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Rationierungen im Leistungsrecht

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Gesundheit und Wirtschaftswachstum

Part of the book series: Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs ((GESUNDMED))

Zusammenfassung

Es gibt kaum ein Wort, das verantwortliche Akteure des Gesundheitswesens so elektrisiert wie das Wort „Rationierung“.1 „Rationierung“ klingt nach letzter Ration, erinnert zumindest ältere Menschen an die Rationierung von Lebensmitteln in der Kriegs- und Nachkriegszeit und hinterlässt überhaupt den Eindruck, dass die Lage sehr ernst ist – ein Wort also, das schlechte Stimmung verbreitet. So gesehen, ist es bemerkenswert, dass immer mehr Akteure des Gesundheitswesens Debatten über Rationierungen initiieren und sich an ihnen beteiligen.2 Das ist nicht selbstverständlich, denn ungeachtet der sich immer mehr durchsetzenden Enttabuisierung lädt das Thema „Rationierung“ immer noch zu moralisierenden Denkverboten ein, so als ließe sich ein Problem lösen, wenn man nur kräftig genug die Augen vor ihm verschließt. Die Haltung, nach der nicht sein kann, was nicht sein darf, ist allerdings verständlich, denn es geht um säkulare Glaubensdogmen eines in Agonie befindlichen Sozialstaatskonzeptes. Es kreist um einen Überflusstraum, der eigentlich schon seit rund dreißig Jahren ausgeträumt ist, denn bekanntlich wurden die Kostendämpfungsgesetze der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in den späten 1970er und den frühen 1980er Jahren erfunden.

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Notes

  1. 1.

    Aus der neueren Diskussion: Volker Neumann, Prioritätensetzung und Rationierung in der gesetzlichen Krankenversicherung, Neue Zeitschrift für Sozialrecht (NZS) 2005, S. 617 ff.; Thorsten Kingreen, Gesundheit ohne Gesetzgeber? Verfassungsrechtliche Vorgaben für Verteilungsentscheidungen im Gesundheitswesen, in: ders./Bernhard Laux (Hrsg.), Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs, 2008, S. 147 ff.; Georg Marckmann, Gesundheit und Gerechtigkeit, Bundesgesundheitsblatt 2008, S. 887 ff.; Felix Welti, Rechtliche Rahmenbedingungen von Priorisierungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZEFQ) 2009, S. 104 ff.; Ulrich Wenner, Rationierung, Priorisierung, Budgetierung: verfassungsrechtliche Vorgaben für die Begrenzung und Steuerung von Leistungen der Gesundheitsversorgung, Gesundheitsrecht (GesR) 2009, S. 169 ff.

  2. 2.

    S. etwa die vom 112. Deutschen Ärztetag 2009 mit großer Mehrheit angenommene Entschließung „Patientenrechte in Zeiten der Rationierung sichern“, Beschlussprotokoll, S. 20 ff. (www.bundesaerztekammer.de, „Ärztetag“, „112. Deutscher Ärztetag 2009“).

  3. 3.

    Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) v. 27.6.1977 (BGBl. I S. 1069), Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz (KHKG) v. 22.12.1981 (BGBl. I S. 1568), Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG) v. 22.12.1981 (BGBl. I S. 1578).

  4. 4.

    Vgl. Wenner (Fußn. 1), S. 172 f.

  5. 5.

    Marckmann (Fußn. 1), S. 891.

  6. 6.

    Stephan Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht – am Beispiel des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, 2005, S. 61 f.

  7. 7.

    Rixen (Fußn. 6), S. 61.

  8. 8.

    Zum Folgenden Kingreen (Fn. 1), S. 153 f.; Marckmann (Fußn. 1), S. 891; Wenner (Fußn. 1), S. 171 f.

  9. 9.

    Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer, Prioritäten in der medizinischen Versorgung im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Müssen und können wir uns entscheiden?, DÄ (Deutsches Ärzteblatt) H. 15/2000, A-1017 ff.; Zentrale Kommission zur Wahrung ethischer Grundsätze in der Medizin und ihren Grenzgebieten (Zentrale Ethikkommission) bei der Bundesärztekammer, Priorisierung medizinischer Leistungen im System der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), DÄ (Deutsches Ärzteblatt) H. 40/2007, A-2750 ff. (abrufbar unter www.aerzteblatt.de).

  10. 10.

    Kingreen (Fußn. 1), S. 151 f.

  11. 11.

    Vgl. § 221 und § 241 SGB V.

  12. 12.

    Vgl. § 33 Abs. 2 und § 34 SGB V.

  13. 13.

    Zu förmlichen Wartelisten vgl. § 10 Abs. 2 Transplantationsgesetz (TPG).

  14. 14.

    Vgl. im Einzelnen zu Arzneimitteln § 35 und § 35b SGB V.

  15. 15.

    Etwa Brillengestelle und Brillengläser für volljährige Versicherte, die nicht praktisch blind sind, vgl. § 33 Abs. 2 SGB V; dazu Wenner (Fußn. 1), S. 174.

  16. 16.

    Vgl. §§ 139a ff. SGB V; Informationen unter www.iqwig.de.

  17. 17.

    Peter T. Sawicki, Unumgängliche Rationierungen im Gesundheitswesen, Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), Nr. 185 v. 12.8.2009, S. 10.

  18. 18.

    Sawicki (Fußn. 17), S. 10.

  19. 19.

    Marckmann (Fußn. 1), S. 891.

  20. 20.

    Vgl. Rixen (Fußn. 6), S. 587 f.

  21. 21.

    Begründung zum GKV-Modernisierungsgesetz (GMG), BT-Drucks. 15/1525, S. 72.

  22. 22.

    Zusammenfassend Rixen (Fußn. 6), S. 176 ff.

  23. 23.

    Näher zum Folgenden Sabine Schlacke, Kontrolle durch Patientenbeteiligung im Medizin- und Gesundheitssystem, in: Arndt Schmehl/Astrid Wallrabenstein (Hrsg.), Steuerungsinstrumente im Recht des Gesundheitswesens, Bd. 3: Kontrolle, 2007, S. 41 ff.

  24. 24.

    § 92 Abs. 1 S. 1 Hs. 3 SGB V.

  25. 25.

    § 140f Abs. 2 SGB V i.V.m. § 3 Abs. 4 Geschäftsordnung des G-BA (www.g-ba.de).

  26. 26.

    § 140f Abs. 4 S. 3 SGB V.

  27. 27.

    § 140h SGB V.

  28. 28.

    Rixen (Fußn. 6), S. 587 f.

  29. 29.

    Einschlägige Eindrücke unter www.patientenbeauftragter.de.

  30. 30.

    § 140f SGB V.

  31. 31.

    S. insb. §§ 43 ff. SGB IV.

  32. 32.

    § 46 Abs. 3 SGB IV; dezidiert kritisch hierzu Kingreen (Fußn. 1), S. 163.

  33. 33.

    BSGE (Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundessozialgerichts) Bd. 39, S. 244 (249).

  34. 34.

    § 140g SGB V i.V.m. der Patientenbeteiligungsverordnung (PatBeteiligungsV).

  35. 35.

    Hierzu Kingreen (Fußn. 1), S. 154 ff.; Welti (Fußn. 1), S. 105 ff.; s. auch Wenner (Fußn. 1), S. 176 ff.

  36. 36.

    BVerfGE (Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts) Bd. 115, S. 25 = Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2006, S. 891. – „Nikolaus-Beschluss“, weil er am 6.12.2005 ergangen ist.

  37. 37.

    Hierzu Stephan Rixen, Seltene Erkrankungen als Problem des Gesundheitssozialrechts. In: Zeitschrift für Evidenz, Fortbildung und Qualität im Gesundheitswesen (ZEFQ), 2008, S. 31 ff.; außerdem Wenner (Fußn. 1), S. 176 ff.

  38. 38.

    Kingreen (Fußn. 1), S. 156.

  39. 39.

    Dazu mit weiteren Nachweisen Welti (Fußn. 1), S. 107.

