sich Darwin der Erbarmungslosigkeit der Natur bewusst wurde und dafür drastische Worte fand. Im Jahre 1839, als gerade die Grundzüge der Theorie feststanden, 20 Jahre vor Veröffentlichung von Die Entstehung der Arten, unterhielt sich Darwin mit dem Schweizer Botaniker de Candolle, der den „Krieg der Natur“ zumindest zwischen den verschiedenen Spezies und auf das Pflanzenreich beschränkt, schon längst propagiert hatte. Darwins Fazit aus diesem Gespräch nach Desmond u. Moore, 1991, S. 323: „Der Wettkampf beherrsche alles, und die Natur sei ein Schlachthaus, gepflastert mit Verlierern. Für jeden winzigen Fortschritt müssten viele sterben. Welche Zeitspannen seien etwa nötig, bis sich kleine Vorteile in einer Gesamtpopulation von Hunden durchsetzen! Angenommen, dass von je hundert Würfen nur ein Hund mit langen Beinen zur Welt kommt und im malthusischen Lebenskampf nur zwei von ihnen es schaffen, sich fortzupflanzen; wenn das Gelände hart und die Beute schnell sei, würden die langbeinigen Exemplare tendenziell öfter (…) überleben und in zehntausend Jahren wird die langbeinige Rasse die Oberhand behalten. Doch wie viele müssten zugrunde gehen, bis dieses Ziel erreicht sei.“
- 74.
Bezeichnend ist die Reaktion der Frau des Bischofs von Worcester, die 1860 nach Kenntnisnahme der Evolutionstheorie mit ihren Auswirkungen auf das Menschenbild ausgerufen haben soll: „Nachfahren von Affen! Mein Gott, hoffen wir, dass das nicht wahr ist; sollte es aber doch wahr sein, so lasst uns dafür beten, dass es nicht allgemein bekannt wird.“, siehe Vogel, 2002, S. XVII.
- 75.
Siehe Ridley, 2004, S. 74; Lewontin, 1998, S. 109.
- 76.
Mendel, 1866. Mendel verschickte seine Arbeit an zahlreiche Wissenschaftler und Bibliotheken in Europa und den USA. Ein Exemplar gelangte auch in Darwins Büro, wurde von ihm aber nicht in seine Arbeit aufgenommen. Entweder hat Darwin das Werk gar nicht gelesen oder aber die Bedeutung der Mendel’schen Regeln nicht erkannt, siehe Plomin et al., 1999, S. 15.
- 77.
Siehe Dennett, 1997, S. 21: „Die größte Schwachstelle wirkt im Rückblick fast komisch. Bei all seinen intelligenten Grübeleien stieß Darwin nie auf den zentralen Begriff, ohne den die Evolutionstheorie hoffnungslos ist: auf den Begriff des Gens.“
- 78.
Der zeitlebens kranke Darwin befürchtete, seine, sich vor allem in permanenten Magenbeschwerden äußernde, als „von Giften im Blut“ verursachte, vererbliche „unterdrückte Gicht“ diagnostizierte Krankheit, s. Desmond u. Moore, 1991, S 413, auf seine Kinder übertragen zu haben. Vor allem der tragische Tod seiner über alles geliebten 10-jährigen Tochter Annie im Jahre 1851, s. Desmond u. Moore, 1991, S. 426 ff., erschütterte Darwin zutiefst und vergrößerte seine Angst vor einer Übertragung seines Leidens auf seine Kinder.
- 79.
Darwin, 1859, S. 39.
- 80.
Auch in seinem zweiten großen Evolutionswerk Die Abstammung des Menschen aus dem Jahre 1871 hat sich die Kenntnislage nicht sehr gebessert, obwohl Mendels Veröffentlichung bereits 5 Jahre alt war. Immer noch basieren Darwins Kenntnisse auf der Sammlung von Tatsachen, systematische Forschung erscheint als Ausnahmefall, siehe Darwin, 1871, S. 31, wo die Unsicherheit deutlich wird: „Eine große Anzahl von Thatsachen sind in Bezug auf die Überlieferung sowohl der äußerst unbedeutenden, als der bedeutungsvollsten Charaktere gesammelt worden, und zwar eine viel größere Anzahl in Bezug auf den Menschen als in Bezug auf irgend eines der niederen Thiere; doch sind in Bezug auf die letzteren die Thatsachen immer noch reichlich genug. (…) Außer den speciellen Neigungen und Gewohnheiten werden ein allgemein intelligentes Wesen, Muth, schlechtes und gutes Temperament u. s. w. sicher überliefert. In Bezug auf den Menschen sehen wir ähnliche Thatsachen fast in jeder Familie.“
- 81.
Dennett, 1997, S. 21.
- 82.
Darwin veröffentlichte 1868 seine Pangenese-Theorie, nach der jede Zelle eines Organismus winzige Partikel abgibt, die durch den Körper zu den Fortpflanzungsorganen wandern. Bei der Befruchtung werden diese Partikel beider Elternteile zusammengemischt. Da die aus den Körperzellen stammenden Partikel deren Eigenschaften repräsentieren, ist nach dieser Theorie auch die Vererbung erworbener Eigenschaften möglich. Diese Theorie gilt allgemein als Darwins schwächste wissenschaftliche Leistung und wurde von August Weismann (1834–1914) im Jahre 1888 zurückgewiesen.
- 83.
Eine Allel ist eine von zwei oder mehr verschiedenen Ausprägungen eines Gens, z. B. das Gen für die Augenfarbe „blau“ ist ein Allel, das Gen für „braun“ ist ein anderes Allel etc., siehe Dawkins, 1996, S. 59.
- 84.
Heterozygot ist der Genotyp dann, wenn er zwei verschiedene Allele eines bestimmten Gens enthält.
- 85.
Nach Ridley, 2004, S. 38.
- 86.
Siehe Ridley, 2004, S. 37 f.
- 87.
Ridley, 2004, S. 38.
- 88.
Ridley, 2004, S. 39.
- 89.
Darwins Unsicherheit in Bezug auf den Vorgang der Vererbung bewirkte auch, dass er Lamarcks fehlerhafte Vorstellungen von einer Vererbung erworbener Eigenschaften bzw. einer vererblichen Bildung oder Rückbildung von Strukturen und Organen aufgrund von Gebrauch oder Nichtgebrauch in seine Überlegungen einbezog. Darwin hat das nicht ausgeschlossen und liebäugelt bisweilen mit dieser Möglichkeit. Insbesondere in seinem zweiten großen Evolutionswerk „Die Abstammung des Menschen“ greift Darwin wiederholt auf lamarckistische Gedanken zurück. Siehe etwa Darwin, 1871, S. 96: „Als nun die Stimme immer weiter und weiter benutzt wurde, werden die Stimmorgane weiter gekräftigt und in Folge des Princips der vererbten Wirkungen des Gebrauchs vervollkommnet worden sein“, vgl. auch a. a. O., S. 136, über die Grundlagen des moralischen Gefühls. Siehe auch Vogel, 2002, S. XX.
- 90.
Die Pioniere dieser Populationsgenetik waren vor allem Ronald A. Fisher, J.B.S. Haldane und Sewall Wright.
- 91.
Ridley, 2004, S. 81.
- 92.
Mayr, 2003, S. 100 f.
- 93.
Mayr, 2003, S. 112.
- 94.
Ridley, 2004, S. 81.
- 95.
Siehe dazu Knippers, 2001, S. 210 ff.; Brown, 1999, S. 298 f.; Storch et al., 2001, S. 218 ff.
- 96.
Es kann dann zum Austausch eines oder mehrerer Basenpaare kommen. Für den hier interessierenden Zusammenhang genügt es, verschiedene Arten von Mutationen zu unterscheiden und diejenigen zu benennen, die in der Evolution von Bedeutung sein können. Vorkommen können zunächst Punktmutationen, das ist der Austausch eines Nucleotids gegen ein anderes. Eine Insertion liegt vor, wenn ein Basenpaar oder sogar ein längerer DNA-Abschnitt hinzugefügt wird, eine Deletion ist entsprechend die Entfernung eines oder mehrerer Basenpaare. Eine Inversion liegt vor, wenn ein Teil der Doppelhelix herausgeschnitten und an derselben Stelle, aber in umgekehrter Reihefolge wieder eingefügt wird, siehe Brown, 1999, S. 204 ff.; Ridley, 2004, S. 27 ff.; Mayr, 2003, S. 126 ff.; Storch et al., 2001, S. 211 ff.
- 97.
Storch et al., 2001, S. 214.
- 98.
Die einfachste Aminosäure Alanin wird beispielsweise von den Tripletts GCU, GCC, GCA und GCG kodiert. Eine Mutation an der dritten Stelle des Tripletts bleibt daher ohne Auswirkungen. So kann es auch innerhalb eines Gens zu einer stummen Mutation kommen. Andere Mutationen können aber sehr wohl die Aminosäurekodierung verändern. Wenn eine Punktmutation an der 2. Stelle des GCU-Tripletts auftritt, also das Cytosin durch eine andere Base ersetzt wird, entsteht GUU, das Valin kodiert, oder GAU (Asparaginsäure) oder GGU (Glycin), siehe Brown, 1999, S. 140, 208.
- 99.
Ca. 70 % der Veränderungen an der dritten Stelle des Tripletts bleiben stumm, also ohne Auswirkungen, während alle Veränderungen an der zweiten und 96 % an der ersten Stelle Auswirkungen in der Aminosäurekodierung haben, s. Ridley, 2004, S. 28.
