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Die Konstitution der Subjekt-Objekt-Differenz: Das grundlegende Bezugsproblem des interaktionistischen Konstruktivismus

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Interaktionistischer Konstruktivismus
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Auszug

Um den Stellenwert des interaktionistischen Konstruktivismus für die Entwicklungs- und Sozialisationstheorie zu zeigen, müssen zunächst einmal die zwei bislang ausgearbeiteten Versionen eines interaktionistischen Konstruktivismus, der genetische Strukturalismus Piagets und die soziale Konstitutionstheorie, näher betrachtet und nach ihren Stärken und Schwächen beleuchtet werden. Beide Theorietraditionen verfahren auf der Basis von Subjekt-Objekt-Relationen, stellen also konstitutionslogisch Fremdreferenz in Rechnung. Was als „Subjekt“ und „Objekt“ bezeichnet wird, muß ontogenetisch allerdings erst ausgebildet werden. Zudem läßt sich vor dem Hintergrund der differenztheoretischen Einwände der realistische, fremdreferentielle Bezug der Subjektentwicklung auf eine bestehende Außenwelt nicht mehr umstandslos behaupten. Die bisherigen epistemologischen und theoriearchitektonischen Erörterungen führen mithin zwangsläufig in dieses empirische Problemfeld und weisen ihm einen zentralen Stellenwert zu: Wie ist aus der differenzlogischen Ausgangslage heraus die ontogenetische Ausbildung der Subjekt-Objekt-Differenz und damit die Identität von Subjekt und Objekt möglich? So lautet aus entwicklungstheoretischer Sicht die empirische Formulierung des Grundproblems, wie sich Identität aus Differenz bildet.1 Die Bearbeitung dieses Problems liefert auch die Grundlage, auf der Einsicht in die Möglichkeit der Entstehung von Neuem zu gewinnen ist. Die Klärung dieser Frage peilt Fortschritte nach zwei Seiten hin an: Zum einen sollen, im Sinne der Epistemologie Piagets, die erkenntnistheoretischen Grundlagen einer strukturgenetischen Entwicklungs- und Sozialisationstheorie empirisch rekonstruiert werden.

Ich darf an die in der Einleitung dargelegte Bestimmung der Relation von Differenz und Identität erinnern: Die Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes als Subjekt-Objekt-Differenzierung könnte den Eindruck vermitteln, daß hier nach Art des radikalen Konstruktivismus doch nur Differenz in Differenz überführt wird. Es geht aber um die Identität von Subjekten und Objekten, die zugleich mit deren Auseinandertreten konstituiert wird.

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Literatur

  1. Mit den folgenden Untersuchungen soll eine differenztheoretisch sensibilisierte Lesart Piagets empirisch gestützt werden. Alternative Interpretationen der Forschungen Piagets, etwa im Bezugsrahmen einer Erkenntnistheorie des „konstruktiven Realismus“ (vgl. Dux 1982, S. 76ff.), stehen unter den gleichen Belegzwängen. Aus der Sicht des konstruktiven Realismus kann die Widerständigkeit der Objektwelt vorausgesetzt werden, so daß der Vorrang selbstreferentiell operierender Assimilationen und die Klärungsbedürftigkeit der Möglichkeit von Akkommodationen erst gar nicht zum Problem werden: „In der praktischen Dimension fügen sich Objekte aber nicht einfach der Assimilation. Sie sind widerständig. Wenn man annimmt, daß assimilatorische Schemata soweit plastisch sind, daß sie Spielräume der Veränderbarkeit kennen, dann ist es sehr wohl möglich, daß über die Assimilation hinaus-und zur Akkommodation übergegangen werden kann. Die praktische Dimension ist die Bedingung der Akkommodation und damit zugleich der eigentliche Motor des Erkenntnisprozesses.“ (Dux 1994, S. 181; Hervorhebung von mir, T.S.) Diese Aussage bringt genau besehen zwei Strategien zum Ausdruck: Die erste Strategie verweist auf eine allem zugrunde liegende Praxis, die von Anfang an Assimilation und widerständige Objekte verbindet. Dann aber müßte genau diese Verbindung bereits in der ontogenetischen Ausgangslage empirisch einsichtig gemacht werden. Die zweite Strategie geht von der Frage aus, wie von Assimilation zu Akkommodation übergegangen werden kann. Sie muß, um Ontologisierungen zu vermeiden, die Möglichkeit offenhalten, daß die behauptete Praxis ein Entwicklungsresultat der frühen Ontogenese darstellt. Methodologisch ist die zweite Strategie vorrangig, denn sie macht die mit der ersten Strategie verknüpften Aussagen überhaupt erst empiriefähig.

