Auszug
Das Eigentum gibt dem Eigentümer einen Anspruch auf Herausgabe, § 985. Hat er die Sache aus seinem Besitz verloren, so kann er sie von jedem, der sie besitzt, herausverlangen: Vindikationsprinzip. Dieser Anspruch macht die Stärke des Eigentums aus, gefährdet aber auf der anderen Seite die Sicherheit des Rechtsverkehrs: Wer eine Sache erworben hat, muß jederzeit damit rechnen, daß ein Dritter sich als Eigentümer legitimiert und ihm die Sache wegnimmt. Das BGB hat die Schärfe des Vindikationsprinzips dadurch erheblich abgeschwächt, daß der Erwerber auch von einem Nichteigentümer Eigentum erwerben kann, wenn er gutgläubig ist (§§ 932–934, 936), es sei denn, daß die Sache abhanden gekommen ist, § 9351. Die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs stärkt die Verkehrssicherheit, schwächt aber andererseits die absolute Geltung des Eigentums2. Dieser vermittelnden Lösung des BGB geht in einer langen geschichtlichen Entwicklung eine Vielzahl von Versuchen voraus, die Interessen des Eigentümers und die der Verkehrssicherheit zufriedenstellend zu regeln. Gegen die Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs kann man nicht geltend machen, sie verstoße gegen die Logik, weil niemand etwas geben könne, was er nicht habe3. Wer dergleichen behauptet, hat den Unterschied zwischen allgemeingültiger Logik und interessenbewertender Jurisprudenz nicht beachtet. Wer meint, ein solcher Erwerb sei ungerecht, mag sich in die Situation versetzen, daß er in gutem Glauben eine Sache von einem unbekannten Händler auf dem Trödelmarkt gekauft und bezahlt hat und nun vom Eigentümer in Anspruch genommen wird.
Zur Geschichte des gutgläubigen Erwerbs vgl. mein Handbuch des Sachenrechts I § 10 I.
Der gutgläubige Erwerb bedeutet aber keine Enteignung, sondern stellt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung i.S.d. Art. 14 I 2 GG dar, vgl. dazu Hager, Johannes, Verkehrsschutz, 52, 59 f., 75, 79 und oben § 8 I d.
Der Satz nemo plus iuris transferre potest quam ipse haberet bezog sich ursprünglich auf den Erwerb des Erben von Erblasser und war im römischen Recht auf jeden Fall richtig. Logische Allgemeingültigkeit ihrer Rechtssprichwörter zu behaupten wäre den römischen Juristen nicht in den Sinn gekommen.
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Literatur
Wie alle Dogmen ist auch dieses nicht schematisch, sondern mit Verstand anzuwenden, vgl. unten § 15 VI 1 b, § 22 III 2 b, § 27 II 4 pr.
BGH 78, 325 und h.M., vgl. etwa Gursky, AcP 191 (1991), 368 ff.; gegen die Lehre vom Verkehrsgeschäft vgl. die Dissertation Wittkowski, Lutz, Die Lehre vom Verkehrsgeschäft, 1990.
Baur-Stürner § 23 Rn. 26; Wolff-Raiser § 45 I 4.
BGH 30, 256; Schwab-Prütting Rn. 224.
So aber BGH 30, 256; Wolff-Raiser § 45 I 4.
So zutreffend RG JW 1929, 1387; vTuhr I 354.
Wolff-Raiser § 45 I 4; MünchenerK-Quack § 932 Rn. 19.
Vgl. oben § 9 IX 1 b.
Vgl. oben § 9 IX 1 c.
So z.B. Wolff-Raiser § 69 II 1; Westermann-Gursky § 46, 2 b; Müller Rn. 2392a ff.; Palandt-Bassenge § 932 Rn. 8.
Vgl. Röhl, Zur Abgrenzung der groben von der einfachen Fahrlässigkeit, JZ 1974, 521 ff.
Vgl. RG 166, 101; BGH 10, 16; BGH NJW 1981, 1272.
Vgl. Larenz I § 20 V.
H. M., vgl. etwa Jauernig § 932 Rn. 17; Schwab-Prütting Rn 426; Westermann-Gursky § 46, 2 c; BGH 77, 277; Musielak, JuS 1992, 715.
Vgl. BGH LM § 932 N. 22; BGH DB 1970, 248.
