Zusammenfassung
Nach der Lektüre der relevanten Ansätze in der Migrationsforschung fiel im Kontrast zu meinen ersten Ergebnissen aus den Fallrekonstruktionen die nahezu vollständige Absenz einer systematischeren Thematisierung von Fremdheitserfahrungen in Migrationsprozessen auf. Dies war umso erstaunlicher, als in der klassischen soziologischen Literatur die soziale Figur des Fremden von Georg Simmel bereits vor dem Polish Peasant konzeptionell entwickelt worden war. Alfred Schütz hatte in den frühen 40er Jahren die spezifischen Erfahrungen von Fremden zum Gegenstand seiner theoretischen ßberlegungen gemacht. Auch in den Untersuchungen der Chicago School spielte Fremdheit in der Konzeption des marginal man noch eine gewisse Rolle. In der Migrationsforschung der Nachkriegszeit dagegen wurden Fremdheitserfahrungen kaum noch als zu klärende Aspekte im Rahmen migrationssoziologischer Fragestellungen in den Blick genommen. Vielmehr interessierten Prozesse, in denen Fremdheit (scheinbar) zum Verschwinden gebracht bzw. kontrollierbar gemacht werden kann. Die Fragen um Fremde und Fremdheit erwachte erst Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre erneut, nicht zuletzt auch als Reaktion auf den Ausbruch von Gewalt gegen Fremde. Hier wurde – ähnlich wie in den klassischen Studien und in kritischer Wendung zu den Versuchen, Fremdheit zu domestizieren bzw. mit Assimilation zum Verschwinden zu bringen – dem Fremden wieder ein systematischer Ort im Kontext soziologischer Reflexion über moderne Gesellschaften zugewiesen. Die klassischen soziologischen Arbeiten zum Fremden wurden erneut rezipiert und drangen bis in die Feuilletons vor (Kuhlmann 1992).
Im Folgenden wird in diesem Kapitel die Kursivsetzung von Fremden, Einheimischen, etc. bei ihrer ersten Verwendung beibehalten, im weiteren Verlauf jedoch darauf verzichtet, um das Lesen nicht zu einer ästhetischen Zumutung werden zu lassen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Rights and permissions
Copyright information
© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Breckner, R. (2009). Figuren, Positionen und Erfahrungen des Fremden. In: Migrationserfahrung – Fremdheit – Biografie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91738-2_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91738-2_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16851-7
Online ISBN: 978-3-531-91738-2
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)