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  2. Mit dieser fundamentalen Einsicht überwindet die genetische Epistemologie, wie Piaget (z.B. 1975b, S. 258ff.) immer wieder betont, alle erkenntnistheoretischen Positionen, die dem Subjekt-Objekt-Dualismus aufruhen, d.h. Subjekte oder Objekte als Quellen der Erkenntnis gegeneinander ausspielen. Die zunächst fehlende Differenzierung zwischen Subjekt und Objekt ist freilich kein spezieller Befund der Piagetschen Untersuchungen, sondern wird vielfach festgehalten. So hat etwa Spitz (1976) aus psychodynamischer Sicht eingehende Analysen der „objektlosen Stufe“ vorgelegt.

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  3. Piaget (ebda., S. 184) trifft eine ganz ähnliche Sprachregelung: „Mag dabei eine Akkommodation an diese Realitäten stattfinden, so bleiben diese doch nur Nahrung für diese Verhaltensschemata.“

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  4. Es gibt freilich auch interne Interaktionen zwischen Strukturen, die der Ausdifferenzierung und Koordination der Assimilationsschemata zugrunde liegen (vgl. Seiler 1991). Das hier behandelte Problem des Interaktionismus als Resultat der frühesten Entwicklung liegt nicht auf dieser Ebene, sondern auf jener des Auseinandertretens von Innen-und Außenwelt. Piaget (1976) hat die Herstellung von Äquilibration auf drei Ebenen verortet: der Ebene der Subjekt-Objekt-Beziehungen, der Ebene der Koordinationen zwischen Schemata und Subschemata und der allgemeinen Ebene der Differenzierung von Schemata und deren Integration in ein Gesamtsystem (vgl. dazu auch Beilin 1993). Im vorliegenden Zusammenhang ist das Problem, wie die Ebene der Subjekt-Objekt-Beziehungen in der Entwicklung aus den anderen Ebenen heraus etabliert wird. Wir kommen darauf zurück.

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  5. Auch der Piaget-Interpret Furth (1990, S. 34f.) hebt hervor, daß zu Anfang alles Assimilation ist. Objekte entstehen durch eine Ausarbeitung der Assimilationsfunktion als „AssimilationsObjekte“ und erst im Zuge dieser Entwicklung grenzt sich allmählich ein Subjekt ab. Diesen Objekten kommt keine von den assimilatorischen Tätigkeiten unabhängige Eigenständigkeit zu. Der psychologische Kontakt zur Außenwelt muß erst hergestellt werden: „Das hat nichts mit Bewußtsein zu tun, aber alles mit Assimilation.“ (ebda.)

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  6. Auf die Ähnlichkeit von kognitiver Äquilibration im Sinne Piagets und Maturanas Begriff struktureller Kopplung weist auch Ciompi (1988, S. 182ff.) hin.

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  7. „Die Akkommodation und die Assimilation sind auf diesem Stadium so undifferenziert, daß man die Nachahmung ebensogut von der ersteren wie der letzteren ableiten könnte. Aber wie wir in der Folge sehen werden, entwickelt die Nachahmung neuer Modelle selbst mehr und mehr die Akkommodation. Nur solange die Nachahmung begrenzt bleibt auf die Reproduktion von Tönen und Gesten, die bereits spontan vom Kind ausgeführt worden sind, fällt (bei der Herleitung der Nachahmung aus der Akkommodation oder der Assimilation) die Unterscheidung schwer.“ (ebda., S. 33).

