Zusammenfassung
Der Beitrag stellt Tafeln im Kontext einer Armutsbekämpfung ohne Sozialstaat vor und fragt nach den Folgen des damit verbundenen Barmherzigkeitshandelns. Hartz IV und Agenda 2010, die für einen Aufschwung der „Tafeln“ gesorgt haben, stehen dabei für eine absichtsvolle Verschiebung in Richtung eines schwächeren Sozialstaates angelsächsischer Prägung. Wenn einerseits der Sozialstaat nicht mehr zu leisten ist und tiefgreifend transformiert wird, andererseits auf Armutsbekämpfung nicht verzichtet werden kann, dann besteht die Gefahr, dass den Tafeln ein fester Platz in der Gesellschaft eingeräumt wird. Dabei wird die kritische These vertreten, dass die Tafeln ein Symbol für eine rückwärtsgewandte Entwicklung von der Armutsbekämpfung zur Armenfürsorge darstellen und sie sich dabei funktional in die Transformation des Sozialstaates einfügen. Die Folge hiervon ist der Abbau sozialer Rechte – Tafeln und ihre Nutzer/innen geraten in eine Wohltätigkeitsfalle.
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Segbers, F. (2010). Tafeln in der Wohltätigkeitsfalle. In: Selke, S. (eds) Kritik der Tafeln in Deutschland. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92611-7_9
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