- 100.
Siehe Brown, 1999, S. 212: eine Ausnahme bilden Zellmutationen, die eine ungehemmte Zellteilung bewirken und so Krebs verursachen können.
- 101.
Mayr, 2003, S. 127.
- 102.
Eine Ausnahme bilden rezessive schädliche Mutationen, die sich, etwa im Fall der Bluterkrankheit, s. Brown, 1999, S. 212, oder der Phenylketonurie, s. Plomin et al., 1999, S. 13 ff., in einer Population erhalten können. Auch bei dominanten schädlichen Mutationen ist eine Konservierung in einer Population möglich, so bei der Huntington-Krankheit, s. Plomin et al., 1999, S. 12 f.
- 103.
Desmond u. Moore, 1991, S. 303.
- 104.
Ridley, 2004, S. 72.
- 105.
Siehe Wuketits, 2002, S. 34 f.
- 106.
Zur r- und K-Strategie siehe auch unten Kap. 5.5.3.1.
- 107.
Darwin, 1859, S. 103.
- 108.
De Candolle und Darwin waren persönlich bekannt, siehe Desmond u. Moore, 1991, S. 323. Spätestens bei der Lektüre von Lyells Principles of Geology dürfte Darwin auf dessen Gedanken gestoßen sein, siehe Lyell, 1832, Vol. 1, S. 131: „ ‚All the plants of a given country,‘ says De Candolle, in his usual spirited style, ‚are at war with one another. The first which establish themselves by chance in a particular spot, tend, by the mere occupancy of space, to exclude other species – the greater choke the smaller, the longest livers replace those which last for a shorter period, the more prolific gradually make themselves masters of the ground, which species multiplying more slowly would otherwise fill.‘ “ Siehe dazu auch Darwin, 1859, S. 100.
- 109.
Malthus, 1803, S. 10. „Im gesamten Tier- und Pflanzenreich hat die Natur die Samen des Lebens mit der verschwenderischsten und freiesten Hand überallhin verstreut; war aber vergleichsweise geizig mit dem Platz und den Nahrungsmitteln, um sie gedeihen zu lassen. Den Keim des Lebens auf einem Flecken Erde, mit ausreichend Nahrung und ausreichend Platz um sich auszubreiten, würde innerhalb weniger tausend Jahre Millionen von Welten füllen. Die Befriedigung der Bedürfnisse, das gebieterische, alles beherrschende Gesetz der Natur, beschränkt sie auf die beschriebenen Grenzen. Die Pflanzen- und Tierwelt unterwerfen sich diesem strengen Gesetz, und der Mensch kann, bei allen Bemühungen des Verstandes, ihm nicht entgehen.“ (Übers. v. ChL)
- 110.
Malthus, 1803, S. 11: „Aber nach dem Gesetz unserer Natur, das auch den Menschen zwingt sich zu ernähren, kann die Bevölkerung niemals über die Grenzen hinaus anwachsen, die ihr die zur Erhaltung notwendige Nahrung setzt; eine wirksame Kontrolle der Bevölkerung, ausgehend von den Schwierigkeiten, für Nahrung zu sorgen, muss ständig bestehen.“ (Übers. v. ChL)
- 111.
Bowler, 1976, S. 637.
- 112.
Malthus, 1803, S. 15: „Wenn man die gesamte Erde nimmt und von einer gegenwärtigen Bevölkerung von 1 Milliarde ausgeht, würde die menschliche Spezies im Verhältnis von 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256 und das Nahrungsangebot im Verhältnis von 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9 anwachsen. In zwei Jahrhunderten betrüge das Verhältnis von Bevölkerung und Nahrungsangebot 256 zu 9, in drei Jahrhunderten 4096 zu 13, und in 2000 Jahren wäre die Differenz kaum noch auszurechnen.“ (Übers. v. ChL)
- 113.
Malthus, 1803, S. 16 ff. Malthus’ Essay wird eine überragende Bedeutung zugemessen bei der Formulierung der Evolutionstheorie, Junker, 2001, S. 374; Desmond u. Moore, 1991, S. 302 f. Darwin hat selbst betont, dass diese Lektüre bei seinen Überlegungen einen Durchbruch darstellte: „Im Oktober 1838, also fünfzehn Monate nachdem ich meine systematische Untersuchung begonnen hatte, las ich zufällig zum Vergnügen Malthus über Bevölkerung. Und da ich durch ausgedehnte Beobachtung der Verhaltensweisen von Tieren und Pflanzen gut darauf vorbereitet war, den überall stattfindenden Kampf ums Dasein anzuerkennen, kam mir sofort der Gedanke, dass unter diesen Umständen vorteilhafte Abwandlungen eher dazu neigen erhalten zu bleiben und unvorteilhafte zerstört werden. Das Ergebnis davon wäre die Bildung neuer Arten. Hier hatte ich schließlich eine Theorie an der Hand bekommen, mit der man arbeiten kann,“ zitiert nach Junker, 2001, S. 374. Der Essay wurde von Malthus aber nicht als Beschreibung der natürlichen Entwicklungsregeln einer biologischen Population geschrieben, sondern als ökonomisch-soziologische Interpretation und Prognose der weiteren Entwicklung einer Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. Bisweilen wird die darwinsche Evolutionstheorie daher als Kind des wirtschaftlichen Liberalismus angesehen, wie er im England der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts propagiert wurde. Siehe Stephen Jay Gould, zitiert nach Weber, 2005, S. 167: „Darwins Theorie der natürlichen Auslese (war) die Übertragung von Adam Smiths Wirtschaftstheorie auf die Natur. Ich bezweifle, dass Darwin ohne Adam Smith und die Schule der schottischen Ökonomen je daran hätte denken können.“ Doch ist diese Deutung zweifelhaft, denn der Wettbewerb der Smithschen Theorie unterscheidet sich von Darwins Kampf ums Dasein ganz wesentlich: dieser ist ein Nullsummenspiel, jener steigert den Gesamtertrag, siehe dazu Weber, 2005, S. 170 f.
- 114.
Siehe Vorzimmer, 1969, S. 537 f.
- 115.
Bowler, 1976, S. 633, unterscheidet noch eine dritte Art der Konkurrenz: die zwischen Raubtier und Beute. Obwohl dieser Bereich im landläufigen Verständnis von Evolution als „Rüstungswettlauf“ eine nahe liegende Assoziation darstellt, handelt es sich nicht um eine eigenständige Ausprägung der natürlichen Konkurrenz. Denn diese Art des Kampfes überlappt sich teilweise sowohl mit der intra- als auch der interspezifischen Konkurrenz.
- 116.
Siehe Bowler, 1976, S. 636.
- 117.
Vorzimmer, 1969, S. 537.
- 118.
Darwin, 1859, S. 102 f.
- 119.
Den Ausdruck survival of the fittest hat Darwin von Herbert Spencer übernommen.
- 120.
Siehe Ridley, 2004, S. 74: „The evolutionary meaning of the term fitness differs from its athletic meaning.“
- 121.
Darwin, 1859, S. 59 (Hervorhebung im Original). Darwin beschäftigte sich über viele Jahre eingehend mit Züchtung, indem er Fachmagazine las, das Gespräch mit Züchtern suchte und selbst Zuchtexperimente durchführte, so etwa mit Tauben – die ihm und seiner Familie irgendwann im begrenzten Raum ihres Hauses über den Kopf wuchsen. So hatte Darwin nicht nur theoretische Kenntnisse über künstliche Selektion, sondern er war auch praktisch erfahren. Das Revolutionäre dieses Schrittes beschreiben Desmond u. Moore, 1991, S. 482 f.: „Es war schwierig, sich das Innovative seines Schrittes klarzumachen. Die meisten Naturwissenschaftler verachteten Tauben und Geflügel. Wissenschaft fand nicht auf dem Bauernhof statt. Die Oberschicht mochte auf ihren Jagdgütern Zierenten gehalten, mochte zoologische Gärten gegründet haben, um die Kolonialherrschaft Großbritanniens über die Natur zu feiern. Aber diese Tierhaltung war Welten von kontemplativer Philosophie entfernt. Es war diese erbauliche Beschäftigung mit wilden Arten, mit ihrer Ordnung und ihrer Bedeutung in der Schöpfung Gottes, was die Aufmerksamkeit der Philosophen fand. Daher die Verachtung der Wissenschaftler: Niemand erwartete, dass Schweine und Tauben den Schlüssel zum Geheimnis aller Geheimnisse enthielten.“
- 122.
Mayr, 2003, S. 150.
- 123.
Darin wurde eine Tautologie gesehen, denn Darwin, so der Vorwurf, definiere diejenigen, die überleben, als die Fittesten: Frage: Wer überlebt? Antwort: Der Tüchtigste. Frage: Wer ist der Tüchtigste? Antwort: Derjenige, der überlebt, Kutschera, 2006, S. 254. Aber dieses Überleben ist keine Eigenschaft eines Organismus, stattdessen bezeichnet Fitness die Teilhabe an überlebensgünstigen Eigenschaften. Der Ausdruck macht klar, dass Überleben und Reproduktion kein Zufall ist, sondern situationsspezifisch bestimmten Merkmalen geschuldet. Zum Tautologievorwurf, der unter anderen auf Karl Popper zurückgeht, siehe Kutschera, a. a. O. Siehe auch Alexander, 1979, S. 61 ff.