  40. 40.

    Zum Folgenden vgl. Kingreen (Fußn. 1), S. 156; Welti (Fußn. 1), S. 106; Zentrale Ethikkommission (Fußn. 9), H. 40/2007, A-2750 (A-2752).

  41. 41.

    Ulrich Becker, Die alternde Gesellschaft – Recht im Wandel, Juristenzeitung (JZ) 2004, S. 929 (936); Wolfram Höfling, Altersgrenzen aus der Sicht der Rechtswissenschaft, in: Volker Schumpelick/Bernhard Vogel (Hrsg.), Alter als Last und Chance, 2005, S. 522 ff.; Neumann (Fußn. 1), S. 622.

  42. 42.

    BVerfGE (Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts) Bd. 107, S. 59 = Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2003, S. 974.

  43. 43.

    Vgl. Rixen (Fußn. 6), S. 589.

  44. 44.

    Zusammenfassend Jan-Erik Schenkel, Sozialversicherung und Grundgesetz, 2008, S. 144 ff.

  45. 45.

    Hierzu Schlacke (Fußn. 23), S. 59 ff.

  46. 46.

    Vgl. § 3 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG).

  47. 47.

    Vgl. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG.

  48. 48.

    Vgl. § 61 BNatSchG, § 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz.

  49. 49.

    SGB IX.

  50. 50.

    Vgl. § 13 (Bundes-)BGG.

  51. 51.

    Niemand würde im Übrigen auf die Idee kommen, dass die prozessual abgesicherte Durchsetzungsmacht z. B. von Betriebsräten (vgl. §§ 74 ff. BetrVG) gemessen an der Idee des Individualrechtsschutzes etwas Systemfremdes wäre. Das arbeitsrechtliche „System“ ist eben mit guten Gründen vom Gesetzgeber so und nicht anders ausgestaltet worden.

  52. 52.

    Umfassend zur Problematik Sabine Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz – Phänomenologie und Systematik überindividueller Klagebefugnisse im Verwaltungs- und Gemeinschaftsrecht, insbesondere am Beispiel des Umweltrechts, 2008.

  53. 53.

    Zur derzeitigen erstinstanzlichen Zuständigkeit des LSG s. § 29 Abs. 2–5 SGB V.

  54. 54.

    Man denke insb. an den (u. a. mit Klagerechten ausgestatteten und durch die Verfassung als unabhängiges Staatsorgan geschützten) brasilianischen „Ministério Público“ (vgl. Art. 127 Verfassung Brasiliens), der (in Anlehnung an Stellen, die im deutschen Sprachraum bekannt sind) eine mit justizieller Sanktionsmacht versehene Mischung aus Ombudsstelle, Datenschutzbeauftragtem, österreichischem Volksanwalt und Vertreter des öffentlichen Interesses (vgl. §§ 35 ff. VwGO) ist und hierbei strukturell einer nicht mit Strafsachen befassten Staatsanwaltschaft ähnelt. Er dient gemäß Art. 127 der brasilianischen Verfassung u. a. der „Verteidigung der Rechtsordnung“ („defesa da ordem jurídica“): „O Ministério Público é instituição permanente, essencial à função jurisdicional do Estado, incumbindo-lhe a defesa da ordem jurídica, do regime democrático e dos interesses sociais e individuais indisponíveis“. Zur Fülle der damit einhergehenden Aufgaben s. insb. Art. 129 Verfassung Brasiliens und die Lei Complementar Nº 75, de 20 de Maio de 1993 (die brasilianischen Gesetzestexte sind abrufbar unter www.presidencia.gov.br/legislacao/).

  55. 55.

    Zur Aufgabe der Gesundheitsrechtswissenschaft allg. Rixen (Fußn. 6), S. 592 f.

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Rixen, S. (2010). Rationierungen im Leistungsrecht. In: Fischer, M., Meyer, S. (eds) Gesundheit und Wirtschaftswachstum. Gesundheit und Medizin im interdisziplinären Diskurs. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-11585-1_4

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