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  8. Allgemein nennt Piaget (1973) die Mechanismen der Selbstregulation und der reflektiven Abstraktion als Antrieb der Bildung neuer Strukturen. Dabei bilden Strukturen zugleich eine geschlossene Ganzheit und das Potential für die Entstehung neuer Strukturen. Die Dynamik der Assimilation zieht dabei insofern stets Akkommodationen nach sich, als die Anwendung der Assimilationsschemata auf neue Situationen immer Modifikationen, d.h. Kompensationen von Störungen einschließt (vgl. Bringuier/ Piaget 1996, S. 72ff.). Das Neue entsteht nicht erst als Erkenntnis der Differenz zwischen Neuem und schon Bestehendem, sondern als Reaktion auf Störungen in der Anwendung von Assimilationsschemata.

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  9. Um daran zu erinnern: Diese Einsicht geht zurück auf die These der Kontinuität zwischen der Anpassung des Organismus und der Intelligenz und die damit verbundene überragende Bedeutung des Aspekts der Selbstorganisation. „Ein neues Schema muß nicht nur an die äußere Umwelt angepaßt werden, sondern gleichermaßen an die Einheiten der internen epistemischen Umwelt anpaßbar sein, das heißt an die anderen Schemata, mit denen es kooperieren muß, um neue Lösungen zu bilden, die ohne es nicht erreicht werden könnten, wodurch es zu der Adaptivität des kognitiven Systems beiträgt.“ (Cellérier 1993, S. 74) Das Neue ist immer an die Selbstreferentialität der Operationen gebunden, in denen es entsteht: Assimilationsprozesse, so könnte man Piagets Beschreibungen verstehen, bilden „kreative Zirkel“ (Varela 1985).

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  10. Diese Beziehungen zwischen den genannten drei Ebenen der Herstellung von Gleichgewicht lassen sich weiter ausdifferenzieren, wie Piaget (1976, S. 166) an späterer Stelle ausführt: Die erste Ebene wird dem Erwerb physikalischer Erkenntnisse, die zweite dem Erwerb logischmathematischer Erkenntnisse zugeordnet; grundlegend und die beiden ersten Ebenen dominierend ist die dritte Ebene des Gesamtsystems.

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  11. Die Theorie kreativer Zirkel antwortet jedoch nicht, wie Dupuy und Varela meinen, auf das Ursprungsproblem, denn dieses ist — eben weil es als Frage nach dem Ursprung gestellt wird — immer nur identitätslogisch mittels eines voranliegenden Fixpunktes zu lösen, aus dem alles hervorgeht. Diese Ursprungslogik (vgl. Dux 1982, S. 122ff.) überwindet der Konstruktivismus, indem er das Anfangsproblem so stellt, daß dessen Lösung nie an einer letzten Ursache festgemacht werden kann.

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  12. Auf diesen Punkt lassen sich die haltbaren Argumente der zahlreichen Kritiken an der Äquilibrationstheorie Piagets bringen. Vgl. dazu Hoppe-Graff 1993.

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  13. Das wird z.B. schon daran deutlich, „...daß bei rund zwei Drittel der im Erwachen der Intelligenz ...berichteten Beobachtungen Personen mehr oder weniger aktiv in das Geschehen eingreifen.“ (Katzenbach 1992, S. 129)

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  14. Zur Anbindung dieses Problems an Mead vgl. Joas (1989, S. 143ff.; 1992, S. 265ff.).

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  15. Das läßt sich gerade im Rahmen der Entwicklung des Symbolspiels vielfach belegen, wie z.B. Nitsch-Berg (1978, S. 298ff.) zeigt.