So auch Erman-Michalski § 932 Rn. 10.
Vgl. etwa BGH NJW 1991, 1415, 1417; BGH NJW 1996, 2226.
BGH 30, 380; OLG Düsseldorf NJW-RR 1992, 381; BGH NJW 1996, 314; OLG Frankfurt NJW-RR 1999, 927 und JuS 1999, 1234 f.
Vgl. Motive 3, 212; auch E. Wolf § 5 B I b 12; Hager 328 f.; Bartels, AcP 205 (2005), 687 ff.; a.A. Wiegand, JuS 1978, 148 f.
Ebenso OLG Saarbrücken NJW 1968, 1936 f.; Mormann, WM 1966, 9; Jauernig § 932 Rn. 17; AlternK-Reich § 932 Rn. 13; Müller Rn. 2393; Jauernig § 932 Rn. 17; Baumgärtel, Gottfried, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 1985, § 932 Rn. 7.
Vgl. Baur-Stürner § 52 Rn. 15; BGH 10, 72 f.; 30, 377; Westermann-Gursky § 46, 4.
Westermann-Gursky § 47 I 2.
Vgl. Motive 3, 345; Wolff-Raiser § 69 II 2 c; Erman-Michalski § 933 Rn. 1.
Vgl. RGRK-Pikart § 933 Rn. 5; Soergel-Henssler § 933 Rn. 8.
Vgl. etwa Wiegand, JuS 1974, 203; Picker, AcP 188 (1988), 511 ff.; Kindl 317 f.
Michalski, AcP 181 (1981), 417 ff.; Jauernig § 934 Rn. 2; Baur-Stürner § 52 Rn. 20 und jetzt Lohsse, AcP 2006, 527 ff., der trotz den unterschiedlichen Ausgangssituationen von § 933 und § 934 einen Wertungswiderspruch zwischen ihnen behauptet.
Vgl. Protokolle der 2. Kommission 3706 (Mugdan 3, 632 f.).
Vgl. den Fall BGH JuS 1978, 131 f. Mit Beginn der Veräußerungshandlung tritt der Veräußerer als Eigenbesitzer auf, verwandelt also seinen mittelbaren Fremd-in Eigenbesitz.
Daß der Erwerb mittelbaren Besitzes für § 934 (2) ausreicht, entspricht zu Recht der h.M., vgl. etwa Protokolle der 2. Kommission 3706 (Mugdan 3, 632); RG 89, 349; 135, 77; 138, 267; Soergel-Mühl § 934 Rn. 3; Erman-Michalski § 934 Rn. 3.
Vgl. Protokolle der 2. Kommission 3705 f. (Mugdan 3, 632). Zum gutgläubigen Geheißerwerb vgl. auch Wieling, Jura 1980, 322 ff., 326 f.
Vgl. auch Wolff-Raiser § 69 II Fn. 22; Baur-Stürner § 52 Rn. 24; M. Wolf Rn. 570; Medicus, BürgR, Rn. 558. Bei dieser Frage zeigen sich auch die Schwierigkeiten, welche bei der Leugnung des Nebenbesitzes entstehen können, vgl. Kindl, AcP 201 (2001), 391 ff.
So auch Tiedtke, Jura 1983, 475.
So auch BGH NJW 1973, 141 f.
So schon die Protokolle der 2. Kommission 3706 (Mugdan 3, 632) für den gleichgelagerten Fall des § 934 (2); ebenso etwa Westermann-Gursky § 47 I 1; Baur-Stürner § 52 Rn. 13; M. Wolf Rn. 565.
Vgl. etwa BGH 36, 56 ff.; BGH NJW 1974, 1132; Palandt-Bassenge § 932 Rn. 4; Jauernig § 932 Rn. 15; Medicus, BürgR, Rn. 564.
Vgl. die Protokolle der 2. Kommission 3706 (Mugdan 3, 632 f.); Wieling, JZ 1977, 295 f.; Musielak, JuS 1992, 716 ff.; Hager 286 ff.; Kindl 344. Daß er sich darauf verlassen hat, d.h. daß zwischen dem Rechtsschein und dem guten Glauben Kausalität bestehen müßte, ist hier wie überall nicht erforderlich, vgl. oben II 2.
Die §§ 932 ff., § 366 HGB sind daneben nicht anwendbar, Vgl. BGH NJW 1990, 3209.
