Bis in die siebziger Jahre hinein wurde „gesundheitlicher Fortschritt“ recht selbstverständlich gleichgesetzt mit „medizinischem Fortschritt“. Es dominierte die Meinung, die medizinische Versorgung sei, wenn nicht der einzige, so doch der wichtigste und entscheidende Faktor für Gesundheit und Lebenserwartung. Aber ebenso, wie die Grenzen des Glaubens, die zentralen Menschheitsprobleme ließen sich durch Innovationen in Naturwissenschaft und Technik lösen, in dieser Zeit sichtbar wurden, geschah dies auch im Hinblick auf die Gesundheit. Hier wie dort gerieten zunächst die „Grenzen des Wachstums“ ins Blickfeld. Erst langsam begann sich die Einsicht aufzudrängen, dass Inhalt und Qualität des bisherigen industriellen Wachstums die − ebenso faszinierende wie bedrohliche − Untergrabung der natürlichen Lebensgrundlagen des Planeten beinhalten. Wenn auch noch überwiegend als Kritik und Opposition und nicht als dominierende Sicht- und Handlungsweise, erkennt man heute, dass Naturwissenschaft und Technik als integrierte Bestandteile des industriellen Wachstums geistige Ausdrucksformen und Praxis der in die Krise geratenen Mensch-Natur- Beziehung sind. So ist es auch mit der Medizin.
Zuerst erschienen in: Rosenbrock R, Kühn H, Köhler B M (Hrsg.) (1994): Präventionspolitik: Gesellschaftliche Strategien der Gesundheitssicherung, Berlin: Ed. Sigma, 29-53. Der Beitrag wurde an die neue Rechtschreibung angepasst. Wir danken sehr herzlich den beiden Verfassern sowie dem Sigma Verlag aus Berlin für die Erlaubnis, den Beitrag wieder abdrucken zu dürfen.
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Kühn, H., Rosenbrock, R. (2009). Präventionspolitik und Gesundheitswissenschaften. Eine Problemskizze. In: Bittlingmayer, U.H., Sahrai, D., Schnabel, PE. (eds) Normativität und Public Health. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91762-7_2
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