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  16. Die Rolle der von außen auferlegten Hemmung des frühkindlichen Verhaltens hat vor allem Spitz (1970) untersucht, wobei sich parallel zur Subjekt-Objekt-Gegenlage (also ca. ab einem dreiviertel Jahr) ein erstes Verständnis des „Neins“ (im Sinne wie auch immer zum Ausdruck gebrachter Verbote) entwickelt. Der damit verbundene Perspektivenwechsel kann nicht rein kognitiv erfaßt werden, sondern liegt auf der Ebene von unterschiedlichen Aktionstypen (vgl. Popitz 1983, S. 20f.), die ausdifferenziert und koordiniert werden.

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  17. vgl. dazu auch Dux 1982, S. 94f. Im Rahmen einfacher Handlungen des Kleinkindes im sozialen Kontext lassen sich auch die durch Dynamismus und Finalismus geprägten Kausalitätsbegriffe einsichtig machen (vgl. Wenzel 1994; 2000).

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  18. Dies ist das Bezugsproblem auf der Linie Webers (1980) und — wie oben erörtert — Habermas’: Sinn und gemeinsam geteilte Bedeutungen entstehen durch die Koordination subjektiv intendierter Handlungspläne.

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  19. „Statt ‚Intersubjektivität ‘als Koordination der subjektiven Orientierungen verschiedener Akteure zu rekonstruieren erscheint Subjektivität als Derivat einer vorausgehenden und zunächst nur objektiv-strukturell auf der Ebene der Interaktion realisierten Intersubjektivität.“ (Schneider 1994, S. 99f.)

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  20. Die Frage der Entstehung bedeutungsidentischer Symbole kann in Auseinandersetzung mit der Bedeutungstheorie weiter geklärt werden. Die Grenzen konkurrierender Bedeutungstheorien zeigen sich Habermas (1988) zufolge am kommunikationstheoretisch zentralen Punkt: einen kommunikativ verwendeten Ausdruck zu verstehen erfordert ein intersubjektiv geteiltes Wissen um die Geltungsbedingungen dieses Ausdrucks. Deshalb muß eine Rekonstruktion der Entstehung gemeinsamer Bedeutungen diese Geltungsbedingungen umfassend analysieren. Bedeutungstheorien nehmen nur bestimmte Ausschnitte dieser Geltungsbedingungen in den Blick (vgl. dazu Sutter 1994a).

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  21. Piaget folgt damit zwar der Begriffsverwendimg der Linguisten, ohne aber mit einem zweistelligen Zeichenbegriff zu arbeiten. Der Begriff der „semiotischen Funktion“ verweist auf den Zeichenbegriff der Semiotik, der auf einer allgemeineren Ebene als die sprachliche Kommunikation angesetzt ist. Eine Zeichenfunktion kann allen (auch natürlichen und nicht kommunikativen) Ereignissen und Verhaltensweisen zugeschrieben werden, sofern diese von einem möglichen Interpreten als Zeichen verstanden werden können, die auf etwas verweisen (vgl. Eco 1987). Dabei wird ein zweistelliger Zeichenbegriff angesetzt, der die Relation von Signifikat (Bezeichnetes) und Signifikant (Bezeichnendes) umfaßt, die nicht durch einen Objektbezug (Referenten) motiviert ist (vgl. Eco 1977, S. 172f). Den zeichentheoretischen Ausgangspunkt bildet stets ein Kode, der die Zuordnung von Signifikaten und Signifikanten regelt. Im Unterschied hierzu rekonstruiert Piaget die kognitive Entwicklung empirischer Subjekte, in der Signifikate und Signifikanten allmählich auseinandertreten. Diese Rekonstruktion arbeitet mit einem dreistelligen Zeichenbegriff, der einen Referenten einschließt. Gerhard Schurz (1985, S. 347) hat dies eine „nichtreferentielle Gebrauchstheorie der Bedeutung“ genannt, die auf dem semiotischen Dreieck Zeichen-Bedeutung-Gegenstand basiert und in der die Bedeutung im Zeichengebrauch liegt, wobei die Beziehungen zwischen Symbolen und Gegenständen durch die kognitiven Konstruktionen erklärt werden.

