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Zwischen Vitalität und Pflegebedürftigkeit: Stärken und Schwächen des hohen Alters

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Zusammenfassung

Am 10. Mai 2002 erschien in der Zeitschrift Science ein Artikel, der die Ansichten über die Entwicklung der Lebenserwartung grundlegend veränderte. Jim Oeppen und James W. Vaupel widerlegten auf geradezu geniale Art und Weise die über Jahrzehnte hinweg wiederholt geäußerte Meinung vieler Forscher, dass die Lebenserwartung bald eine Obergrenze erreichen würde (Oeppen & Vaupel 2002). Ihr Ansatz war, nicht nur die Entwicklung der Lebenserwartung in einzelnen Ländern zu betrachten, sondern für jedes Jahr das Land zu berücksichtigen, das die weltweit höchste Lebenserwartung aufwies. Durch dieses Vorgehen wurde die Rekordlebenserwartung bestimmt. Die beiden Forscher haben nun die Entwicklung dieser Rekordlebenserwartung seit 1840 rekonstruiert und ihre Beobachtungen mit historischen und zeitgenössischen Expertenmeinungen und Prognosen verglichen. Die Analyse erbrachte zwei wichtige Ergebnisse: Erstens stellten sich viele der in den vergangenen 75 Jahren gemachten Behauptungen über vermeintliche Höchstgrenzen der Lebenserwartung regelmäßig wenige Jahre später als falsch heraus, weil diese dann bereits in einem Land durchbrochen worden waren. Zweitens zeigte die Entwicklung der letzten 160 Jahre, dass die Rekordlebenserwartung der Frauen stetig und kontinuierlich um ungefähr drei Monate pro Jahr (exakt 0,243 Jahre) angestiegen war. Sollte die Lebenserwartung bald ihre Obergrenze erreichen, würde man erwarten, dass sich der Zuwachs in der Rekordlebenserwartung verlangsamt. Doch genau das trifft nicht zu. Erstaunlich ist das Ausmaß der Konstanz und Regelmäßigkeit ihres Anstiegs. So lässt sich die Zunahme über 160 Jahre fast perfekt durch eine Gerade beschreiben. Wenn sich der lineare und kontinuierliche Zuwachs der Lebenserwartung in der Zukunft fortsetzt, dann wird im Jahr 2060 die Rekordlebenserwartung in einem Land auf der Erde – vermutlich Japan – 100 Jahre betragen. Die Ergebnisse der Studie haben gravierende Folgen für die Politik und die persönliche Lebensplanung. Denn viele der bisherigen offiziellen Prognosen, die auf der Annahme beruhen, die Obergrenze der Lebenserwartung sei bald erreicht, täuschen die Gesetzgeber und diejenigen, die für ihren Ruhestand planen und vorsorgen wollen, über die tatsächliche zukünftige Lebenslänge hinweg. österreich taucht in der Auflistung der Rekordlebenserwartung nicht auf. Trotzdem ist die Lebenserwartung von 32,7 Jahren für Männer und 36,2 Jahren für Frauen im Zeitraum 1868/71 auf 77,3 Jahre für Männer und 82,9 Jahre für Frauen im Jahr 2007 angestiegen. Der durchschnittliche jährliche Zuwachs in diesem Zeitraum beträgt 0,34 Jahre für Frauen und übertrifft sogar den Zuwachs der weiblichen Rekordlebenswartung (0,243 Jahre). Aus den Sterbetafeln für das Jahr 2007 ist weiter zu entnehmen, dass 84% der Männer und 92% der Frauen die Chance haben, das Alter von 65 Jahren zu erreichen. 80 Jahre alt werden 52% der Männer und 71% der Frauen. Zehn Jahre zuvor betrug die Chance, 80 Jahre alt zu werden, 41% (Männer) bzw. 63% (Frauen). Es ist ein bemerkenswertes Ergebnis, dass heutzutage mehr als die Hälfte der Männer und fast drei Viertel der Frauen das hohe Alter (80+) erreichen, eine Lebensphase, die von der Gerontologie und auch der Gesellschaft insgesamt bislang noch zuwenig beachtet und erforscht wird. Von allen 80-Jährigen werden wiederum 32% der Männer und 42% der Frauen 90 Jahre alt. Diese Möglichkeiten waren zehn Jahre zuvor deutlich niedriger (23% für Männer bzw. 34% für Frauen). In einem demografisch betrachtet sehr kurzen Zeitraum von 10 Jahren haben sich nicht nur die Chancen, ein hohes Alter zu erreichen erhöht, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, eine weitere Dekade zu leben, ist deutlich angestiegen. In keinem anderen Alterssegment ist eine solche Dynamik zu finden. Abbildung 1 und 2 sollen verdeutlichen, dass die zunehmende Hochaltrigkeit bei Männern ab ca. 1980, bei Frauen ab ca. 1970 eingesetzt hat. Das Rektangularisierungsmuster löst sich auf, der rechte Schenkel der Verteilung wandert immer weiter nach rechts. Dies bedeutet, dass auch im höchsten Alter die überlebenswahrscheinlichkeiten steigen, was mittlerweile den größten Beitrag zur Zunahme der Lebenserwartung liefert. Die Konsequenzen dieser rasant zunehmenden Hochaltrigkeit sind unklar. Es drängt sich die Frage auf, wie gut der Mensch für ein sehr langes Leben von 80, 90 oder sogar 100 Jahren ausgestattet ist.

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Hilarion G Petzold Erika Horn Lotti Müller

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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Rott, C. (2011). Zwischen Vitalität und Pflegebedürftigkeit: Stärken und Schwächen des hohen Alters. In: Petzold, H., Horn, E., Müller, L. (eds) Hochaltrigkeit. Integrative Modelle in Psychotherapie, Supervision und Beratung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92740-4_4

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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