- 124.
Nach Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 32 ff.
- 125.
Ridley, 2004, S. 75 f.
- 126.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 34.
- 127.
Darwin, 1859, S. 125 f.
- 128.
Siehe Wieser, 1999, S. 21 f.
- 129.
Nach Mayr, 2003, S. 148.
- 130.
Mayr, 2003, S. 151 ff.
- 131.
Mayr, 2003, S. 153 f.
- 132.
Ridley, 2004, S. 74.
- 133.
Siehe Lewontin, 1998, S. 110; Ridley, 2004, S. 108 ff.; St. Rose, 2000, S. 214 f.
- 134.
Siehe Ridley, 2004, S. 109.
- 135.
Die Bedeutung der Vögel für die Dezimierung der hellen Birkenspanner ist in letzter Zeit angezweifelt worden, ein gewisser Einfluss ist aber sehr wahrscheinlich, siehe dazu Ridley, 2004, S. 112 ff.
- 136.
Ein weiteres, in noch geringerer Zeit beobachtbares, Beispiel für Evolution durch Anpassung ist die Reaktion des HIV (human immunodeficiency virus) auf das Medikament Lamivudin mit dem Wirkstoff 3TC: Die Behandlung mit 3TC führt anfangs zu einem fast völligen Verschwinden der HIV aus dem Körper des Patienten. Innerhalb weniger Tage jedoch kommt ein neuer, gegen 3TC resistenter Virentyp auf, der nach wenigen Wochen die Konzentration des ursprünglichen Wildtyps erreicht hat. Das HIV ist durch die medikamentöse Behandlung stark veränderten Umweltbedingungen ausgesetzt. Es konnte sich vorher ungehindert vermehren, wobei durch Mutationen auch Variation entstanden ist. Unter der ungeheuren Zahl der Viren müssen sich nur wenige finden, die über die Eigenschaft verfügen, die Wirkung des Medikaments zu umgehen: Sie werden sich durchsetzen und nunmehr konkurrenzlos vermehren. Siehe dazu Schuurman et al., 1995, S. 1414 ff.; Ridley, 2004, S. 45 f.
- 137.
Mayr, 2003, S. 129.
- 138.
Siehe zum Folgenden Ridley, 2004, S. 138 ff.
- 139.
Nach Ridley, 2004, S. 139.
- 140.
Dobzhansky u. Pavlovsky, 1957, S. 311.
- 141.
Siehe etwa Ellis u. Walsh, 1997; Walsh, 2002.
- 142.
Siehe Jones, 1999.
- 143.
So etwa Kinner, 2003, S. 71, der Psychopathie als Adaption interpretiert und fordert: „(E)ven though imprisonment does not deter psychopaths from offending, their incarceration does serve to protect the public. Thus, one partial solution to the problem of psychopathic offenders might be selective long-term incapacitation of individuals diagnosed as psychopaths. Evidence suggests that psychopathic offenders tend to ‚burn out‘ around the age of 35–40, with their rate of offending dropping to that of nonpsychopathic offenders, although their personality does not change. It may therefore be possible to reduce the offending of psychopathic individuals by maximizing the length of their custodial sentences.“
- 144.
Was aber nichts daran änderte, dass Paleys Natural Theology noch bis 1921 Pflichtlektüre an der Universität von Cambridge war, siehe Weber, 2005, S. 49.
- 145.
Mayr, 2003, S. 187.
- 146.
Lauder, 1996, S. 61: „Eine Adaption ist ein Merkmal, das die Fitness steigert und historisch als das Resultat der natürlichen Selektion für seine aktuelle biologische Bedeutung entstanden ist.“ Siehe auch West-Eberhard, 1992, S. 13: „An adaptation is a characteristic of an organism whose form is the result of selection in a particular functional context.“
- 147.
Siehe etwa Gould u. Vrba, 1982, S. 4 f.
- 148.
Burian, 1992, S. 7.
- 149.
Mayr, 2003, S. 188 f.
- 150.
Bei den potenziellen Räubern muss eine komplementäre Anpassung ablaufen. Sie müssen beispielsweise bessere Augen bekommen, denn sonst können sie ihre Beutetiere nicht mehr aufspüren. So entsteht ein „Rüstungswettlauf“, der mehrere Arten zu immer besseren Anpassungen zwingt.
- 151.
Dazu eingehend Ridley, 2004, S. 256 ff.
- 152.
Siehe Ridley, 2004, S. 256 ff.
- 153.
Siehe Darwin, 1859, S. 250: „Ließe sich das Vorhandensein eines zusammengesetzten Organs nachweisen, das nicht durch zahlreiche aufeinanderfolgende geringe Abänderungen entstehen könnte, so müsste meine Theorie zusammenstürzen.“
- 154.
Heute hat diese Debatte ihre Sprengkraft verloren, denn man weiß, dass die Länge der einzelnen Komponenten unter gemeinsamer genetischer Kontrolle steht, siehe Ridley, 2004, S. 260.
- 155.
Darwin, 1859, S. 245.
- 156.
Darwin, 1859, S. 246 f.
- 157.
Siehe zum Folgenden Dawkins, 1999, S. 159.
- 158.
Nach Nilsson u. Pelger, 1994, S. 54 ff., durfte jede Mutation nicht mehr als 1 % Strukturveränderung bewirken, negative Veränderungen wurden nicht selektiert. Die Erblichkeit der Variation wurde mit 50 % festgesetzt und der Variationskoeffizient mit 0.01, so dass nur in jedem 100sten Mitglied der Population irgendeine Variation überhaupt auftrat. Auch die Selektionsstärke war mit 0.01 gering gewählt: Dies bedeutet, dass auf 101 Tiere, die mit der Variation überleben, 100 kommen, die ohne sie überleben. Die notwendige Veränderung von primitiven lichtempfindlichen Zellen zu einem fertigen Auge ist gewaltig: Bei den zurückhaltenden Annahmen der Rahmenparameter waren 1829 Schritte notwendig. Somit vergrößerte sich die Gesamtstruktur um 1.011829 oder um das 80.129.540-Fache. Nilsson u. Pelger, 1994, S. 56: „In terms of morphological modification, the evolution of an eye can thus be compared to the lengthening of a structure, say a finger from a modest 10 cm to 8000 km, of a fifth of the Earth’s circumference.“
- 159.
Mayr, 2003, S. 250.
- 160.
Dies ist, bei der realistischen Annahme von – bei Fischen – einer Generation pro Jahr mit deutlich unter einer halben Million Jahre im evolutionären Maßstab ein sehr kurzer Zeitraum, der sich in den Fossilschichten lediglich als ein einziger Zeitpunkt darstellt, denn so geringe Zeiträume sind erdgeschichtlich nicht nachvollziehbar, siehe Dawkins, 1999, S. 190 f.
- 161.
Siehe Ridley, 2004, S. 163. Ein Beispiel eines sehr frühen Säugetieres könnte das kürzlich entdeckte Volaticotherium antiquus darstellen, das bei einer Körperlänge von 12–14 cm, einem Gewicht von ca. 70 g und einer relativ großen Flughaut zwischen den Extremitäten zu kurzen Gleitflügen zwischen Bäumen fähig gewesen sein müsste, siehe Meng et al., 2006, S. 889. Dawkins, 1999, S. 125 ff, weist noch auf ein anderes Kriterium für das Fliegen hin: die Körpergröße und damit verbunden das Volumen und das Gewicht der Organismen: Es dürfte für viele sehr kleine Tiere eher ein Problem dargestellt haben, sich bei Wind auf der Erde zu halten. Bereits kleinste Flügelvorläufer könnten einen Navigations- und damit Überlebensvorteil geboten haben und damit von der Evolution selektiert worden sein. Nach Kingsolver u. Koehl, 1985, S. 500 bieten Flügel im flugunfähigen Stadium durch eine bessere Wärmeregulierung einen weiteren Selektionsvorteil.
- 162.
Siehe in diesem Zusammenhang die Überzeugungen des „ersten Adaptionisten“ Aristoteles, wie sie bei Leigh, Jr., 2001, S. 359 ff. dargestellt sind.
- 163.
West-Eberhard, 1992, S. 13: „According to strict usage in evolutionary biology, it is correct to consider a character an ‚adaptation‘ for a particular task only if there is some evidence that is has evolved (been modified during its evolutionary history) in specific ways to make it more effective in the performance of that task, and that the change has occured due to the increased fitness that results.“
- 164.
Siehe Lauder, 1996, S. 62.
- 165.
Siehe 1. Buch Mose: „14 Und Gott sprach: Es werden Lichter an der Feste des Himmels, die da scheiden Tag und Nacht und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre 15 und seien Lichter an der Feste des Himmels, daß sie scheinen auf die Erde. Und es geschah so. 16 Und Gott machte zwei große Lichter: ein großes Licht, das den Tag regiere, und ein kleines Licht, das die Nacht regiere, dazu auch die Sterne. 17 Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels, daß sie schienen auf die Erde 18 und den Tag und die Nacht regierten und schieden Licht und Finsternis. Und Gott sah, daß es gut war. 19 Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.“
- 166.
Siehe Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 220.
- 167.