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  22. Piagets Entwicklungstheorie kann nicht nur einer radikal-konstruktivistischen, sondern auch einer genuin sozialkonstruktivistischen Lesart unterzogen werden. Aber auch diese Lesart muß sich, wie man bei Furth (1990, insb. 171ff.) sehen kann, weitgehend auf Indizien und strittige Implikationen stützen.

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  23. Die in den frühen autosymbolischen Handlungen und Spielen entwickelte Symbolik kann mit Susanne Langer (1984) als „präsentative Symbolik“ bezeichnet werden, die von der „diskursiven Symbolik“ der Sprache zu unterscheiden ist: „Die durch die Sprache übertragenen Bedeutungen werden nacheinander verstanden und dann durch den als Diskurs bezeichneten Vorgang zu einem Ganzen zusammengefaßt; die Bedeutungen aller anderen symbolischen Elemente, die zusammen ein größeres, artikuliertes Symbol bilden, werden nur durch die Bedeutung des Ganzen verstanden, durch ihre Beziehungen innerhalb der ganzheitlichen Struktur... Wir wollen diese Art von Semantik ‚präsentativen Symbolismus ‘nennen, um seine Wesensverschiedenheit vom diskursiven Symbolismus, das heißt von der eigentlichen ‚Sprache ‘zu charakterisieren.“ (ebda., S. 103)

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  24. Auf der Ebene von Bedeutungsbildung und Sprache bleibt bei Piaget offen, wie der „...Prozeß der Bedeutungsverleihung (einer Handlung, T.S.) verläuft und wie Bedeutungen von Handlungen in begriffliche Bedeutungen transformiert werden.“ (Hoppe-Graff 1993, S. 300)

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  25. Vygotskys Gegenstellung zu Piaget beruht nicht auf einer kontinuierlichen Auseinandersetzung der beiden Forscher. Vygotsky konnte lediglich die frühesten Arbeiten Piagets zur Kenntnis nehmen (insbesondere jene zur Sprachentwicklung: vgl. Piaget 1923/1972). Bereits die 1932 erschienene Untersuchung zum moralischen Urteil beim Kinde hätte sicherlich Anlaß zur Modifizierung dieser strikten Gegenüberstellung gegeben, wie den Kommentaren Piagets (1982) zu Vygotsky zu entnehmen ist. Andererseits hätte die Orientierung der Untersuchungen Piagets an einer funktioneilen, auf die subjektive Konstruktivität ausgerichteten Erklärungsstrategie in den folgenden Jahrzehnten wiederum zu einer Verschärfung und Stabilisierung der Gegenüberstellung geführt.

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  26. Die soziale Umwelt, die aus dieser Sicht die kognitive Entwicklung vorantreibt, ist dann auch schon in den frühen Phasen der kindlichen Entwicklung in ihrer ganzen Breite wirksam, die nicht nur die isolierte Mutter-Kind-Dyade, sondern den ganzen familialen Kontext umfaßt (vgl. Dunn 1980).

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  27. „...genau der entscheidende Punkt in Vygotskys Theorie, nämlich die Frage, wie das Kind die Strukturen gemeinsamer Handlungen verstehen (oder doch wenigstens irgendwie davon profitieren) kann, wenn diese Strukturen doch erst die Stufe der nächstfolgenden Entwicklung definieren, bleibt sowohl bei Vygotsky als auch bei seinen gegenwärtigen Schülern unklar.“ (Miller/ Weissenborn 1991, S. 548)

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  28. Bereits in der pränatalen Phase, wenn die Föten in den letzten Monaten der Schwangerschaft auf der Grundlage einer fortgeschrittenen senso-motorischen Reifung ausgeprägte Aktivitätszyklen ausbilden, die von den Müttern wahrgenommen werden, wird von einer Interaktion zwischen Mutter und Fötus gesprochen (vgl. Brazelton/ Cramer 1994, S. 37). Damit ist ein wechselseitiges Einregulieren körperlicher Aktivitäten und Reaktionen gemeint, die auch visuelle, akustische und kinästhetische Signale einschließen.

