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Feldnotizen und Analyse

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Zusammenfassung

Man hat ein Feld ausgewählt. Man hat Konzepte eingesetzt, als man in dieses Feld ging. Man hat Zugang, Rapport, Rollen und damit Immersion erreicht. All das war bereits analytische Arbeit: Wenn die Trennung zwischen Planung und Durchführung schon künstlich war, ist es die Trennung von Analyse und Feldphase durch und durch. Die Platzierung der Grundlagen ethnografischer Analyse in einer Forschungsstruktur ist daher problematisch. „Es gibt bei unserem Forschungsstil keine klare Trennlinie zwischen Datenerhebung, Auswertung und ‚Niederschrift‘“ (Breuer 2010: 103); diese sind keine Schritte, die nacheinander abgearbeitet werden, sondern Aspekte derselben Forschungsaktivität, die immer wieder überlappend und ineinandergreifend geschehen.

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Notes

  1. 1.

    Wobei Reichertz bemerkt, dass diese Kontextualität und der Konstruktionscharakter der eigenen Abstraktionen nur selten offen zugegeben wird: „Ein […] augenzwinkerndes Zugeständnis des Konstruktionscharakters eigener Weltdeutungen [wie bei Schimank, M. D./R. P.] findet sich m. E. […] nur sehr selten in der wissenschaftlichen Praxis. Findet man [es], dann jedoch nur bei älteren, meist emeritierten Vertretern ihres Faches“ (1999: 300).

  2. 2.

    Selbstverständlich funktioniert die postmoderne Ethnografie mit ihrer Autoethnografie, den „performace texts“, und „messy texts“, etc.nicht anders. Diese Form hat keine neue Offenheit entdeckt, als sie die (alte) Einsicht der Interpretativität und der „Krise der Repräsentation“ „entdeckt“ hat (die, wie Maines bemerkt, doch schon mindestens hundert Jahre vorher von Interaktionisten „entdeckt“ worden war, dann allerdings ohne die radikalen Schlussfolgerungen). Sie hat lediglich eine neue Referenzgruppe, einen neuen Resonanzraum geschaffen, auf dessen Erwartungen (und das sind bestimmte) die Texte sich jetzt beziehen können (und das ganz klassisch durch Zitierung des eigenen Kanons), das auf eine bestimmte Art und Weise tun, die immer ebenso interpretativ ist – die Erwartungen sind zwar bestimmt, aber eben auch in der Situation der Rezeption erst aktualisiert, so dass sie in unterschiedlichen Situationen zwar immer bestimmt sind, aber immer auch anders. Und diese Eigengruppe muss die Referenzen und die Art derselben auch annehmen, die postmodernen Autoren müssen sie verkaufen können. Es stellt sich hier lediglich die Frage, wer außerhalb der Gruppe das für gewinnbringend hält. Während andere ethnografische Arbeiten auch jenseits der geschlossenen Eigengruppe Aufmerksam hervorrufen und Anerkennung finden können, versickern postmoderne performance texts wohl doch ein wenig am Rande der Disziplin.

  3. 3.

    Auch das ist eine interpretationale Problematik. Arbeiten wurden gerne als „theorielos“ bezeichnet, als „reines Geschichtenerzählen“. Das hat Goffmans Arbeiten früher getroffen; heute trifft es manchmal Venkatesh. Diese Bezeichnung hielt, bis Goffmans Werke dann von Soziologen als durch und durch theoretisch interpretiert wurden, was damit einen Bezug im Werk geschaffen hat, der vorher nicht „gesehen“ wurde. Konkret heißt das, ob überhaupt Bezug genommen wird, ist bereits eine Definition der Situation, die in der Interaktion zwischen Autor und Leser, in der Rezeption des Textes nämlich, emergiert. So ist schon die Präsenz des Bezuges eine Frage, „ob man das so verkaufen kann“ – nicht erst die Akzeptanz des Bezuges.

  4. 4.

    Interessanterweise heißt das natürlich, dass die Soziologieausbildung gewinnbringend als teilnehmende Beobachtung thematisiert werden könnte, was natürlich die Art darstellt, wie in „angelernte“ Handwerksberufe klassisch sozialisiert wurde. Man könnte argumentieren, dass viel erfolgreiche Soziologiesozialisation erst dann geschieht, wenn gatekeeper vielversprechende Anwärter ins soziologische Feld mitnehmen.