Dabei hat der Begriff der biologischen Funktion immer auch eine normative Bedeutung, siehe dazu McLaughlin, 2005, S. 21. Ein Auge bleibt ein Auge, auch wenn es im Einzelfall nicht sehen kann. Obwohl die Identifizierung eines Merkmals in der Biologie regelmäßig über die Funktion geschieht, ist die Identifikation nicht davon abhängig, ob die Entität die Funktion tatsächlich ausüben kann. Bei einer Fehlfunktion bleibt ein Auge stets ein Auge. Entscheidend ist, dass das Auge die biologische Funktion hat zu sehen. Es soll sehen und über diese normative Funktion wird es – auch bei einer tatsächlichen Fehlfunktion – identifiziert.
- 168.
Siehe dazu McLaughlin, 2005, S. 22.
- 169.
McLaughlin, 2005, S. 24.
- 170.
Siehe zum Ganzen Toepfer, 2005, S. 37 ff.
- 171.
Toepfer, 2005, S. 41; Sitte, 2003, S. 75 f.
- 172.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 220 f.
- 173.
Griffiths, 1993, S. 412. In den Worten von Konrad Lorenz, 1963, S. 20 f.: „Wenn ein Biologe in dieser Form die Frage ‚wozu?‘ stellt, so will er nicht etwa den tiefsten Sinngehalt der Welt im allgemeinen und des betreffenden Phänomens im besonderen ergründen, sondern er möchte in weit bescheidenerer Fragestellung etwas ganz Einfaches und prinzipiell Erforschbares erfahren. Seit wir durch Charles Darwin von dem historischen Werden der Organismenwelt wissen und darüber hinaus sogar einiges über die Ursachen, die ein solches Werden bewirken, bedeutet für uns die Frage ‚wozu?‘ etwas scharf Umschriebenes. Wir wissen nämlich, daß es die Leistung des Organs ist, die seine Form verändert. Das Bessere ist überall der Feind des Guten. Wenn durch eine kleine, an sich zufällige Erbänderung ein Organ ein klein wenig besser und leistungsfähiger ausfällt, so wird der Träger dieses Merkmals samt seinen Nachkommen für alle nicht gleicherweise begabten Artgenossen zu einer Konkurrenz, der sie nicht gewachsen sind. Über kurz oder lang verschwinden sie vom Erdball. Dieses allgegenwärtige Geschehen nennt man natürliche Zuchtwahl oder Selektion.“
- 174.
Toepfer, 2005, S. 41 f.
- 175.
Dies kann dann wiederum Auswirkungen auf die Bestimmung der Funktion haben. Als proper function einer Einheit wird nur das angesehen, was die natürliche Selektion dieser Einheit beeinflusst hat. Siehe Millikan, 1989, S. 288: „The definition of ‚proper function‘ is recursive. Putting things very roughly, for an item A to have a function F as a ‚proper function‘, it is necessary (and close to sufficient) that one (condition) should hold: A originated as a ‚reproduction‘ (to give one example, as a copy, or a copy of a copy) of some prior item or items that, due in part to possession of the properties reproduced, have actually performed F in the past, and A exists because (causally historically because) of this or these performances.“ (Hervorhebung im Original)
- 176.
Siehe Tinbergen, 1963, S. 413 ff.
- 177.
Sober, 1987, S. 105.
- 178.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 217 f. Gould, 2000, S. 95, bezeichnet die Fähigkeit zu lesen als „Spandrille“ (dazu sogleich unten): „Reading and writing are now highly adaptive for humans, but the mental machinery for these crucial capacities must have originated as spandrels that were co-opted later, for the brain reached its current size and conformation tens of thousands of years before any human invented reading or writing.“
- 179.
McLaughlin, 2005, S. 20.
- 180.
Pendentifs sind Gewölbezwickel, also die dreidimensional gekrümmte Fläche zwischen den Bögen eines Gewölbes. Spandrillen sind dagegen Bogenzwickel, das heißt die Flächen zwischen einem Rundbogen und seiner rechtwinkeligen Umrahmung.
- 181.
Siehe Gould u. Lewontin, 1979, S. 582 f.: „Aber damit würde man den richtigen Ablauf der Analyse ins Gegenteil verkehren. Am Anfang steht eine architektonische Beschränkung: die Notwendigkeit der vier Spandrillen und ihrer spitz zulaufenden Dreiecksform. Sie bieten einen leeren Raum, an dem die Mosaikkünstler arbeiteten; sie legen die vierseitige Symmetrie der Kuppel über ihnen fest.“ (Übers. nach Dennett, 1997, S. 373). Gleiches gelte nach Gould u. Lewontin, 1979, S. 582 f., auch für ein gotisches Kreuzrippengewölbe, das Gestaltungsraum für eine besondere Ästhetik biete, aber letztlich nur der Statik des Baus geschuldet sei.
- 182.
Dennett, 1997, S. 330.
- 183.
Voltaire, 1759, S. 284: „Es ist erwiesen, (…) daß die Dinge nicht anders sein können, als sie sind, denn da alles zu einem bestimmten Zweck erschaffen worden ist, muß es notwendigerweise zum Besten dienen. Bekanntlich sind die Nasen zum Brillentragen da – folglich haben wir auch Brillen; die Füße sind offensichtlich zum Tragen von Schuhen eingerichtet – also haben wir Schuhwerk; die Steine sind dazu da, um behauen und zum Bau von Schlössern verwendet zu werden. (…) Und da die Schweine dazu da sind, gegessen zu werden, so essen wir das ganze Jahr hindurch Schweinefleisch. Also ist es eine Dummheit, zu behaupten, alles auf dieser Welt sei gut eingerichtet; man muß vielmehr sagen: alles ist aufs beste bestellt.“
- 184.
Gould u. Lewontin, 1979, S. 584 f.
- 185.
Gould u. Lewontin, 1979, S. 585: „Das adaptionistische Programm ist wahrlich panglossisch. Unsere Welt mag nicht gut in einem abstrakten Sinn sein, aber es ist die allerbeste, die wir haben können. Jedes Merkmal hat eine Bedeutung und muss so sein, wie es ist.“ (Übers. v. ChL)
- 186.
Siehe Barash, 1976, S. 1099 f.
- 187.
Gould u. Lewontin, 1979, S. 588.
- 188.
Morton et al., 1978, S. 971: „Wenn wir Barashs Vorschlag, dass männliche Bluebirds ein Anti-Fremdgeh-Verhalten zeigen, nicht stützen konnten, so meinen wir, dass beide Untersuchungen ‚zu Ergebnissen gekommen sind, die mit den Erwartungen der Evolutionstheorie vereinbar sind‘ (Barash, 1976, S. 1099), so wie wir erwarten, dass es bei jeder sorgfältigen Studie der Fall wäre.“ (Übers. v. ChL)
- 189.
Gould u. Lewontin, 1979, S. 589.
- 190.
Siehe Gould u. Lewontin, 1979, S. 587 f.: „Wir würden dem adaptionistischen Programm nicht so energisch entgegentreten, wenn seine Anrufung im Prinzip, in irgendeinem speziellen Fall, zu einer Zurückweisung aufgrund mangelnder Beweise führen könnte. (…) Unglücklicherweise verbietet eine unter den Evolutionisten übliche Vorgehensweise eine solche bestimmbare Zurückweisung aus zwei Gründen. Erstens führt die Zurückweisung einer adaptiven Geschichte üblicherweise zur Ersetzung durch eine andere, statt zu der Vermutung, dass eine andere Art der Erklärung erforderlich werden könnte. Nachdem das Spektrum adaptiver Geschichten so weit reicht wie die Kreativität unserer Vorstellungskraft, können neue Geschichten immer vorgebracht werden. Und wenn einmal eine Geschichte nicht sofort verfügbar ist, kann man sich immer noch auf vorübergehende Unwissenheit berufen und darauf vertrauen, dass in Zukunft eine auftauchen wird. (…) Zweitens sind die Kriterien für die Akzeptanz einer Geschichte so weit gefasst, dass viele ohne gründliche Bestätigung zutreffen. Oftmals verwenden Evolutionisten Vereinbarkeit mit natürlicher Selektion als das einzige Kriterium und sehen ihre Arbeit als getan an, wenn sie eine plausible Geschichte zusammengebraut haben. Aber plausible Geschichten können immer erzählt werden. Der Schlüssel zur historischen Forschung liegt in der Anwendung von Kriterien, die es ermöglichen, eine saubere Erklärung zu liefern inmitten dem Angebot plausibler Wege zu den modernen Resultaten.“ (Übers. v. ChL)
- 191.
Gould u. Lewontin, 1979, S. 590 ff.
- 192.
Ein hypothetisches Beispiel nach Gould u. Lewontin, 1979, S. 592: Wenn innerhalb einer Population eine Mutation vorkommt, die die doppelte Menge Nachwuchs beschert, wird dies bei unveränderten Umweltressourcen nicht zu einer Änderung der fortpflanzungsfähigen Nachkommen führen: Die Eltern legen mehr Eier, von denen aber die meisten wieder absterben. Eine Adaption ist dann nicht zu erkennen, wenn es Raubtiere gibt, die auf Nachwuchs spezialisiert sind (wie etwa häufig unter Fischen). Dann könnte die Population auf mittlere Sicht sogar abnehmen, obwohl die Selektion die Verdopplung der gelegten Eier sicher begünstigen wird.
- 193.