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  29. Zwar scheinen Laborexperimente mit fünf bis zehn Wochen alten Säuglingen Effekte hervorgerufen zu haben, die auf intentionales, nach Mittel-Zweck-Zusammenhängen strukturiertes Handeln schließen lassen (vgl. Bruner 1987, S. 18f.). Die Analysen Piagets zeigen jedoch, daß Intentionalität zusammen mit den „vollständigen Intelligenzhandlungen“ (Piaget 1992, S. 188) erst ausgebildet werden muß. Das mag im Kontext des Umgangs mit anderen Personen früher geschehen als im Umgang mit unbelebten Objekten, stellt aber gleichwohl einen klärungsbedürftigen Erwerbsprozeß dar. Anstatt gewagte theoretische Unterstellungen zu machen, sollte hier geklärt werden, was Babys kommunizieren (vgl. Szagun 1993, S. 233).

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  30. Wir stehen im allgemeinen vor einer Flut von Experimenten, die mit ganz erheblichen Interpretationsproblemen behaftet sind. Nur ein Beispiel: Stern berichtet von einem Experiment zur Frage, welches Wahrnehmungsgedächtnis Föten und Neugeborene haben. Einige Mütter wurden gebeten, während der letzten drei Schwangerschaftsmonate mehrmals täglich einen bestimmten Text laut zu lesen, so daß der Fötus ihn hören kann. „Kurz nach der Geburt wurden die Säuglinge ‚gefragt ‘(als Antwort diente das Saugen), ob sie die Passage, die sie in utero bereits gehört hatten, besser kannten als einen Vergleichstext. Die Säuglinge zeigten deutlich, daß ihnen die Passage, die man ihnen schon oft vorgelesen hatte, vertraut war.“ (Stern 1992, S. 136).

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  31. Stellvertretend für viele steht diese Äußerung: „Im zweiten Teil werden wir die komplexen Fähigkeiten skizzieren, über die das gesunde menschliche Neugeborene verfügt und mit deren Hilfe es Erwachsene für ihre angemessenen Reaktionen belohnt. Diese ihm angeborenen Fähigkeiten entsprechen den Erwartungen, die alle Eltern hegen. Das Verhalten des Babys und die instinktiven, liebevollen Reaktionen der Eltern treffen in der Neugeborenenphase aufeinander und fördern das Entstehen ihrer Bindung. In dieser Phase verfügen Eltern über hohe Energien, und das Neugeborene hat alle Fähigkeiten, sie ganz für sich in Anspruch zu nehmen.“ (Brazelton/ Cramer 1994, S. 61).

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  32. Mit dieser Methode arbeitet auch die sogenannte „Bindungstheorie“ (vgl. Grossmann 1989), die den Aufbau unterschiedlicher Bindungsqualitäten in der frühen Beziehung zwischen Nachwachsenden und Bezugspersonen und deren Auswirkungen auf die spätere Entwicklung untersucht. Danach kommt einer sicheren, vertrauensvollen Bindung in der frühen Interaktion zwischen Mutter und Kind eine große Bedeutung für die weitere Persönlichkeitsentwicklung des Kindes zu, was zwar ohnehin als plausibel erscheint, aber mangels rekonstruktiver Verfahrensweisen in diesem Forschungsfeld nicht leicht zu erklären ist (zusammenfassend vgl. Grossmann u.a. 1989).

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  33. Auch wenn das Entstehen von Anzeichen für diesen Entwicklungsschritt schon sehr viel früher, im Alter von vier bis fünf Monaten postuliert wird (vgl. Brazelton/ Cramer 1994, S. 143), bleibt die Erklärung der Trennung des Subjekts von seinem frühesten Objekt, einer anderen Person, offen.

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(2009). Die Konstitution der Subjekt-Objekt-Differenz: Das grundlegende Bezugsproblem des interaktionistischen Konstruktivismus. In: Interaktionistischer Konstruktivismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91795-5_4

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