Anders eine Meinung, die bei einer Weggabe durch Geschäftsunfähige immer ein Abhandenkommen annehmen will, vgl. etwa Motive 3, 348; Wolff-Raiser § 69 I 1; Palandt-Bassenge § 935 Rn. 3; MünchenerK-Quack § 935 Rn. 9; OLG München NJW 1991, 2571. — Flume II § 13, 11 d; Nietschke, JuS 1968, 542 f. und Kindl 348 ff. wollen das sogar auf beschränkt Geschäftsfähige ausdehnen.
So zutreffend Jauernig § 935 Rn. 4; Schwab-Prütting Rn. 433; Baur-Stürner § 52 Rn. 42; Westermann-Gursky § 49 I 3; Musielak, JuS 1992, 723.
H.M., vgl. etwa Motive 3, 348; Eichler II 1, 173; Schwab-Prütting Rn. 434; M. Wolf Rn. 431; BGH NJW 1953, 1506; BGH 4, 33 ff.; Musielak, JuS 1992, 723.
So zutreffend etwa Wolff-Raiser § 69 I 2; Westermann-Gursky § 49 I 5; RGRK-Pikart § 935 Rn. 29; MünchenerK-Quack § 935 Rn. 7; Soergel-Mühl § 935 Rn. 1; a.A. etwa Baur-Stürner § 52 Rn. 38; Braun, JZ 1993, 391 ff.
So etwa Palandt-Bassenge § 935 Rn. 4; Wolff-Raiser § 69 I 1; Baur-Stürner § 52 Rn. 39; Westermann-Gursky § 49 I 6; Musielak, JuS 1992, 723.
So zutreffend etwa H. Westermann (5. Aufl.) § 49 I 6; H. P. Westermann Rn. 203; Wiegand, JuS 1974, 205 f.; AlternK-Reich § 935 Rn. 2; Soergel-Mühl § 935 Rn. 2; MünchenerKJoost § 855 Rn. 23.
Einen geschichtlichen Überblick gibt Imbusch, Birgit, Der gutgläubige rechtsgeschäftliche Erwerb gestohlener Sachen im deutschen Recht, 1999.
Vgl. dazu Dorff, Peter, Der Versteigerungserwerb und seine Rechtmäßigkeit bei abhanden gekommenen Sachen, 1999.
So etwa Wolff-Raiser § 69 I 4 b; vgl. auch Schwab-Prütting Rn. 437.
Vgl. Planck-Brodmann § 935 N. 6 c; Soergel-Mühl § 935 Rn. 14; RGRK-Pikart § 935 Rn. 38; J. vGierke § 32 I 3 b.
Der Veräußerer begeht daher auch keinen Betrug gegenüber dem Erwerber im Sinne der „Makeltheorie“, vgl. Krey, Rn. 473 ff.
Protokolle der 1. Kommission 4223, 4228 (Jakobs-Schubert, Schuldverhältnisse III 860, 863); BGH 36, 60; Westermann-Gursky § 47 III 1; Wieling, Bereicherungsrecht § 4 III 1 pr.
Vgl. dazu BGH NJW 1960, 860; Palandt-Thomas § 816 Rn. 9.
Vgl. BGH 55, 179.
Vgl. etwa Wiegand, JuS 1971, 62 f.
Vgl. etwa Wolff-Raiser § 69 IV; Baur-Stürner § 52 Rn. 34; M. Wolf Rn. 435; Erman-Michalski § 932 Rn. 14; Braun, ZIP 1998, 1469 ff., der zu Recht die Konstruierbarkeit dieser Lösung betont, wenn man „Konstruieren“ in einem methodisch weiteren Sinne als Auslegung der Rechtsordnung versteht.
Z.B. wenn G im obigen Beispiel die goldene Uhr bei X in Verwahrung gegeben hat; vgl. RGRK-Pikart § 936 Rn. 17; Westermann-Gursky § 50, 2; Wolff-Raiser § 70 II.
Ebenso Wolff-Raiser § 70 I 2; Erman-Küchenhoff § 1208 Rn. 2 f.; RGRK-Kregel § 1208 Rn. 5; Palandt-Bassenge § 1208 Rn. 2; a.A. MünchenerK-Quack § 936 Rn. 12; Westermann-Gursky § 50, 1.
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