Die es ihm zum Beispiel ermöglicht, auch auf großen Höhen, etwa im Himalaya, zu leben. Diese Fähigkeit entwickelt sich wahrscheinlich bereits vor der Geburt und ist als solche nicht vererblich. Das Kind von zwei Tibetern, das am Meer ausgetragen und geboren wird, hat die Fähigkeit, in großer Höhe zu leben, noch nicht im gleichen Maße wie seine Eltern. Allerdings kann es diese Anpassung erwerben und diese Fähigkeit ist vererblich, Gould u. Lewontin, 1979, S. 593.
- 194.
Die Reaktion auf den Aufsatz von Gould und Lewontin fiel vor allem in der interessierten Öffentlichkeit heftig aus. Der amerikanische Philosoph Daniel C. Dennett, 1997, S. 364, beschreibt die Reaktionen: „In meiner eigenen Arbeit habe ich im Laufe der Jahre oft entwicklungsgeschichtliche Überlegungen herangezogen, und fast ebenso oft bin ich auf eine seltsame Strömung des Widerstands gestoßen: Philosophen, Psychologen, Linguisten, Anthropologen und andere taten meine Bezüge auf darwinistische Überlegungen als widerlegt und wissenschaftlich veraltet ab; munter erklärten sie, ich hätte keine Ahnung von Biologie – ich hätte meine Hausaufgaben nicht gemacht, denn Stephen Jay Gould habe doch gezeigt, daß der Darwinismus in keiner sehr guten Verfassung mehr ist. Er stehe sozusagen kurz vor dem Aussterben. Das ist ein Mythos, aber ein sehr einflußreicher, sogar in den heiligen Hallen der Wissenschaft“.
- 195.
Dennett, 1997, S. 379. Siehe auch Weber, 2005, S. 25.
- 196.
Siehe dazu auch Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 225 f.
- 197.
Orzack u. Sober, 2001, S. 3; dies., 1994, S. 362.
- 198.
Orzack u. Sober, 2001, S. 3.
- 199.
Godfrey-Smith, 2001, S. 336 ff. Siehe auch Stegmann, 2005, S. 289 ff.; Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 226 f.
- 200.
Godfrey-Smith, 2001, S. 343.
- 201.
Zum Folgenden siehe Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 235 f.
- 202.
Am einflussreichsten erscheint das auf einem Optimalitätsmodell basierende Testverfahren für Adaptionen zu sein, das von Orzack u. Sober, 1994, S. 367 ff., vorgestellt wurde. Es wird als „zensiertes“ Modell bezeichnet, weil es nur natürliche Selektion als Wirkmechanismus berücksichtigt, nicht dagegen mögliche andere Einflussfaktoren wie z. B. genetische Drift. Dabei wird in der ersten Stufe ein Optimalitätsmodell angewendet, wie es soeben beschrieben wurde. Daraus ergibt sich der unter bestimmten lokalen Bedingungen optimale Phänotyp. In einem zweiten Schritt wird der optimale Phänotyp mit dem tatsächlich existierenden Phänotyp verglichen. Dabei werden nur rein quantitative Vergleiche angestellt, das heißt den Merkmalen des Phänotyps und den anderen Variablen müssen numerische Werte zugeordnet werden. In einem dritten Schritt werden die zwei möglichen Ergebnisse – Übereinstimmung des Phänotyps mit dem optimalen Modell oder Abweichung davon – interpretiert: Übereinstimmung wird so gedeutet, dass natürliche Selektion die einzig wirksame Ursache für die Entwicklung des Merkmals war. Bei einer Abweichung kann geschlossen werden, dass neben der natürlichen Selektion noch andere evolutionäre Kräfte gewirkt haben und es sich nicht um eine Adaption handelt.
- 203.
Stegmann, 2005, S. 292 f. Anderer Ansicht sind allerdings Orzack u. Sober, 1994, S. 374, selbst, die davon ausgehen, dass ein paar Dutzend Optimalitätsmodelle, die eine Bestätigung der Anpassung erbracht haben, ausreichen, um die Aussage zu verifizieren, dass die meisten Merkmale adaptiv sind, was einer Bestätigung des empirischen Adaptionismus gleichkommt.
- 204.
Godfrey-Smith, 2001, S. 347 f.
- 205.
Stegmann, 2005, S. 295 f.
- 206.
Mayr, 1983, S. 328: „Wenn man die offensichtlichen Gefahren einer unrichtigen Anwendung des adaptionistischen Programms in Betracht zieht, warum sind Darwinisten dennoch so eifrig dabei, es anzuwenden? Der Hauptgrund ist sein großer heuristischer Wert. Die Frage des Adaptionisten ‚Was ist die Funktion einer bestimmten Struktur oder eines bestimmten Organs?‘ war seit Jahrhunderten die Grundlage für jeden Fortschritt in der Physiologie.“ (Übers. v. ChL)
- 207.
Siehe Godfrey-Smith, 2001, S. 354.
- 208.
Darwin, 1859, S. 280 f.
- 209.
Amundsen, 2001, S. 309; Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 229 f.
- 210.
Darwin, 1859, S. 281.
- 211.
Kutschera, 2004, S. 81 ff, nennt zur Veranschaulichung das Beispiel des Automobils: Das Grundmodell mit vier Rädern, einem Fahrersitz im vorderen Bereich, der ein Lenkrad bietet, Motor vorne und Lasten- oder Personentransportmöglichkeiten hinten besteht seit der ersten Daimler Motorkutsche von 1886. Dieses Urmodell des Autos wurde trotz rasanter technischer Entwicklung weitgehend beibehalten, obwohl verschiedene spezialisierte Baupläne optisch zum Teil gravierende Unterschiede zeigen. Ein Kraftfahrzeug zum Lastentransport (LKW) oder zum Personentransport (Omnibus) unterscheidet sich deutlich von einem Familienauto oder einem Sportwagen. Dennoch ist das Grundmodell mit seinen wesentlichen Eigenschaften weiterhin erkennbar. Alle technischen Neuerungen und Anpassungen werden um dieses Grundmodell herum vorgenommen, es konnte sich kein völlig neues Modell mit gänzlich anderen Komponenten bisher auf Dauer durchsetzen. Ähnlich erscheint es bei der Evolution der Organismen. Auch hier gab es im frühen Kambrium (vor gut 540 Millionen Jahren) relativ plötzlich 70 bis 80 neue grundlegende Körperbaupläne, zu denen später keine neuen mehr hinzukamen, Mayr, 2003, S. 84 f. Zwar sind viele der neu entstandenen Stämme später wieder ausgestorben, aber von den überlebenden Arten stammen alle von den sich zu jener Zeit entwickelnden Grundmustern ab. Dies spricht nicht für eine unbegrenzte Anpassungsfähigkeit der Organismen, sondern viel eher für eine gewisse „phylogenetische Trägheit“, siehe dazu Griffiths, 1996a, S. S1. Grundlegend neue Baupläne werden sich, so ist zu vermuten, nicht mehr entwickeln; die Anpassung musste ab dem Kambrium mit dem Material auskommen, das zur Verfügung stand.
- 212.
McKirtrick, 1993, S. 309. Davon zu unterscheiden ist der „phylogenetische Effekt“, das heißt die Ähnlichkeit zwischen eng verwandten Organismen aufgrund ihrer gemeinsamen Geschichte, a. a. O.
- 213.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 230 f.: „Somit sind zwei Muster in der Natur unterscheidbar, die sich gegenseitig überlagern. Das eine ist die Anpassung zwischen Organismen und den ökologischen Bedingungen, unter denen sie leben. Natürliche Selektion erklärt dies sehr gut. Das zweite Muster wird gebildet durch in hohem Maße konservierte Merkmale, die dazu führen, dass sich Organismen mit gemeinsamen Vorfahren ähneln.“ (Übers. v. ChL)
- 214.
Riedl, 1975, S. 192 ff.
- 215.
Riedl, 1975, S. 107 ff.; Laubichler, 2005, S. 329.
- 216.
Sterelny, 2000, S. S369.
- 217.
Amundsen, 2001, S. 310 f., im Zusammenhang mit Weismanns Unterscheidung zwischen Soma und Keimlinie: „Parental gametes give rise to a sequestered germline within the developing embryo, but they also exert their influence on the developing soma. Explaining (broad) inheritance required explaining the passage not only from gamete to germline but also from gamete to somatic trait. Development was a part of inheritance, and so it was necessarily implicated in understanding evolution.“
- 218.
Siehe dazu ausführlich Amundsen, 2001, S. 310 ff.
- 219.
Laubichler, 2005, S. 334.
- 220.
Siehe Stotz, 2005, S. 338; Arthur, 2002, S. 758; Sterelny, 2000, S. S369 ff.
- 221.
Arthur, 2002, S. 757.
- 222.
Weber, 2005, S. 213 f.
- 223.
Stotz, 2005, S. 347.
- 224.
Sterelny, 2000, S. S369 f.
- 225.
Zum Folgenden siehe Brown, 1999, S. 184 f.; Ridley, 2004, S. 579 ff.; Weber, 2005, S. 218 ff.
- 226.
Mayr, 2003, S. 78.
- 227.
Ridley, 2004, S. 580.
- 228.
Gehring u. Ikeo, 1999, S. 373.
- 229.