  5. 5.

    Fish geht gar soweit zu schreiben, dass in der theoretischen Einsicht einer „Krise der Repräsentation“ nichts Krisenhaftes zu finden sei: Tatsächlich steht gar nichts auf dem Spiel. […] [S]ie werden nicht gebraucht. Wer ein Anwalt, Richter oder Literaturkritiker ist, der einen interpretativen Wegweiser benötigt, wird ihn in den Konventionen, obligatorischen Routinen, vorgesehenen Zielen und vorrangigen Zwecken finden, die mit der Mitgliedschaft in einer professionellen Praxis einhergehen, und er wird sie dort immer bereits gefunden haben. Sie müssen nirgendwo sonst gesucht werden. (2011: 274).

    Die Praxis der Ethnografie ist Beschreibung der Realitäten und Lebenswelten untersuchter Gruppen. Diese Praxis hat Ziele und Zwecke, die von theoretischen Diskussionen über „Sinn“ und „Bedeutung“, über „Repräsentation“ und „Simulacra“ o. Ä. letztlich nicht abhängen. Man kann über solche Fragen diskutieren, muss sich aber im Klaren sein, dass man dann keine Ethnografie betreibt, sondern Theorie, und wenn man Fish folgt, dass man dabei auch Ethnografie nicht theoretisch unterstützt.

  6. 6.

    Der oft ebenso verwendete Begriff des „Forschungstagebuchs“ bringt diese persönlich-geheime Natur dieser Aufzeichnungen noch einmal stärker in den Vordergrund: Es handelt sich um ganz persönliche Aufzeichnungen, die durchaus auch Episoden und Elemente enthalten, die nicht für die Öffentlichkeit intendiert sind. Dabei verwenden manche Ethnografen beide Begriffe, um verschiedene Notizen zu bezeichnen: Feldnotizen sind die verwendbaren Beschreibungen des Feldes, das Forschungstagebuch beinhaltet dagegen die Selbstreflexion. Diese Trennung stammt noch aus der oben bereits diskutierten Zeit, in der das „Objektive“ vom „Subjektiven“ getrennt werden musste. Da das weitgehend vorbei ist, ist auch diese Trennung so nicht mehr nötig, obgleich eine andere Trennung sofort eingeführt werden wird.

  7. 7.

    Uns ist das aus der Lehrpraxis nur zu bekannt, und andere, die Ethnografie unterrichten, werden keine anderen Erfahrungen haben: Lässt man sich Feldnotizen der Studierenden aushändigen, sind diese nur sehr selten wirklich nachvollziehbar, aber dennoch taugen sie, um mit ihnen gute Ethnografien zu schreiben.

  8. 8.

    Strauss und Corbin unterscheiden zwischen Code-Memos, theoretischen Memos und Planungs-Memos: Das ist ungefähr dasselbe Grundprinzip, aber unsere Aufteilung ist, finden wir, eingängiger.

  9. 9.

    Dabei ist „schlechtes Drehbuch“ ein Werturteil. Die Drehbücher sind oft bewusst auf genau diese Art vom Sender bestellt worden: Wer Subtext spricht und nicht durch Handlungen erkennen lässt, macht, so jedenfalls die Hoffnung der Produzenten, „einfacher zugängliches“ und damit breitenwirksameres Fernsehen.

  10. 10.

    Es handelt sich hierbei um eine von Studierenden im Laufe eines Seminars verfolgten ethnografischen Arbeit.

  11. 11.

    Das zeigt auf eine offenere Verwendung des Begriffes „Normalisierung“ hin, der sonst nicht zur Zuschreibung einer Störung verwendet würde. Da jedoch Normalitäten situative Geschöpfe sind, kann die Einordnung in eine situative Normalität – so „unnormal“ diese in anderen Situationen wäre – als kontextuale „Normalisierung“ gefasst werden.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Dellwing, M., Prus, R. (2012). Feldnotizen und Analyse. In: Einführung in die interaktionistische Ethnografie. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94265-0_5

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-94265-0_5

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-531-18268-1

  • Online ISBN: 978-3-531-94265-0

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