Zusammenfassung
Ralph Giordano war einmal eine moralische Autorität in Deutschland. Mit seinen aufrüttelnden Reportagen, seinem als literarisches Kunstwerk zwar nicht bedeutenden, menschlich aber anrührenden Roman Die Bertinis sowie seinem politisch- psychologischen Traktat die Zweite Schuld gehörte er über Jahrzehnte zu jenen Stimmen, die einer selbstgerechten und indolent gewordenen westdeutschen Gesellschaft den Spiegel vorhielt. Nun jedoch, in seinem fünfundachtzigsten Jahr ist der Autor zu eben dem geworden, was er jahrelang analysiert und damit an den Pranger gestellt hat: zu einem von dumpfen Ressentiments getriebenen Kleinbürger, der – von undurchschauten Vorurteilen getrieben – seine liebe Not und Mühe hat, sich des überreichen Beifalls von der falschen, der rechten Seite zu erwehren. Mit seinem Engagement gegen die Errichtung einer Moschee in Köln-Ehrenfeld, mit Äußerungen in Interviews über tief verschleierte muslimische Frauen, die bei aller begrüßenswerten Gegnerschaft zum Islamismus jenseits des Akzeptablen stehen, sowie seinen düsteren Untergangsahnungen wurde der Aufklärer von einst zum Propheten von Rechts, zum selbststilisierten und selbstgerechten Siegelbewahrer westlicher Freiheit.
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© 2009 VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH
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Brumlik, M. (2009). Das halbierte Humanum. Wie Ralph Giordano zum Ausländerfeind wurde. In: Schneiders, T.G. (eds) Islamfeindlichkeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91692-7_29
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-91692-7_29
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-16257-7
Online ISBN: 978-3-531-91692-7
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