In Experimenten war es möglich, das Pax 6-Gen der Maus in Drosophila zu aktivieren, so dass der Fliege ein Auge gewachsen ist, das von einem Mausgen reguliert wurde, Gehring, 1996, S. 14. Dabei handelte es sich um ein Facettenauge, was auch nicht überraschend ist, denn das Regulationsgen der Maus hat die Ausbildung des Auges nur angestoßen. Das Auge selbst ist aus dem Zusammenspiel von insgesamt 2500 Genen von Drosophila gebildet. Das gleiche Experiment konnte bei Drosophila auch mit dem Pax 6-Gen eines Tintenfischs durchgeführt werden. Gehring u. Ikeo, 1999, S. 373, haben bei Drosophila ein weiteres Gen namens twin of eyeless gefunden, das in der Aminosäurensequenz zu 90 % mit dem Pax 6 bei Mäusen und Menschen übereinstimmt.
- 230.
Salvini-Plawen u. Mayr, 1977, S. 210: „It requires little persuasion to become convinced that the lens of a vertebrate and the compound eye of an insect are independent evolutionary developments.“
- 231.
Gehring, 1996, S. 12; Gehring u. Ikeo, 1999, S. 376 f.; Tomarev et al., 1997, S. 2426; Glardon et al., 1998, S. 2708.
- 232.
Siehe Gehring, 1996, S. 15: „Since Pax-6 homologues have now been found in vertebrates, tunicates, echinoderms, arthropods, nematods, nemertines and flatworms, the hypothesis that Pax-6 is a universal master control gene has gained considerable support. This suggests that the prototypic eye originated only once in evolution and various eye types arose from the same origin, which is much more compatible with Darwin’s theory. After all, Darwin was right again.“
- 233.
Ridley, 2004, S. 581; Weber, 2005, S. 221 ff. Siehe auch Fernald, 2000, S. 448 f., der von einer Teilhomologie der Augen in der Tierwelt ausgeht: „One part of the eye relies on homologous proteins and another does not. Recently, the discovery of conservation of many of the genes used during ontogeny of the eye, particularly Pax-6, has led to the proposal that all eyes are monophyletic – that is, they arose from an ‚Ur‘eye. However, our current level of understanding of the genetic control of eye development does not support this conclusion. Instead, there appears to be a continuity of genetic information that regulates the development of similar but nonhomologous eyes. How similar developmental programs produce such radically different eyes remains unknown.“
- 234.
„Wesentliche Strukturen“ im Sinne Riedls, siehe Riedl, 1975, S. 91 f.
- 235.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 232 f.; siehe auch Gould, 2003, S. 89 f.
- 236.
Siehe Hull, 1981, S. 23: „One of the most persistent and frustrating controversies in biology“; Mayr, 1997, S. 2091: „One of the basic questions of evolutionary biology“; siehe auch Lloyd, 1992, S. 335 f.
- 237.
Mayr, 2003, S. 159. Differenzierend Lloyd, 1992, S. 335 ff.
- 238.
Sterelny u. Kitcher, 1988, S. 339.
- 239.
Hull, 1981, S. 23.
- 240.
Siehe Williams, 1966, S. 22 f.: „The essence of the genetical theory of natural selection is a statistical bias in the relative rates of survival of alternatives (genes, individuals etc.) The effectiveness of such bias in producing adaptation is contingent on the maintenance of certain quantitative relationships among the operative factors. One necessary condition is that the selected entity must have a high degree of permanence, and a low rate of endogenous change, relative to the degree of bias. (…) The natural selection of phenotypes cannot in itself produce cumulative change, because phenotypes are extremely temporary manifestations. They are the result of an interaction between genotype and environment that produces what we recognize as an individual.“
- 241.
Dawkins, 1996, S. 52 ff.
- 242.
Dawkins, 1996, S. 63. Dies trifft angesichts des crossing over während der Meiose vor allem auf kurze DNA-Abschnitte zu, Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 56; Williams, 1966, S. 24.
- 243.
Dawkins, 1996, S. 44.
- 244.
Dawkins, 1996, S. 51. Siehe die Definition in Dawkins, 1982a, S. 114: „A vehicle is any unit, discrete enough to seem worth naming, which houses a collection of replicators and which works as a unit for the preservation and propagation of those replicators. (…) A vehicle’s success is measured by its capacity to propagate the replicators that ride inside it. The obvious and archetypal vehicle is the individual organism, but this may not be the only level in the hierarchy of life at which the title is applicable. We can examine as candidate vehicles chromosomes and cells below the organism level, groups and communities above it“, siehe auch ders., 1982b, S. 50 f.
- 245.
Dawkins, 1996, S. 70 f.
- 246.
Seit Hull, 1981, S. 33. Er definiert Interakteure als „Einheiten, die differenzielle Replikation bewirken, indem sie als zusammenhängende Ganzheiten direkt mit ihrer Umwelt interagieren.“
- 247.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 39; Sterelny u. Kitcher, 1988, S. 339: „We should think of genes as differing with respect to properties that affect their abilities to leave copies of themselves.“
- 248.
Sterelny u. Kitcher, 1988, S. 340. Siehe auch Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 56 f.: Unter Genen als Replikatoren sind nur die Gene der sog Keimlinie zu verstehen, also die Gene in Ei- und Spermazellen, die Keimzellen zur Fortpflanzung bilden. Deren Kopien „bauen“ den neuen Organismus, die nächste Überlebensmaschine, und können so als „potenzielle Vorfahren für unbestimmt lange Abstammungslinien von Kopien“ weiterleben. Die somatischen Gene, die außerhalb der Keimbahn in Gewebe-, Muskel- und sonstigen Zellen den Ausgangsorganismus geschaffen haben, sterben mit diesem. Dementsprechend versteht Dawkins, 1982b, S. 46, unter Replikatoren nur „aktive Keimlinien-Replikatoren“ und unterscheidet sie von den „Sackgassen-Replikatoren“. Keimlinien-Replikatoren sind „potenzielle Vorfahren einer unbestimmt langen Linie von nachkommenden Replikatoren“, so etwa die DNA in einem Hühnerei. Die DNA in einer Leberzelle gehört zur zweiten Kategorie. Aktiv ist ein Replikator, wenn er „einen gewissen ursächlichen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit seiner eigenen Weiterverbreitung“ hat.
- 249.
Die Konservierung der DNA-Sequenzen ist beträchtlich; man findet über die Hälfte aller codierenden Sequenzen der Hefe auch bei Mäusen und Menschen wieder, siehe Mayr, 2003, S. 164.
- 250.
Dawkins, 1996, S. 51.
- 251.
Dawkins, 1996, S. 71 ff.
- 252.
Siehe Symons, 1979, S. 39, 41: „I wish to point out that Dawkins’ implication – through the use of the words like ‚robot‘ and ‚blindly‘ – that evolutionary theory favors determinism is utterly without foundation (…) A robot is a mindless automaton. Perhaps some animals are robots (we have no way of knowing); however, Dawkins is not referring to some animals, but to all animals and in this case specifically to human beings. (…) ‚robot‘ can be opposed to ‚thinking being‘ or it can be used figuratively to indicate a person who seems to act mechanically, but there is no common usage of language that provides a meaning for the word ‚robot‘ in which it would make sense to say that all living things are robots.“ (Hervorhebungen im Original)
- 253.
Dawkins, 1982a, S. 16 f.: „Unfortunately I jumped the gun a little in the passage quoted. When I wrote it I had just returned from an eye-opening and mind-boggling conference on the state of the art of artificial intelligence programming, and I genuinely and innocently in my enthusiasm forgot that robots are popularly supposed to be inflexible idiots. I also have to apologize for the fact that, without my knowledge, the cover of the German edition of The Selfish Gene was given a picture of a human puppet jerking on the end of strings descending from the word gene, and the French edition a picture of little bowler-hatted men with clockwork wind-up keys sticking out of their backs. I have had slides of both covers made up as illustrations of what I was not trying to say.“ (Hervorhebungen im Original)
- 254.
Sober, 1984, S. 302.
- 255.
Mayr, 2003, S. 160.
- 256.
Dawkins, 1979, S. 189.
- 257.
Siehe die Kurzfassung des Genselektionismus nach Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 60: „The typical replicator’s strategy is to participate in concert with others in the construction of interactors that promote their copying. These replicator combinations are often thought of as programms, or as carrying information about interactors that guide their construction. In this view, the typical replicator codes for characteristics of interactors – organisms, colonies, populations. These interactors reproduce, and their differential reproduction causes the differential copying of the replicators. A replicator is more likely to be copied if its presence makes an interactor more likely to reproduce.“
- 258.
Mayr, 2003, S. 161; Brown, 1999, S. 368 ff. Dazu kommt noch, dass manche Gene überhaupt keine unmittelbare Wirkung auf den Phänotyp haben. Darunter fallen die zahlreichen Regulationsgene, die lediglich Expressions- und Replikationsprozesse anderer Gene steuern, ohne selbst Proteine aufzubauen, siehe dazu Brown, 1999, S. 164 ff., und die extragene DNA, also DNA-Sequenzen, die überhaupt keine Genexpression bewirken. Dazu Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 59; Brown, 1999, S. 309, 312 ff: Beim Menschen macht die extragene DNA etwa 70 % des gesamten Genoms aus.
- 259.
Zum Sichelzellengen siehe Storch et al., 2001, S. 232; Knippers, 2001, S. 213; Sober, 1984, S. 39 ff.
- 260.
Sober, 1984, S. 302 f.
- 261.
Mayr, 1997, S. 2092.
- 262.
Sober, 1984, S. 40.
- 263.
