Zusammenfassung
Das Werk Georg Simmels im Hinblick auf seine Bedeutung für die Grundlegung einer spezifischen Tradition der Kultursoziologie zu würdigen, wie sie unter anderem in den Arbeiten von Max und Alfred Weber, Werner Sombart und Karl Mannheim zum Ausdruck kommt, heißt vor allem, sich über den kategorialen Status sowie die methodologischen Implikationen seiner 1900 erschienenen Philosophie des Geldes Gewißheit zu verschaffen. Denn in ihr hat Simmel nicht nur eine genuine Theorie der Moderne auf der Grundlage seiner Rekonstruktion der Entstehung der modernen Geldwirtschaft entwickelt, die in Max Webers Untersuchungen über die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus ihren bedeutendsten rezeptionsgeschichtlichen Niederschlag gefunden hat. In seiner Philosophie des Geldes skizzierte er nämlich zugleich die Grundlagen seiner späteren Kulturtheorie, die er nach der Jahrhundertwende in seinen verschiedenen kulturphilosophischen Essays weiterentwickelt hat, welche die in seiner 1911 erschienenen Aufsatzsammlung Philosophische Kultur Eingang gefunden haben. Simmels Bedeutung als einer der ‚Ahnen des Kulturbolschewismus‘, wie ihn Walter Benjamin einmal bezeichnet hat, ist jedoch weniger in diesen späteren kulturphilosophischen Essays begründet, in denen er die Marxsche Analyse des Warenfetischismus und der in dieser implizierten ‚Entfremdung‘ der Produzenten von den Produktionsmitteln und den Produkten ihrer Arbeit zu einer universellen, geschichtsübergreifenden ‚Krise‘ und ‚Tragödie der Kultur‘ verallgemeinert hat. Sie ist vielmehr untrennbar mit seiner Philosophie des Geldes verbunden, in der er die Bedeutung der modernen Geldwirtschaft hinsichtlich der Prägung des modernen ‚Lebensstils‘ sowie der ‚seelischen‘ Verfassung der Individuen aufzuzeigen versuchte. Die spezifische Erfahrung von Modernität, wie sie im Gefolge des neuzeitlichen Prozesses der Rationalisierung aller Lebensbereiche, der Ausbreitung eines alle Kontinente, Staa ten und gesellschaftliche Ordnungen umfassenden Geld- und Nachrichtenverkehrs sowie in der Ausbildung spezifisch großstädtischer Lebensformen zum Ausdruck kommt, ist denn auch der empirische Bezugspunkt, von dem die einzelnen kulturtheoretischen Analysen Simmels ausgehen. Aber nur in seiner Philosophie des Geldes hat Simmel einen systematischen Bezugsrahmen entwickelt, in dem diese Studien verankert sind und der insofern einen Aufschluß über deren Status in Simmels Werk zu geben vermag.
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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
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Lichtblau, K. (2011). Die Seele und das Geld – Kulturtheoretische Implikationen in Georg Simmels „Philosophie des Geldes“. In: Die Eigenart der kultur- und sozialwissenschaftlichen Begriffsbildung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93235-4_7
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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