In der politischen Theorie gilt es als ausgemacht, dass die Europäische Integration ein Demokratiedefizit aufweist (Eriksen/Fossum 2000; Jachtenfuchs/ Kohler-Koch 1996). Der soziologische Beobachter, der den Diskurs zu rezipieren sucht, sieht sich mit einer irritierenden Feststellung konfrontiert: Das konstatierte Theoriedefizit stellt sich auf dem Boden eines Verständnisses von Demokratie dar, das von erkenntnistheoretischen Prämissen bestimmt wird, die bereits das Verständnis der Demokratie der Nationalstaaten problematisch sein lassen. Erst recht problematisch erscheint es jedoch, wenn man dieses Verständnis der Demokratie den veränderten Bedingungen einer transnationalisierten europäischen Politik anzupassen sucht, wie sie sich mit der Europäischen Union ausgebildet hat. Es will mir unverzichtbar erscheinen, vor einer Erörterung der Anforderungen, die an eine demokratische Verfassung der europäischen Politik zu stellen sind, die im Verständnis der Demokratie mitgeführten Erkenntnisvorgaben einer Kritik zu unterziehen. Das erfordert einigen Aufwand. Er ist notwendig. Denn man gelangt durch die Kritik zu Anforderungen an eine europäische Politik, die sich sehr von denen unterscheiden, die vom Boden eines traditionalen Verständnisses der nationalen Demokratie an sie gerichtet werden.
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Dux, G. (2010). Demokratietheorie und Europäische Integration. Zur Dekonstruktion des Demos. In: EigmÜller, M., Mau, S. (eds) Gesellschaftstheorie und Europapolitik. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92008-5_3
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