Mayr, 1997, S. 2092.
- 264.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 66.
- 265.
Wobei beim Beispiel der Ameisenaggressivität durchaus eine Adaption auf der Individualebene erkennbar ist. Der Gruppenvorteil ergibt sich aus der Summe der gesteigerten Aggressivität der Individuen. Es ist allein die Sichtbarkeit, die sich erst auf der Gruppenebene einstellt.
- 266.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 67. Siehe auch Maynard Smith, 1976b, S. 41: „Thus a 1 : 1 sex ratio is the only stable ratio; it is an evolutionary stable strategy.“ Zur evolutionär stabilen Strategie siehe unten Kap. 4.4.3.
- 267.
Sterelny u. Kitcher, 1988, S. 343.
- 268.
Siehe Dawkins, 1982a, S. 241 f.
- 269.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 68.
- 270.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 66.
- 271.
Ridley, 2004, S. 665 f.
- 272.
Tiere, die Warnrufe ausstoßen, ermöglichen den anderen Gruppenmitgliedern die rechtzeitige Flucht, lenken aber die Aufmerksamkeit des Angreifers auf sich und bringen sich dadurch in Gefahr. Auch die Biene, die bei der Verteidigung ihres Stocks zusticht und damit eine tödliche Verletzung in Kauf nimmt, handelt altruistisch zum Wohl des gesamten Bienenstaats, siehe Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 157.
- 273.
Williams, 1966, S. 92 f.
- 274.
Wynne-Edwards, 1962, S. 20.
- 275.
Lack, 1954, S. 114 ff., 141 ff., 271 ff.
- 276.
Wynne-Edwards, 1962, S. 9.
- 277.
Wynne-Edwards, 1962, S. 14: „This two-faced property of brotherhood tempered with rivalry is absolutely typical of social behaviour“.
- 278.
Wynne-Edwards, 1962, S. 19.
- 279.
S. zum Mechanismus der Gruppenselektion Dawkins, 1996, S. 32 f.; Krebs u. Davies, 1996, S. 16 f.
- 280.
Etwas abstrakter können Individualselektion und Gruppenselektion wie folgt gegenüber gestellt werden, siehe Maynard Smith, 1972, S. 10: Wenn man sich eine Gruppe vorstellt, in der zwei Allele A und a vertreten sind, wobei A mehr Nachwuchs produziert als a, so wird in jeder Generation A stärker vertreten sein und schließlich a völlig verdrängen. Das ist Individualselektion. Dagegen muss man sich bei der Gruppenselektion die Unterteilung einer Spezies in verschiedene, in der Reproduktion voneinander unabhängige Gruppen vorstellen. Die eine Gruppe besteht aus A-Individuen, eine andere aus a-Individuen. Wenn man weiter unterstellt, dass verschiedene Gruppen aussterben oder aber sich teilen und zwei neue Untergruppen bilden können, so ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass a-Gruppen aussterben und dass A-Gruppen überleben und sich durch Teilung verbreiten können. Irgendwann gibt es nur noch A-Gruppen. Das wäre Gruppenselektion. Eine solche Entwicklung kommt zwar zu demselben Ergebnis – es gibt nur noch A-Individuen –, aber aufgrund eines unterschiedlichen Mechanismus: Es stehen im zweiten Fall Gruppen von Individuen in Konkurrenz.
- 281.
In Deutschland wurde die Idee der Gruppenselektion besonders populär gemacht von Konrad Lorenz. Er betont etwa den arterhaltenden Charakter von Aggression. Die intrasexuelle Auslese, d. h. das Kämpfen von Geschlechtsgenossen um Fortpflanzungspartner, hat in seinen Augen nur dadurch Sinn, dass sich die kräftigsten Tiere durchsetzen und so über den Schutz der Nachkommenschaft hinaus Verteidigungsaufgaben für die gesamte Gruppe übernehmen können. Lorenz, 1963, S. 49 f., kommt zu der Feststellung, dass der Rivalenkampf „nur dort eine nützliche Auslese treibt, wo er Kämpfer züchtet, die nicht nur auf das innerartliche Duell-Reglement, sondern auf die Auseinandersetzung mit außerartlichen Feinden geeicht sind.“ Allgemein betont Lorenz „die Rolle, die der Aggression im Gefüge einer übergeordneten und dennoch leichter zu verstehenden Systemganzheit zufällt, nämlich innerhalb der aus vielen Individuen zusammengesetzten Gesellschaft sozialer Tiere.“
- 282.
Dawkins, 1996, S. 32.
- 283.
Krebs u. Davies, 1996, S. 17. Dawkins, 1996, S. 35.
- 284.
Wynne-Edwards, 1962, S. 20: „Where the two conflict, as they do when the short-term advantage of the individual undermines the future safety of the race, group-selection is bound to win, because the race will suffer and decline, and be supplanted by another in which antisocial advancement of the individual is more rigidly inhibited. In our own lives, of course, we recognise the conflict as a moral issue, and the counterpart of this must exist in all social animals.“
- 285.
Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 159 f.; siehe Maynard Smith, 1972, S. 11: „Although group selection is a possibility, it is rather ineffective compared to indivoidual selection. This is most easily seen by considering the fate of a ‚harmful‘ mutation. If a mutant is individually harmful, each new mutation can be eliminated from the population by a single selective death. If a mutant is individually beneficial but harmful to the group, each new mutation will be spread through the population (or species, if there is no division into reproductively isolated populations) and can be eliminated only by the extinction of the whole population or species.“
- 286.
Parker, 1974, S. 224; Maynard Smith u. Price, 1973, S. 15; Lack, 1966, S. 303; siehe Maynard Smith, 1972, S. 11: „I am reluctant to accept group selection as an explanation for an adaptation if there is a possibility of explaining it in terms of individual selection. (…T)his means that an explanation of a particular behavior pattern (…) which amounts to saying that it is good for the species but bad for the individual should be accepted only as a last resort.“ Siehe auch Zahavi u. Zahavi, 1998, S. 321 f.
- 287.
Die Wahrscheinlichkeit für das Funktionieren der Gruppenselektion ist nach Williams, 1966, S. 108, gering. Vorausgesetzt ist zunächst, dass eine Spezies in kleine Gruppen zerfällt, die reproduktiv völlig voneinander isoliert sind. Nur dann ist die Einwanderung anderer Genotypen, etwa Vögel mit einer erhöhten Gelegegröße, unterbunden. Die Gruppe dürfte darüber hinaus auch nicht zu groß sein, um einheitliche Allelverteilungen zu haben. Diese einheitlichen Allele stehen für bestimmte Merkmale, die sich im Vergleich zu anderen Gruppen (mit anderen Merkmalen) positiv oder negativ auswirken. Eine negative Auswirkung ist das Aussterben der Gruppe, eine positive ihr Überleben. So könnte sich auf Gruppenebene Selektion entwickeln. Das große Problem dabei ist aber, dass sich gewisse, das Individuum benachteiligende, aber für die Gruppe günstige Merkmalszüge in einer Gruppe einheitlich festsetzen müssen. Dies ist aber durch Individualselektion alleine kaum möglich, weil es ja definitionsgemäß schädlich für die Fitness seines Trägers ist. Darum müssen andere Mechanismen zu dieser Genverteilung führen. Eine Möglichkeit wäre Gendrift, die aber nur in kleinen Gruppen wirksam werden kann, siehe dazu auch D.S. Wilson, 1975, S. 143; Lack, 1966, S. 303.
- 288.
Zu der mathematischen Ableitung siehe D.S. Wilson, 1975, S. 144 f. Zusammenfassende Darstellungen dieses Modells finden sich bei Krebs u. Davies, 1996, S. 442 ff. und bei Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 161 f. Ein weiteres interessantes Beispiel bietet Kreft, 2004, S. 2751: Biofilme, das sind Bakterienbeläge, können verschiedene Vermehrungsstrategien verfolgen: eine Ertragsstrategie derjenigen Bakterien, die bei geringer Teilungsrate wenig Nahrung verbrauchen, und eine Wachstumsstrategie der Bakterien, die sich schnell teilen und so einen großen Nahrungsbedarf haben. Wenn diese verschiedenen Bakterien zusammen angesiedelt werden, scheinen sich zunächst die Schnellteiler durchzusetzen. Doch geraten sie – wie bei einem überfüllten Biotop – bald in Nahrungsmangel. Da sie ortsfest sind und nicht ausweichen können, müssen sie verhungern. Die Gruppe derjenigen Bakterien, die mit ihrem Nahrungsmittelangebot ökonomisch umgeht, setzt sich auf Dauer durch. Siehe die animierten Bakterienentwicklungen unter „http://www.theobio.uni-bonn.de/people/jan_kreft/altruism.html“.
- 289.
Siehe etwa Dawkins, 1996, S. 36 f., der im Gedanken der Gruppenselektion eine vergleichbare Haltung wie im Rassismus erblickt.
- 290.
Davon zu unterscheiden ist die Speziesselektion, die Makroevolution bezeichnet, die nicht leicht auf mikroevolutionäre Prozesse reduziert werden kann, siehe Ridley, 2004, S. 665 f.
- 291.
Siehe etwa van Baalen u. Rand, 1998, S. 641, die die Durchsetzung bestimmter, miteinander eng verwandter – „altruistischer“ – Cluster in viskosen Pflanzenpopulationen als Einheiten ansehen, die sich gegen nicht altruistische Abschnitte dieser Population durchsetzen können.
- 292.
Mayr, 2003, S. 166.
- 293.
Das in Fn. 291 genannte Beispiel von van Baalen u. Rand, 1998, könnte eine solche Ausprägung weicher Gruppenselektion sein. Jede durch Verwandtschaft zusammen gehaltene Gruppe mit erhöhter Gesamtfitness ist sowohl Gruppe im Sinne der Gruppenselektion als auch Individualselektion durch Verwandtschaft. Siehe van Baalen u. Rand, 1998, S. 640: „group selection and kin selection are two sides of the same coin“.
- 294.
Mayr, 2003, S. 166.
- 295.
Siehe insbesondere Wilson u. Sober, 1994; Frank, 1995, S. 521 f.; Bowles u. Gintis, 2002, S. 128.
- 296.
Fehr u. Fischbacher, 2004, S. 189. Siehe auch Boyd et al., 2003, S. 3531, 3534; Bowles u. Gintis, 1998, S. 4.
- 297.
Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf die sexuelle Fortpflanzung unter Eukaryoten, die durch folgende zwei Eigenschaften charakterisiert ist: 1) Es findet ein Wechsel zwischen einer haploiden Phase, den Keimzellen, mit einem einfachen und einer diploiden Phase mit einem doppelten Chromosomensatz statt. 2) Es geschieht ein Austausch von Genen zwischen den beiden Partnern eines Chromosomenpaares (Rekombination), wodurch Individuen mit neuen Genotypen entstehen, s. Weber, 2003, S. 103.
- 298.
So bereits Fisher, 1930, S. 122 f.
- 299.
Mayr, 2003, S. 132 f.: Siehe dazu auch Weber, 2003, S. 103 ff.
- 300.
Siehe dazu Nunney, 1989, S. 247 ff. Wie bei gruppenselektionistischen Argumentationen üblich, muss man davon ausgehen, dass sexuelle Fortpflanzung für das Individuum nachteilig – es entstehen ihm 50 % Kosten durch „ungenutztes“ Erbgut –, für die Gruppe aber von Vorteil ist. Es ist daher schon schwer vorstellbar, wie sich die neue kostenintensive Strategie erstmalig in einer Gruppe von sich bisher asexuell fortpflanzenden Individuen durchsetzen kann. Danach ist der weitere Gedankengang aber klar: Sexuell reproduzierende Populationen können das Überleben sichernde Adaptionen besser und vor allem schneller akkumulieren als sich asexuell, durch Klonierung fortpflanzende Arten, die auf günstige Mutationen hoffen müssen. Die asexuelle Population wird daher von der anpassungsfähigeren sexuellen Population über kurz oder lang verdrängt, siehe Ridley, 2004, S. 318.
- 301.
Diese Theorie wurde von Hamilton, 1980, S. 283 ff., begründet: Parasiten stehen unter dem Selektionsdruck, stets den häufigsten Genotyp des Wirtes zu besiedeln. Bei der mit Genrekombination verbundenen sexuellen Fortpflanzung besteht aber die Möglichkeit der Variation, die dem Wirtsorganismus einen Vorteil bringt. Diese These wurde auch „Rote Königin-Theorie“ getauft, denn die Rote Königin in Lewis Carrolls „Alice hinter den Spiegeln“ erzählt Alice, dass man so schnell wie möglich rennen muss, um immer an der gleichen Stelle zu bleiben. Der Wirtsorganismus muss sich stets weiterentwickeln, um seinen Status quo zu erhalten. Das gelingt nur der sexuellen Fortpflanzung. Für eine Computersimulation des „Wettlaufs“ zwischen Parasit und Wirt bei verschiedenen Fortpflanzungsmodalitäten siehe Hamilton et al., 1990, S. 3566 ff.
- 302.
Die Idee, die hinter dieser These steht, lässt sich anhand eines Gleichnisses verdeutlichen, das ursprünglich von Maynard Smith stammt: Man stelle sich zwei defekte Autos vor. Das eine hat kaputte Bremsen, beim anderen funktioniert die Zündung nicht mehr. Ein fahrtüchtiges Auto kann man erlangen, indem man Teile zwischen den Fahrzeugen austauscht, so dass die intakte Zündung des bremsunfähigen Fahrzeugs in das andere Fahrzeug eingebaut wird. Somit erhält man ein fahrbares Auto und eines mit zwei Defekten. Darin liegt eine Verbesserung. Dass das kaputte Auto nun mehr als einen Defekt hat, ist unerheblich, denn es kann sowieso nicht fahren, unabhängig von der Anzahl der Defekte. Ihm wurden alle Defekte aufgeladen, aber es wurde dafür ein fahrtüchtiges Auto geschaffen. Ganz ähnlich ist es bei haploiden Gameten, bei denen man sich vorstellen kann, an einem Genlocus gebe es zwei Allele, die funktionieren oder defekt sein können. Bei der Befruchtung werden die Defekte ausgetauscht, so dass diploide Genotypen entstehen können, bei denen alle betroffenen Genloci mit funktionierenden Allelen versehen sind. Dies geht nur auf Kosten von Genotypen, bei denen mehrere Genloci mit defekten Allelen ausgestattet sind, ihnen wurden die schädlichen Mutationen aufgeladen. Diese Genotypen werden beseitigt, aber es gibt eine gute Chance für Genotypen, bei denen alles funktioniert. Dies ist bei asexueller Reproduktion nicht möglich: Dort werden die nachteiligen Mutationen auf die Nachkommen übertragen, eine Reparatur findet nicht statt. Siehe dazu und zu weiteren Einzelheiten Ridley, 2004, S. 320 ff. Die mutational load-Hypothese wurde ursprünglich ausformuliert von Kondrashov, 1988, S. 437 ff.
- 303.
Zu den Versuchen, die beiden zuletzt genannten Hypothesen empirisch zu überprüfen, siehe Rice, 2002. Sicher ist nur, dass dieses Problem bisher nicht befriedigend gelöst ist, siehe Ridley, 2004, S. 327. Siehe zum gesamten Thema auch Sterelny u. Griffiths, 1999, S. 206 ff.
- 304.
West et al., 1999, S. 1005 ff.; Birky, 1999, S. 1014 ff.
- 305.
Insbesondere bei Vögeln sind die Geschlechtsunterschiede sehr auffällig. Männchen haben oftmals ein bunteres Gefieder, das Tarnung schwer macht; andere verfügen über besondere Sanges- oder gar Tanzkünste, die dazu führen, dass potenzielle Feinde aufmerksam werden. Gerade diese besonders auffällig agierenden, ungetarnten Männchen haben den größten Paarungserfolg, siehe Zahavi, 1974, S. 210 f.
- 306.
Darwin, 1871, S. 234.
- 307.
Darwin, 1871, S. 250.
- 308.
Voland, 2000, S. 136 ff.
- 309.
Siehe Bateman, 1948, S. 353 ff.: Er markierte die Chromosomen individuell unterschiedlich und brachte in mehreren Serien jeweils fünf Männchen und fünf unbefruchtete Weibchen zusammen. Die Weibchen hatten also die Wahl zwischen fünf verschiedenen Partnern und die Männchen konkurrierten mit vier Geschlechtsgenossen. Durch die Markierung konnte Bateman die Nachkommen eindeutig den verschiedenen Elternteilen zuordnen.
- 310.
Bateman, 1948, S. 359 f.
- 311.
Trivers, 1972, S. 137.
- 312.
Bateman, 1948, S. 365.
- 313.
Trivers, 1972, S. 139: Dazu gehören neben dem Stoffwechselaufwand zur Produktion der Gameten alle Investitionen, die dem Nachkommen zu Gute kommen – etwa Fütterung der oder Aufsicht über die Jungen. Dazu gehört aber nicht der Aufwand, der bei der Partnerwahl getrieben wird, etwa durch den erfolgreichen Konkurrenzkampf gegen Geschlechtsgenossen, denn diese Bemühungen erhöhen nicht die Überlebenschancen des Nachwuchses.
- 314.
Trivers, 1972, S. 139 ff.
- 315.
Williams, 1966, S. 185 f., nennt einige Beispiele dafür: Besonders auffällig ist das Fortpflanzungsverhalten der Syngnathidae, zu denen auch die Seepferdchen gehören. Bei ihnen legen die Weibchen ihre Eier in eine Bruttasche des Männchens, das mit einer plazentaartigen Konstruktion mit dem Blutkreislauf des Männchens verbunden ist. Das Männchen trägt die Nachkommen aus und ist auch bei der nachgeburtlichen Fürsorge sehr engagiert. Nach Williams sind die Geschlechterrollen bei der Partnerwahl dieser Arten oftmals vertauscht: „Under the circumstances, we might expect that it would be the female that would show the traditional masculine aggressiveness in courtship and general promiscuity, and the male would show caution and discrimination. This is known to be true in some species, and it is not known to be untrue in any.“
- 316.
Buss, 2004, S. 155.
- 317.
Siehe etwa Bateman, 1948, S. 360 ff.
- 318.
Einen Überblick über vorherige Erklärungsversuche gibt Zahavi, 1974, S. 205 ff.
- 319.
Siehe nur Dawkins, 1996, S. 491 ff.
- 320.
Ridley, 2004, S. 331 f.
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Laue, C. (2010). Evolution. In: Evolution, Kultur und Kriminalität. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-12689-5_3
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